Staus und Baustellen machen Fuhrunternehmen im Hamburger Hafen das Leben schwer. Sie weichen auf die Nacht aus

Hamburg. Die Einführung des Containers hat Wolfgang Weber, 65, fast von Beginn an erlebt. Die erste der genormten Stahlkisten, die je in Deutschland ankam, brachte am 6. Mai 1966 das amerikanische Schiff „Fairland“ an die Kaje im Bremer Überseehafen. Angenommen wurde der Behälter dort von einem Lastwagen aus Webers Unternehmen, das heutzutage unter dem Namen EKB Container Logistik firmiert.

Damals verdrängten die Containerschiffe auf See und in den Häfen nach und nach die klassischen Stückgutfrachter. Heutzutage steigt die Spannung innerhalb der Transportkette vor allem zwischen See- und Landverkehr. Die Schiffe der Containerlinien werden immer größer. Durch immer höhere Transportkapazitäten auf den Frachtern nutzen die Reedereien ökonomische Vorteile. Die Rechnung dafür zahlen vor allem die Fuhrunternehmer. „Durch die großen Schiffe werden kurzfristig mehr Mengen auf den Terminals umgeschlagen. Das führt häufig in der landseitigen Abfertigung mit Bahn und Lkw zu teilweise erheblichen Wartezeiten“, sagt der gelernte Speditionskaufmann Weber, der seit 1970 im Berufsleben steht und der EKB Container Logistik als geschäftsführender Gesellschafter leitet. „Die Reedereien haben einen Vertrag mit den Umschlagbetrieben, dass es bei Verzögerungen in der Abfertigung gegebenenfalls zu Ausgleichszahlungen kommt. Die Fuhrunternehmer müssen teilweise längere Standzeiten auf den Terminals hinnehmen, die sie nicht zu verantworten haben – doch sie gehen leer aus.“

Großcontainerschiffe be- und entladen innerhalb von 72 Stunden an Terminals wie in Hamburg bis zu 8000 Container. Die müssen möglichst schnell in den Hafen hinein und dort wieder heraus. Doch die Straßen, Brücken und Tunnel speziell um Deutschlands größten Seehafen herum sind chronisch verstopft. Und die Lenkzeiten der Fahrer sind durch die Überwachung mit einer „digitalen Tachoscheibe“ heutzutage auf neun Stunden strikt begrenzt. „Im Grunde müssten die Fahrer mitten auf einem Terminal stehen bleiben, wenn die Fahrtzeit endet. Damit das nicht passiert, müssen sie vorausschauend fahren – und auch das kostet wiederum Zeitreserven“, sagt Weber. „Innerhalb von neun Stunden schafft man zwischen Bremen und Hamburg keine zwei Fuhren, maximal eineinhalb, indem man den zweiten Container zumindest noch aufnimmt.“

Mit 700 Zugmaschinen – davon die Hälfte eigene Fahrzeuge –, mit 900 Chassis und 500 eigenen Mitarbeitern erwirtschaftete EKB Container Logistik im vergangenen Jahr rund 100 Millionen Euro Umsatz. Webers Firma ist eines der größten Containerfuhrunternehmen in Europa und in allen wichtigen Häfen an Nord- und Ostsee rund um die Uhr vertreten. Allein im Hamburger Büro arbeiten 40 Mitarbeiter. Aber auch für ein Schwergewicht der Branche wie EKB nimmt der Druck in der Logistikkette bedrohliche Formen an. „Die Fuhrunternehmen haben aus unterschiedlichsten Gründen viel zu lange Stand- und Wartezeiten“, sagt Weber. „Das schränkt die Erlössituation erheblich ein. Vielen Fuhrunternehmern – egal ob groß oder klein – steht aus diesem Grund das Wasser bis zum Hals. Und viele von ihnen verschwinden letztlich vom Markt.“

Eine gewisse Entspannung erhofft sich die Branche durch mehr Nachtfahrten während der Woche. Die Terminals in großen Häfen wie Hamburg oder Bremerhaven sind ohnehin rund um die Uhr besetzt. „Es ist uns gelungen, in der Nacht zwischen 22 Uhr und 6 Uhr mit einigen Kunden Containerzustellungen und -abholungen zu arrangieren. Das führt zu einer Entzerrung der Disposition bei Verladern und auf den Terminals, und es optimiert die eigenen Lastwagenverkehre“, sagt Weber.

In den Hinterlandverkehren am Hamburger Hafen treiben die Fuhrunternehmer ein so genanntes Projekt „Port 24/7“ voran, um Staus und Standzeiten zu entzerren. „Das Interesse an Nachtzustellungen im ,Port 24/7‘ wächst rasant“, sagt der Hamburger Fuhrunternehmer Hans Stapelfeldt, Vorsitzender des Verbandes Straßengüterverkehr und Logistik Hamburg (VSH). „Mit der Logistikinitiative besuchen wir Firmen, die Interesse am ,Port 24/7‘ haben und beraten sie, was zur Einführung zu beachten ist, wenn die Container zwischen 19 Uhr und 6 Uhr an das Lager kommen.“

Wesentlichen Schub für das Projekt könnte eine Art „Happy-Hour“ für Trucker auf den Hamburger Terminals von HHLA und Eurogate bringen, sagt Stapelfeldt: Wer tagsüber in den Staustunden auf das Terminal kommt, erhält Maluspunkte bei der Abfertigung. Wer nachts kommt, könnte mit Bonuspunkten, sogenannten Portpoints, belohnt werden. „Unser Ziel ist es, den Anteil an Nachtzustellungen 2015 weiter zu steigern. Die Anzahl der Containerrundläufe pro Schicht ist nachts um etwa 30 Prozent höher“, sagt Stapelfeldt. „Natürlich finden diese Transporte nur in gewerblichen Gebieten statt. Wohngebiete werden von diesen Nachttransporten nicht tangiert.“

Aus Sicht des VSH stehen die Chancen nicht schlecht, die Transporte über Tag und Nacht hin besser zu verteilen. „Die Terminals und der Zoll haben bereits rund um die Uhr geöffnet“, sagt Stapelfeldt. „Jetzt ist es unsere Aufgabe, auch die Logistiklager, die Industrie und die Leercontainerdepots von einer Verlängerung und Verlagerung der Öffnungszeiten zu überzeugen.“

Straßenbaustellen, Fahrermangel, wachsender Zeitdruck und steigende Kosten – die Fuhrunternehmer spüren die Folgen der modernen Alles-und-jetzt-sofort-Wirtschaft an vielen Stellen zugleich. Über die Abschaffung des Sonntagsfahrverbots zu debattieren, hält Unternehmer Wolfgang Weber für sinnlos, der zu erwartende politische Widerstand sei zu groß. Auch Weber setzt zunächst auf besser koordinierte Einsätze in der Nacht: „Wir sind mit weiteren Kunden im Gespräch, um die Nachtzustellung zu intensivieren.“