Der personelle Kahlschlag nach der Fusion des Germanischen Lloyd mit Det Norske Veritas ist ausgeblieben. Marktanteil von 21 Prozent weltweit.

Hamburg. Kurz vor Weihnachten 2012 kündigten Det Norske Veritas (DNV) und der Germanische Lloyd (GL) ihre Fusion an. Das neue Unternehmen DNV GL werde einer der führenden Prüfkonzerne weltweit sein und die führende Gesellschaft zur Klassifikation von Schiffen, so lautete die frohe Botschaft zum Fest. Mancher Beobachter in Hamburg war skeptisch, befürchtete den personellen Kahlschlag. Der GL, gegründet 1867, zählte stets zum Kraftzentrum von Schifffahrt und Schiffbau in der Hansestadt und in ganz Deutschland. Nun ist das Traditionsunternehmen Teil des norwegischen Konzerns DNV GL.

An einem Vormittag etwas mehr als zwei Jahre später kommt Tor E. Svensen gut gelaunt zum Gespräch in einen Konferenzraum. DNV GL Maritime, die Schifffahrtssparte des neuen Unternehmens, sitzt am Brooktorkai in der HafenCity, in einem modernen Firmengebäude, das vor der Fusion noch der GL genutzt hatte. Svensen, Chef dieses für den Konzern wichtigsten Bereiches, zieht ein Zwischenfazit nach der formalen Umsetzung der Fusion.

„Mit der Integration von DNV und GL bin ich bislang im Großen und Ganzen zufrieden, aber nicht vollständig“, sagt der Norweger. „In mancher Hinsicht haben wir noch etwas Schwierigkeiten, uns wirklich als einheitliches Unternehmen zu präsentieren. Aber das ist angesichts der langen Historie beider Unternehmen wohl nicht ganz ungewöhnlich.“ Das Jahr 2015 stehe ganz im Zeichen einer besseren Fokussierung auf die Kunden: „Wir werden unseren Kunden helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit in einem weiterhin schwierigen Marktumfeld zu stärken.“

Trotz aller Krisen wächst die Schifffahrt

Spezialwissen zur Klassifikation, zur Mitentwicklung, zur stetigen Verbesserung von Schiffen aller Typen war und ist weltweit immer gefragt. Trotz aller Krisen wächst die Schifffahrt und die Menge der auf See transportierten Güter weiter. Doch auch der Kostendruck steigt. Reedereien schließen sich zu größeren Einheiten zusammen. Klassifikationsgesellschaften wie DNV und GL passen sich den veränderten Kräfteverhältnissen durch Fusionen an. Mit einem Marktanteil von rund 21 Prozent, gemessen am Schiffsraum, ist DNV GL Maritime mit Abstand Weltmarktführer bei der Klassifikation von Schiffen. Herausragend ist dabei der Anteil von mehr als 43 Prozent der fahrenden Containerschiffstonnage, den DNV GL Maritime klassifiziert. Vertreten sind aber auch alle anderen Schiffstypen, seien es Tanker, Massengutfrachter, RoRo-Schiffe oder Fähren. Von der neuen Struktur erhofft sich das Unternehmen international mehr Effizienz und Leistungsfähigkeit: „Wir werden die Zahl der Büros von DNV GL weltweit von derzeit 527 in diesem Jahr auf 361 reduzieren. Damit nehmen wir Redundanzen heraus, die noch aus der Zeit beider Unternehmen mit ihren selbstständigen Netzwerken herrühren“, sagt Svensen. „Jedes einzelne der neuen Büros wird am Ende leistungsfähiger sein als jedes einzelne der beiden früheren Unternehmen.“

Der neue Prüfkonzern ist auch in anderen Branchen aktiv, etwa in der Offshore-Öl- und -Gaswirtschaft oder bei den erneuerbaren Energien. Der Standort Hamburg allerdings konzentriert sich in erster Linie auf die Schifffahrt. DNV GL Maritime beschäftigt in der Hansestadt 1450 Menschen. Das entspricht ziemlich genau der gesamten Personalstärke, die DNV und vor allem GL vor der Fusion in der Stadt hatten. Einige Schifffahrtsexperten kamen im Zuge der Neuordnung nach Hamburg, einige Mitarbeiter wechselten zu anderen Standorten und Sparten im Unternehmen. „Hamburg ist unser mit weitem Abstand größter und wichtigster Standort in Deutschland“, sagt Svensen. „Und es ist eines der weltweit führenden Kompetenzzentren für die Klassifikation von Schiffen aller Typen. Auf dieser Basis werden wir unser neues Unternehmen weiterentwickeln.“

Bedarf an Spezialwissen steigt

Der Bedarf an Spezialwissen für den sicheren und effizienten Betrieb von Schiffen steigt eher, als dass er sinkt. Vor allem die Containerschiffe erreichen ständig neue Größenrekorde – das ist auch ein Zeichen für den ökonomischen Druck, die Brennstoffkosten je Container immer weiter zu senken. Die jahrelange Krise der Schifffahrt hat sich nach Ansicht mancher Experten mittlerweile zum Normalzustand entwickelt, mit geringen Gewinnspannen und hohen Risiken am Markt. „Das Schifffahrtsgeschäft war immer extrem zyklisch. Dieser Zyklus ist allerdings, mit Blick auf die zurückliegende und noch nicht überwundene Krise, besonders lang“, sagt Svensen. „Mehr Flexibilität beim Einsatz von Brennstoffen, der Einsatz von Brennstoffen mit weniger Schadstoffemissionen, mehr Energieeffizienz auf Schiffen – das sind die bestimmenden Trends für die Reedereien und damit automatisch auch für uns.“ DNV GL investiere jährlich rund fünf Prozent seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung: „Das ist ein enorm hoher Aufwand.“

Auch Svensen glaubt nicht, dass sich die Märkte für die Schifffahrt schnell erholen. „Die maritime Wirtschaft wird in den kommenden zwei bis drei Jahren sicher weiter unter hohen Überkapazitäten leiden. Die Orderbücher sind gut gefüllt, bei den Containerschiffen, aber auch bei Spezialschiffen wie etwa Tankern für tief gekühltes, verflüssigtes Erdgas“, sagt er. „Die wichtigste Triebkraft für neue Schiffe bei den Reedereien ist derzeit Energieeffizienz und bei den Containerschiffen vor allem auch die Größe.“ Das neue weltgrößte Containerschiff „CSCL Globe“ der Reederei China Shipping und seine vier Schwesterschiffe wurden von DNV GL Maritime klassifiziert. Sie sind 400 Meter lang, 58,6 Meter breit und besitzen eine Transportkapazität von je 19.100 Containereinheiten (TEU).

Die maritime Wirtschaft der Hansestadt hat seit 2008 einige Rückschläge erlebt, vor allem beim Niedergang der Schiffsfinanzierung. Svensen ist dennoch optimistisch für den Standort: „Hamburg wird aus meiner Sicht das wichtigste Kompetenzzentrum der weltweiten Containerschifffahrt bleiben, wozu auch DNV GL einen entscheidenden Beitrag leisten wird“, sagt er. „Die Dominanz des hiesigen maritimen Netzwerks bei der Bereederung von Containerschiffen wird allerdings nicht mehr ganz so groß sein wie vor der Krise. Auch bei der Schiffsfinanzierung verschieben sich die Gewichte, nach Asien und auch in die USA.“

Von Hamburg aus will der Norweger die Geschicke der traditionsreichen Branche mitprägen. Auch für Svensen privat bedeutet der Aufbau von DNV GL manche Umstellung. „Ich mag Hamburg und Norddeutschland sehr, meine Familie lebt zeitweise auch hier. Und ich lerne fleißig Deutsch.“