Der Ölpreis ist stark gesunken. Wichtige Fragen zu den Ursachen

Hamburg. Die These ist so verbreitet, dass sie kaum mehr angezweifelt wird: Das Ende des Erdölzeitalters steht bevor. Öl ist heute schon knapp und hat seinen Zenit als Energielieferant der industriellen Epoche überschritten. Doch der Rohölpreis hat sich in nur sechs Monaten fast halbiert. Das passt nicht zusammen, eigentlich.

Wie viel Öl gibt es noch auf der Erde?

Die Fachleute unterscheiden zwischen Reserven und Ressourcen. Reserven sind Rohstoffe, die mit heutigen Mitteln wirtschaftlich gefördert werden können, also zum Verbrauch zur Verfügung stehen. Ressourcen sind weitere Vorkommen eines Rohstoffs in der Erdkruste, die aber noch nicht zugänglich sind. Die Ölreserven betragen, je nach Quelle, ungefähr 220 bis 240 Milliarden Tonnen, davon etwa ein Fünftel aus unkonventionellen Quellen wie Schieferöl und Ölsände. Den bisherigen Verbrauch seit Beginn des Ölzeitalters beziffert die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auf 175 Milliarden Tonnen.

Wie lange reicht das Öl?

Bei heutigem Verbrauch noch mehr als 50 Jahre. Die Nachfrage und der Verbrauch werden jedoch in den nächsten Jahrzehnten zunehmen. Öl ist mit einem Anteil von einem Drittel der wichtigste Energieträger. Damit hat es zwar relativ an Bedeutung verloren; vor 40 Jahren hat Öl noch fast die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs abgedeckt. Aber der Energieverbrauch steigt weltweit weiter an und damit auch der Ölverbrauch. Nach der Prognose von BP erhöht er sich bis 2035 von heute 90 auf 109 Millionen Barrel pro Tag. Andere Prognosen sind niedriger, die Internationale Energie-Agentur (IEA) rechnet mit 104 Millionen Barrel bis 2040.

Warum kommt es immer wieder zu starken Schwankungen beim Ölpreis?

Der Wissenschaftler Leonardo Maugeri hat bereits 2012 eine Ölschwemme und fallende Preise ab 2015 vorhergesagt, weil die Kapazitäten zur Ölförderung auf der Angebotsseite erheblich ausgeweitet würden. „Der Schiefergas-Ölboom in den USA ist keine Blase, sondern die wichtigste Revolution im Ölsektor seit Jahrzehnten“, schrieb er in einer Studie. Es gebe enorme Mengen von konventionellem und unkonventionellem Öl, das zum Teil noch gar nicht entdeckt sei. Ein Fördergipfel, ein Peak-Oil, sei nicht in Sicht. So ist es tatsächlich gekommen. Es gibt Öl im Überfluss, und die Preise sind gefallen. Das Förderkartell Opec hat sich vorläufig selbst aus dem Spiel genommen und will den Ölhahn nicht mehr zudrehen. Sondern ganz marktwirtschaftlich versuchen, seine Kostenvorteile bei der Förderung auszuspielen.

Wie wird sich der Ölpreis im Jahr 2015 entwickeln?

Kurzfristig ist der Ölpreis einer Vielzahl von verschiedenen Einflüssen ausgesetzt, von Kriegen oder Krisen über Handelsembargos und Finanzspekulation bis hin zu Naturkatastrophen und Wetterverhältnissen. Diese kurzfristigen Preisschwankungen kann natürlich niemand vorhersehen. Mittelfristig erwarten die meisten Experten eine Periode mit eher gemäßigten Preisen und gut versorgten Märkten für mehrere Jahre. Es gibt allerdings auch Gegenstimmen, die bereits jetzt Rohöl für deutlich unterbewertet halten und vor einem Preisanstieg warnen. So sehen dies zumindest einige auf Öl spezialisierte Bankanalysten. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe vertritt einen mittleren Kurs. Erdöl, so die Behörde, sei der einzige Energierohstoff, bei dem sich eine Limitierung abzeichnet.