Immer mehr Firmen nutzen wieder die private Produktvorführung zu Hause. Erfolg haben nicht alle.

Stuttgart/Hamburg. Eine Küche, fünf Frauen und ein mehrgängiges Menü. Was nach Kaffeeklatsch klingt, ist für Eva Müller harte Arbeit. Denn die junge Frau steht an diesem Tag nicht zum Vergnügen am Herd – zumindest nicht nur. Sie ist Kundenberaterin bei Vorwerk und führt im Auftrag des Herstellers eine Art kochenden Mixer vor. Was für Unternehmen wie Vorwerk oder Tupperware längst normal ist, entdecken inzwischen immer mehr Firmen für sich – und nutzen Verkaufspartys als neue Vertriebsstrategie.

Dabei lädt ein Gastgeber in der Regel Freunde oder Verwandte ein, und ein Berater führt die entsprechenden Produkte vor. „Der Spaßfaktor ist nicht zu unterschätzen“, sagt Marketingexperte Florian Kraus von der Universität Mannheim. Vor allem wenn es um besonders erklärbedürftige Produkte gehe oder darum, neue Märkte zu erschließen, nutzten Unternehmen den direkten Vertrieb.

Der Wirtschaftswissenschaftler hat die Direktvertriebsbranche in einer Studie untersucht. Zwar sei das Prinzip vor allem bei Haushaltswaren verbreitet, erklärt er. Inzwischen entdeckten aber auch Anbieter von Kosmetik, Schmuck oder Kerzen diese Verkaufsform. „Gerade die soziale Komponente im Rahmen einer Verkaufsparty ist wichtig.“ Hinzu komme, dass Empfehlungen von Freunden und Verwandten schwerer wiegen als etwa Bewertungen auf Internetseiten.

Unternehmen erwirtschaften im direkten Vertrieb 14,6 Milliarden Euro

Neu entdeckt hat das auch die Buchhandelskette Osiander, die Anfang Dezember mit Verkaufspartys begonnen hat. „Wir haben uns überlegt: Wie können wir in Kontakt mit den Kunden kommen?“, sagt Geschäftsführer Christian Riethmüller. „Die Begeisterung kann man zum Großteil nur im persönlichen Kontakt wecken.“

Für Osiander zahlte sich das aus: 140 Euro gab ein Besucher im Schnitt an dem Abend für Bücher aus, wie Riethmüller erzählt. Zum Vergleich: Im Laden sind es 15 Euro, im Onlineshop 27 Euro. „Das ist natürlich auch eine Imageveranstaltung für unser Unternehmen.“ Im vergangenen Jahr machten deutsche Unternehmen, die ihre Umsätze überwiegend im direkten Vertrieb erwirtschaften, der Studie der Uni Mannheim zufolge insgesamt einen Umsatz von 14,6 Milliarden Euro – ein Wachstum von zwölf Prozent innerhalb von zwei Jahren. Jedes zweite Unternehmen nutzte dabei den Partyverkauf.

Neu entdeckt hat das Prinzip auch die Haushaltsmarke Vileda. „Dort schlummert ein Riesenmarkt“, sagt Vileda-Geschäftsführer Uwe Scheuermann. Das Weinheimer Unternehmen ist beim Verkauf in allen Bereichen des klassischen Handels aktiv und hat erst kürzlich mit den Partys angefangen. „Wir verteilen unsere Geschäftsbasis damit auf verschiedene Standbeine“, erklärt Scheuermann. Vileda vertreibt dabei Profiprodukte, die für Privatleute angepasst sind. Langfristig sollen die Partyverkäufe sogar ein Fünftel der Erlöse ausmachen.

„Party heißt allerdings nicht, dass es nur abends stattfinden kann“, betont Scheuermann. „Das kann zum Beispiel auch morgens bei Müttern sein, deren Kinder in der Kita sind.“ Auch Eva Müller präsentiert die Vorwerk-Küchenmaschine vormittags bei einer jungen Mutter und deren Verwandtschaft. „Das Gerät ist sehr erklärbedürftig“, sagt Vorwerk-Sprecher Michael Weber. Es in Aktion vorzuführen, sei daher im Grunde die einzig geeignete Vertriebsform. Im vergangenen Jahr fanden Vorwerk zufolge bundesweit rund 205.000 Kochveranstaltungen mit der Küchenmaschine statt. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine deutliche Steigerung von etwa 15 Prozent.

Für einen Preis von mehr als 1000 Euro muss Teilnehmern allerdings auch sprichwörtlich der Mund wässrig gemacht werden: Die Gastgeberin ist bereits Besitzerin der Küchenmaschine und bekommt Rabatt auf das Gerät, weil sie die Veranstaltung ausrichtet. Einen Kaufvertrag schließt am Ende der Party niemand ab.

Zahlreiche Besucher meldeten sich aber erst später, betont Müller. Allerdings nicht für alle Unternehmen erweist sich der Partyverkauf als Umsatzbringer, wie etwa der Schokoladenhersteller Lindt erfahren musste. „Das war kein Erfolg“, sagt ein Sprecher. Zwei Jahre lang habe man es mit Schokopartys probiert, die Vertriebsform dann aber eingestellt – nicht zuletzt, weil sich der Verkauf vor allem im Sommer als sehr zäh erwiesen habe. Grundsätzlich schließt man die Partys bei Lindt aber nicht aus: „Vielleicht war die Zeit auch noch nicht reif dafür“, so der Sprecher.