Rolf Strittmatter wird der neue Chef der Wirtschaftsförderung. Es gab sechs Kandidaten für den Job

Hamburg. Als eine „Stadtbesichtigung der besonderen Art“ beschreibt Rolf Strittmatter den Marathon, den er vor einigen Jahren in Hamburg gelaufen ist. Sein schönster bisher, und das sagt er nicht erst, seit er den Vertrag für seinen neuen Job in der Hansestadt in der Tasche hat. Damals setzte er sich das Ziel, die Strecke in 3:30 Stunden zu laufen. „Die Marke habe ich zwar, was ärgerlich war, um neun Sekunden verpasst“, erinnert sich der 44-Jährige. Aber dennoch sei der Tag einmalig gewesen, das herrliche Wetter und dazu die tolle Stimmung der Zuschauer entlang der Strecke, an dieses nicht nur sportliche Erlebnis erinnert sich der Diplom-Volkswirt immer noch gerne. Er wird die Alster- und Elbwege beim Training bald häufiger genießen können: Strittmatter zieht es nun auch beruflich in die Hansestadt, er wird neuer Geschäftsführer der Hamburger Wirtschaftsförderung (HWF).

„Herr Strittmatter ist unsere Idealbesetzung“, lobte Wirtschaftssenator Frank Horch den neuen Geschäftsführer, der sich gegen sechs Kandidaten durchgesetzt hatte. Die Suche hatte die Stadt mithilfe eines Personalberaters forciert. Über die Aussicht, dass nun endlich Ruhe an der Spitze der HWF einkehren könnte, freuten sich am Montag am Rande der Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen obersten Wirtschaftsförderers gleich mehrere Weggefährten. Denn zuvor hatte es hier einige Wechsel gegeben: Strittmatters Vorgängerin Jutta Ludwig hatte sich der Kritik gegenübergesehen, dass sie sich zwar in volkswirtschaftlichen Angelegenheiten hervorragend auskenne, aber in der Hamburger Wirtschaft zuweilen unglücklich agiert habe. Auch der Vertrag ihres Vorgängers war vorzeitig aufgelöst worden. Zuletzt war die HWF dann interimsmäßig von Dietrich von Albedyll geführt worden, der auch Hamburgs Tourismuschef ist.

Senator Horch beschrieb am Montag die Hauptaufgaben Strittmatters mit einem Blick in die Vergangenheit. Hamburgs damaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi habe vor 30 Jahren den Grundstein für die Wirtschaftsförderung gelegt. Damals habe der Hafen eine Krise durchlebt, die Stadt litt am Werftensterben und an ihrer Randlage während des Kalten Krieges. „Zu dieser Zeit etablierte die Stadt eine Wirtschaftsförderung gegen den Niedergang, gegen die Abwanderung von Firmen“, sagte Horch. „Heute liegt der Schwerpunkt auf neuen Ansiedlungen.“

Obgleich Horch sich grundsätzlich mit der Bilanz der HWF für 2014 zufrieden zeigte – immerhin seien knapp 100 Firmen wie Kellogg oder Sennheiser bei der Ansiedlung oder Expansion unterstützt worden – benannte er doch einen Wunsch für die Zukunft: Es müssten mehr Großunternehmen an die Elbe ziehen. Es seien die Konzerne, die Leistungsträger in die Stadt lockten und wichtige Entscheidungen aus Hamburger Perspektive fällten.

Strittmatter wird sich als HWF-Chef diesem Anspruch stellen müssen, und ihn – entsprechend seiner vielfältigen Erfahrungen in Theorie und Praxis – zumindest mit Blick auf kleinere Firmen wohl auch erfüllen können. Nach der Diplomarbeit zum Standortmarketing an der Uni Freiburg promovierte er über das Thema „Regionalmarketing in der Europäischen Union“. Seine berufliche Laufbahn startete er in der Schweiz, wo er eine Initiative zur Förderung von Unternehmensneugründungen im Bereich Life-Sciences beriet. 2004 übernahm er die Geschäftsführung der Wirtschaftsfördergesellschaft in seiner Heimat, den südwestdeutschen Landkreisen Lörrach und Walds-hut. Anschließend wechselte er in die Wirtschaft und lenkte als Kaufmännischer Geschäftsführer ein mittelständisches Medizintechnikunternehmen. 2010 führte sein Weg zurück in die Wissenschaft. Strittmatter übernahm als Professor die Leitung des Studiengangs Wirtschaftsförderung an der Dualen Hochschule in Mannheim. Seit 2011 war er Geschäftsführer der Zukunftsagentur Brandenburg, die sich in Potsdam ebenfalls um Investoren kümmert.

„Hamburg ist einer der attraktivsten Wirtschaftsstandorte in Deutschland und Nordeuropa“, freut sich Strittmatter auf seine Aufgabe in der Hansestadt, wo er derzeit noch auf Wohnungssuche für seine Familie mit drei Kindern ist. „Das wird das erste schwierige Ansiedlungsprojekt“, scherzte er am Montag bei seiner Vorstellung.

Die HWF habe in den vergangenen dreißig Jahren für die Entwicklung der Wirtschaftsförderung in Deutschland „immer wieder positive Beispiele gegeben“, sagte Strittmatter. An diese Tradition wolle er anknüpfen „und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der HWF den Unternehmen in der Stadt für ihre Entwicklung besten Service bieten und gleichzeitig neue Firmen für den Standort begeistern.“

Dass die Hansestadt dabei immer wieder vor dem Problem steht, den Betrieben zu wenig Flächen bieten zu können, ist Strittmatter nach eigenen Worten bewusst. Der Süddeutsche wird bei dem Grundstücksthema einige Geduld mitbringen müssen in den Stadtstaat im hohen Norden, der zugleich um mehr bezahlbaren Wohnraum kämpft. Aber das nötige Durchhaltevermögen dürfte Strittmatter besitzen – als Manager, der auch die Mühen eines Marathons nicht scheut.