Kohlekraftwerk soll frühestens Ende Februar in Betrieb gehen. Längere Probezeit nötig

Hamburg. Der Energieversorger Vattenfall verschiebt zum wiederholten Mal den Start des umstrittenen Kohlekraftwerks in Moorburg. Nachdem zuletzt der 23. und dann der 30. Dezember vorgesehen waren, nennt das Unternehmen nun „Ende Februar“ als Starttermin für den Regelbetrieb von Block B. Dieser läuft seit Februar im Probebetrieb und liefert Strom. „Wir befinden uns weiter im Optimierungsprozess“, sagte eine Vattenfall-Sprecherin am Freitag dem Abendblatt. „Das betrifft mehrere Tausend Funktionen der vollautomatischen Steuerung, die zunächst weiter im Probebetrieb laufen, um den angestrebten Bedienkomfort zu erreichen.“ Block A soll im kommenden Jahr den Probebetrieb aufnehmen und Ende Juni 2015 in den Regelbetrieb gehen.

Das Steinkohlekraftwerk mit seinen insgesamt rund 1640 Megawatt Leistung ist eines der größten in Europa. Sein Start fällt in eine Zeit, in der Kohlekraftwerke in Deutschland äußerst kontrovers diskutiert werden. Vattenfall selbst, das dem schwedischen Staat gehört, will 2015 sein gesamtes Braunkohle-Geschäft in Ostdeutschland – Kraftwerke und Tagebaue in Brandenburg und Sachsen – mit rund 8000 Mitarbeitern verkaufen, um die konzerneigene Klimabilanz zu verbessern. Braunkohle ist der fossile Brennstoff mit dem spezifisch höchsten Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid. Die Vattenfall-Steinkohlekraftwerke in Moorburg, Wedel und Berlin stehen nach Angaben des Unternehmens jedoch nicht zum Verkauf.

Dem erneut verschobenen Start von Moorburg geht eine jahrelange Geschichte schwerer politischer und rechtlicher Konflikte sowie technisch bedingter Verzögerungen voraus. Seit 2004 wurde das Kraftwerk von Vattenfall geplant. Die damalige CDU-Alleinregierung animierte den Energiekonzern 2005, die Anlage als Fernwärmekraftwerk zu konzipieren und sie doppelt so groß auszulegen wie ursprünglich vorgesehen. Mit der Koalitionsregierung von CDU und Grünen von 2008 bis 2011 wie auch mit Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen trug Vattenfall später mehrere Rechtsstreitigkeiten um die Fertigstellung und Inbetriebnahme von Moorburg aus. Die Auskopplung von Fernwärme nach Altona, mit der Moorburg das Kohlekraftwerk Wedel ersetzen sollte, wurde von der Umweltorganisation BUND 2010 mit einer Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Hamburg verhindert.

Moorburg würde bei vollem Betrieb jährlich 8,5 bis neun Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) erzeugen. Diese werden Hamburg in der sogenannten Quellenbilanz für den Verbrauch von Primärenergie wie etwa Kohle voll zugeschlagen. 2012 betrug Hamburgs CO2-Emission in dieser Statistik rund 11,4 Millionen Tonnen. In die Bilanz für den Verbrauch von Endenergie wie Strom oder Benzin in Hamburg (2012: 18,4 Millionen Tonnen CO2) geht Moorburg nach Aussage der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) hingegen „praktisch gar nicht mit ein“. Diese Bilanz enthalte für Hamburg bereits anteilig die CO2-Bilanz des gesamten deutschen Strommixes, der durch Moorburg kaum verändert werde. Rein rechnerisch könnte das Kraftwerk allein rund 90 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs in Hamburg decken. „Ich vermute, dass rein physikalisch etwa ein Drittel des in Moorburg erzeugten Stroms in Hamburg verbraucht werden wird“, sagt Dietrich Graf, Chef des Hamburger Verteilnetzbetreibers Stromnetz Hamburg.

Das Kraftwerk Moorburg kostete laut Vattenfall rund drei Milliarden Euro. Rund eine Milliarde Euro hat der schwedische Konzern auf die Anlage schon vor deren offiziellem Betriebsbeginn abgeschrieben. Vattenfall geht aber trotz aller Rückschläge weiterhin davon aus, das Kraftwerk wirtschaftlich betreiben zu können. Allerdings entgehen dem Unternehmen durch die weitere Verzögerung des Regelbetriebs Einnahmen aus der Stromerzeugung.

Umweltschützer lehnen das Kraftwerk auch wegen seiner hohen Emissionen an Treibhausgasen und Luftschadstoffen wie etwa Stickoxiden, Quecksilber und Feinstaub weiterhin ab. Auch die Wirtschaftlichkeit stellen sie infrage. „Das Kraftwerk Moorburg steht immer in Konkurrenz zu Strom aus regenerativen Quellen, der bei der Einspeisung ins Netz Vorrang genießt“, sagt Manfred Braasch, Geschäftsführer des Hamburger Landesverbandes beim BUND. „Gibt es hohe Einträge an Windstrom etwa aus Schleswig-Holstein, muss Moorburg seine Leistung herunterfahren. Jede Betriebsstunde, die das Kraftwerk nicht Volllast läuft, belastet seine betriebswirtschaftliche Bilanz.“