Unter der Stiftung Alsterdorf liegt das modernste Rechenzentrum Deutschlands mit sensiblen Daten über jeden Hamburger. Für den Betrieb sorgt die Firma Akquinet und viele Menschen mit Handicap.

Hamburg. Sie stehen gestapelt in mattschwarzen Metallschränken mit Gittertüren, durch die LED-Lämpchen in bunten Farben blinken: Mehrere Tausend Servercomputer, auf denen unter anderem Programme der Krankenkasse DAK, des Logistikkonzerns Kühne + Nagel und des Autohändlers Dello laufen. In einem anderen Raum, zu dem kein Außenstehender Zutritt hat, liegen Daten über praktisch alle Hamburger – das Melderegister, die Steuererklärungen, aber auch Informationen über die leidigen „Knöllchen“.

So wenig spektakulär die Server selbst aussehen, so beeindruckend ist die Technik, die für ihren störungsfreien Betrieb sorgt: Vier Dieselaggregate, jedes einzelne von der Größe eines Kleintransporters, werden ständig auf Betriebstemperatur gehalten, damit sie bei einem Stromausfall innerhalb von Sekunden die Versorgung übernehmen könnten. Ebenso groß sind die Kältemaschinen, die sicherstellen, dass den sensiblen Hightech-Servern nicht zu warm wird.

„Dies ist das modernste Rechenzentrum Deutschlands“, sagt Norbert Frank, einer der Gründer und heute der Aufsichtsratsvorsitzende der Hamburger Firma Akquinet, die die Anlage betreibt. Von außen sichtbar ist das im Jahr 2013 eröffnete Rechenzentrum nicht. Es befindet sich tief unter einer Turnhalle der Bugenhagen-Schule auf dem Gelände der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Mit der Abwärme, die die Server erzeugen, wird in den kälteren Monaten die Turnhalle, die mit hohem Aufwand für die Nutzung auch von Menschen mit Behinderung konzipiert wurde, beheizt.

Für innovative Lösungen dieser Art hat das Rechenzentrum einen Branchenpreis für Energieeffizienz erhalten. Außerdem ist es nach der höchstmöglichen Stufe der Betriebssicherheit zertifiziert – so wie nur noch eine weitere Einrichtung in Deutschland, die vom IBM-Konzern in der Nähe von Frankfurt betrieben wird.

Absicherung als höchstes Gut

Um eine extrem hohe Ausfallsicherheit zu gewährleisten, ist alles mindestens doppelt vorhanden, nicht nur die Stromversorgung und die Kühlung: Auch das Rechenzentrum selbst gibt es zweimal. In Norderstedt wurde eine identische Anlage – allerdings ohne die Turnhalle darüber – noch einmal gebaut. Dieser hohe Sicherheitsstandard war eine Voraussetzung dafür, den Ankerkunden Dataport, den Informations- und Kommunikationsdienstleister der öffentlichen Verwaltung für die Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Sachsen-Anhalt in einer europaweiten Ausschreibung zu gewinnen.

Für die höchste Sicherheitsstufe nach „Level 4“ ist auch eine besonders ausgeklügelte Zugangskontrolle erforderlich. So gelangen Mitarbeiter und Kunden per Chipkarte nur in die Räume, für die sie freigegeben wurden. Zudem hat man für Beschäftigte der beiden Bereiche IT und Gebäudetechnik völlig getrennte Wegeführungen geschaffen. Zu den Mitarbeitern, die Besucher in Empfang nehmen und über diverse Kameras die Anlage überwachen, gehört Daniela S. Die junge Frau ist gelernte Optikerin, hatte aber zuvor große Probleme, einen Arbeitgeber zu finden.

Bei Akquinet hingegen sind Mitarbeiter wie Daniela S. die Normalität. Denn die Tochtergesellschaft Akquinet Outsourcing mit 130 Beschäftigten, die die beiden neuen sowie ein älteres Rechenzentren betreibt und an der die Evangelische Stiftung Alsterdorf einen Anteil von 25,1 Prozent hält, ist ein Integrationsbetrieb: Menschen mit Handicap stellen mindestens 40 Prozent des Personals. Einer von ihnen ist auch Lucas Carvalhana, der die Nutzer der Rechenzentren bei Computerproblemen telefonisch unterstützt. Carvalhana ist stark sehbehindert. „Jeder Mensch kann etwas. Ich kann gut telefonieren“, sagt er. Vor seinem Wechsel zu Akquinet hat er eine Ausbildung zum Bürokaufmann bei einem Energiekonzern in Hamburg absolviert. Doch inzwischen ist er seit zehn Jahren bei dem IT-Unternehmen und findet: „Das Bewusstsein ist hier anders, das spürt man. Es wundert sich niemand, wenn ich mal etwas nicht kann.“

Die Kooperation zwischen der Evangelischen Stiftung Alsterdorf und Akquinet geht bereits auf das Jahr 2003 zurück. „Unsere IT-Abteilung war damals überfordert, darum hat man sich entschlossen, sie auf einen externen Dienstleister zu übertragen“, sagt Hanns-Stephan Haas, Vorstandvorsitzender der Stiftung. Dieser Dienstleister war Akquinet. „Bald darauf haben wir gemeinsam mit Akquinet überlegt, ob wir die Zusammenarbeit nicht ausbauen können.“

Norbert Frank hatte schon Mitte der 1990er-Jahre ein anderes IT-Unternehmen in Hamburg mit aufgebaut und später von einem Börsengang am Neuen Markt profitiert. Für die neue Firma Akquinet hat er dennoch ganz bestimmte Vorstellungen: „Wir wollten nicht wieder von Spekulanten und Kredithaien abhängig sein. Darum arbeiten wir völlig ohne Fremdkapital.“

Anfängliche Zweifel unbegründet

Heute hat die Firma, ein international tätiges IT-Beratungsunternehmen, insgesamt 520 Beschäftigte. Franks Motivation für die Gründung des Integrationsbetriebs als Akquinet-Tochtergesellschaft: „Ich hatte Glück im Leben und wollte der Gesellschaft etwas zurückgeben.“ Allerdings räumt er ein: „Wir waren uns nicht ganz sicher, ob ein Rechenzentrum, in dem zu einem erheblichen Anteil Menschen mit Behinderung arbeiten, von den Kunden angenommen wird.“

Doch offenbar waren solche Sorgen unbegründet. „Die Rückmeldungen von den Kunden sind äußerst positiv“, sagt Thomas Tauer, der als Geschäftsführer einer weiteren Akquinet-Tochter für die Planung von Rechenzentren verantwortlich ist. Nach seiner Einschätzung kommt es ganz wesentlich darauf an, „die Mitarbeiter ihren Fähigkeiten gemäß einzusetzen“. Zudem sieht Tauer einen Unterschied in der Einstellung: „Normalerweise arbeiten Menschen mit vielleicht 80 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit. Die Kollegen mit Handicap geben 100 Prozent.“

Weil diese Beschäftigten bei Akquinet Outsourcing die gleiche Bezahlung erhalten wie die übrigen Mitarbeiter, dürften die Personalkosten bezogen auf die Produktivität dennoch etwas höher sein als in anderen Rechenzentren. „Letztlich sind wir aber trotzdem günstiger“, sagt Frank. „Denn dieser Betrieb wird als Non-Profit-Unternehmen geführt, während Wettbewerber Gewinnmargen von 30 Prozent anstreben.“ Hinzu kommt, dass ein Integrationsbetrieb nur einen Umsatzsteuersatz von sieben Prozent in Rechnung stellen muss und nicht 19 Prozent wie sonst für solche Dienstleistungen üblich.

Ohnehin aber seien für die Preise, die die Kunden zu zahlen hätten, nicht die Personalkosten ausschlaggebend, sondern eher die Kapitalkosten für die Investitionen – immerhin 30 Millionen Euro für die beiden neuen Rechenzentren. 50 Prozent der Betriebskosten entfallen auf die Stromrechnung, ergänzt Frank. Und auch wenn die zwei Anlagen nach sparsamen „Green IT“-Grundsätzen ausgelegt wurden, verbrauchen sie zusammen halb so viel Strom wie die Stadt Norderstedt.