Nur noch 70.093 Hamburger ohne Job. Ältere Bewerber haben allerdings Probleme, eine Anstellung zu finden

Hamburg. Fast wäre die Marke von 70.000 Arbeitslosen in Hamburg zum Ende des Jahres 2014 doch noch unterschritten worden. Exakt 70.093 Frauen und Männer waren im Dezember in der Stadt erwerbslos gemeldet – 278 oder 0,4 Prozent weniger als im November. Dies war der niedrigste Stand des gesamten Jahres 2014, wie Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock sagte. Gegenüber Dezember 2013 betrug der Rückgang sogar 1,5 Prozent. Die Quote liegt unverändert bei 7,2 Prozent. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erhöhte sich um 2,9 Prozent auf den höchsten jemals in Hamburg gemessenen Wert von 910.000.

Verantwortlich für die gute Entwicklung sei eine hohe Dynamik am Arbeitsmarkt gewesen, die sich nach der Sommerpause eingestellt habe, wie Fock erklärte. Zwar hätten mehr Hamburger ihren Job verloren als im Vorjahr, noch deutlicher sei aber die Zahl derjenigen gestiegen, die wieder einen neuen Job gefunden haben. Gleichzeitig seien laufend neue Arbeitsstellen von Unternehmen angeboten worden, sodass Arbeitssuchende jeden Monat auf 3500 bis 4500 neue Jobs zugreifen konnten. Nach Focks Worten hätten davon auch bis dato schwer vermittelbare Menschen wie Langzeitarbeitslose, Ungelernte und Menschen mit Behinderung profitiert.

Auslöser für die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt sind laut Agenturchef Fock die hohe Nachfrage nach Fachkräften sowie der stark gesunkene Ölpreis, der insbesondere energieintensive Betriebe entlaste. „Die gesunkenen Energiepreise kurbeln nicht nur den Binnenmarkt und den Konsum an, sondern haben einer Reihe von Unternehmen den letzten Kick gegeben, aufgeschobene Entscheidungen zum Personalaufbau zu fällen“, so Fock. Zwar deute sich jetzt an, dass saisonbedingt die Zahl der Arbeitslosen wieder steigen werde. Aber auch 2015 sei ein robuster und stark nachfrageorientierter Arbeitsmarkt zu erwarten, so Fock.

Als problematisch bezeichnete Fock allerdings die Entwicklung bei älteren Arbeitslosen ab 55, deren Zahl um drei Prozent gewachsen sei. Er warnte vor dieser Entwicklung: „Ältere Arbeitnehmer sind für Firmen unverzichtbar“, sagte er. „Wer heute 55 Jahre alt ist, wird in der Regel spätestens in zehn Jahren nicht mehr arbeiten. Unternehmen in Hamburg müssen folglich eine personelle Lücke in der Größenordnung von 130.000 Mitarbeitern schließen, die in diese Altersgruppe fallen, davon 113.800 Fachkräfte, die über langjährige Berufs- und Lebenserfahrung verfügen.“ Deshalb sei es wichtig, dass diese teilweise hoch qualifizierten Mitarbeiter ihr Know-how im innerbetrieblichen Wissenstransfer an jüngere Kollegen weitergeben, so Fock.

Wie so etwas aussehen kann, zeigt das Beispiel des Hamburger Unternehmens Kört.ING Ingenieure in Hammerbrook. Das Ingenieurbüro berät und unterstützt Projekte des Küsten- und Hochwasserschutzes sowie des Hafenbaus. 20 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen an seinem Hauptsitz in Hamburg, das noch weitere Büros in Lübeck und Dresden betreibt. Noch in diesem Jahr sollen fünf bis sieben weitere Mitarbeiter hinzukommen. Kört.ING sucht dabei nicht nur junge ausgebildete Kräfte, sondern erfahrene Fachleute ab 45 aufwärts, was für Fock der Idealfall ist.

„Wir profitieren davon, dass wir beides in unserer Firma vereinen. Junge Ingenieure, die frisch von der Universität kommen und mit neuen Technologien bestens vertraut sind, genauso wie Fachkräfte mit gewisser Lebenserfahrung“, sagte Nicolas Körting, Inhaber des Projektbüros. Deshalb würden die Mitarbeiter immer in gemischten Teams die Projekte entwickeln. „Wie man baut, weiß man seit 100 Jahren. Aber die Prozesse haben sich grundlegend gewandelt“, sagt Körting. „Junge Ingenieure beherrschen Statikprogramme und können ganze Häuser am Computer entwerfen, doch um die Ergebnisse auf ihre Alltagstauglichkeit hin zu prüfen, braucht es Lebenserfahrung“, so Körting.

Diese Lebenserfahrung bringt beispielsweise der Bauingenieur Reinhard Latal, 61, mit. Latal war sein Leben lang Verkehrsplaner, erst als Angestellter in einem Büro, später selbstständig. Vor etwa zwei Jahren ging die Zahl der Aufträge zurück, Latal musste schließen und sich arbeitslos melden.

Nun ist ein 59 Jahre alter arbeitsloser Spezialist für Verkehrsplanung sicher kein Wunschkandidat für Arbeitsvermittler. Latal hatte aber Glück. „Sie pudere ich, bis Sie einen neuen Job haben“, sagte ihm damals ein besonders engagierter Mitarbeiter der Arbeitsagentur. Mit Erfolg: Nach gerade einmal zweieinhalb Monaten Arbeitslosigkeit habe sich die Chance bei Körting aufgetan, die er sofort ergriff – obgleich er von Wasserbau wenig wusste. „Das ist aber egal. Selbst wenn man fachlich noch nicht alles drauf hat, sollte man zugreifen“, sagt Latal. Zusammen mit jüngeren Ingenieuren arbeitet er jetzt am Hochwasserschutz der Museumsschuppen im Hafen. Allerdings müssten ältere Bewerber auch zu Abstrichen bei den Gehaltsvorstellungen in der Lage sein, sagt Latal. „Man sollte bedenken, dass man mit wesentlich jüngeren Arbeitskräften im Wettbewerb steht.“