Wichtige Backzutat in vielen Hamburger Supermärkten ausverkauft. Katastrophale Ernte führt zu Rekordpreisen bei Importeuren

Hamburg/München. Auf der Suche nach einer wichtigen Zutat für Weihnachtsplätzchen stehen viele Verbraucher in diesen Tagen vor leeren Regalen: Gemahlene Haselnüsse sind beim Discounter Lidl und in vielen anderen Supermärkten ausverkauft. Besser ist noch die Lage bei Edeka: „Vereinzelt kann es bei einigen Edeka-Einzelhandelsgeschäften zu Engpässen kommen. Das ist aber aufgrund der dezentralen genossenschaftlichen Struktur sehr unterschiedlich“, sagte ein Sprecher der Supermarktkette in Hamburg.

Grund für den Mangel an Haselnüssen ist eine verheerende Ernte, die mit einigen Monaten Verzögerung im Handel angekommen ist. „Während wir den Engpass vor gut einem halben Jahr noch nicht gespürt haben, macht sich dieser nun aufgrund der gestiegenen Nachfrage zur Weihnachtszeit bemerkbar“, sagt Claudia Koalenzki von dem Backzutatenspezialisten Dr. Oetker. Bei Lidl sind nach Angaben einer Sprecherin derzeit nur ganze Haselnüsse zu haben, nicht gemahlene.

Angebahnt hat sich das Dilemma schon vor Monaten: Ein kurzer, aber heftiger Frost machte im März einen großen Teil der Ernte in der Türkei als wichtigem Anbaugebiet zunichte: Innerhalb weniger Stunden erfroren unzählige junge Blüten an den Haselnusssträuchern an Hängen oberhalb von 300 Metern am Schwarzen Meer. Seitdem war klar, dass die Süßwarenbranche einen harten Winter vor sich hat: Denn das Land am Bosporus ist mit 80 Prozent der weltweiten Ernte die mit Abstand wichtigste Anbaunation von Haselnüssen. Und kein Land importiert so viele Haselnüsse aus der Türkei wie die Bundesrepublik. „Die Situation bei den Haselnüssen ist in diesem Jahr sehr angespannt“, sagt Solveig Schneider, Sprecherin des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI).

Für die Importeure ist das ein Problem. Sie leiden darunter, dass die Lieferkontrakte lange im Voraus zu marktüblichen Preisen vereinbart wurden, die im Einkauf nicht mehr gelten. „Die Haselnuss-Knappheit hat die Preise nach oben getrieben“, sagt Frank C. Rump, Geschäftsführer der Heinrich Brüning GmbH. Das Unternehmen sitzt mit rund 70 Mitarbeitern auf der Veddel und gehört zu Deutschlands größten Importeuren von Trockenfrüchten und Nüssen. Wurden bisher rund 600 bis 650 US-Dollar für 100 Kilogramm Importware bezahlt, wollen die Türken nun das Doppelte haben: „Wir sprechen von 1200 bis 1300 Dollar.“ Das macht den Importeuren zu schaffen.

„Auch wir haben Federn lassen müssen, aber wir haben unsere Lieferverträge alle erfüllt“, sagt Rump. Die Lager sind jetzt leer. Nachschub ordern könne man aber kaum. „Zwar bieten die türkischen Lieferanten noch immer Haselnüsse an, aber eben zu Preisen, die wir von unseren Abnehmern nicht verlangen können.“ Die Heinrich Brüning GmbH beliefert die Industrie und auch die großen Lebensmitelketten. Edeka, Lidl, Netto und Aldi – sie alle hätten kaum mehr Ware, sagt Rump. Zudem gehe es um ein saisonal nachgefragtes Produkt. „Zu Weihnachten wird das oft nichts mehr, aber wer zu Ostern backt, wird auch wieder Haselnüsse bekommen“, glaubt Rump. Schließlich würden auch die Produzenten in der Türkei irgendwann einsehen, dass sie ihre Ware noch verkaufen müssen, bevor die neue Ernte kommt.

Den befürchteten Nutella-Notstand gab es bislang nicht. Ferrero ist als Nussverarbeiter von der Knappheit stark betroffen. Zur Sicherung seines Nachschubs hat das Unternehmen kurzerhand einen der größten türkischen Produzenten übernommen. Die hohen Preise für die Nüsse werden sich nach Einschätzung von Branchenexperten aber früher oder später vehement auf die Verkaufpreise auswirken.

Beim Schokoladenhersteller Ritter Sport trifft der Haselnuss-Engpass ausgerechnet den Verkaufsschlager Nummer eins: Die Vollnussschokolade des baden-württembergischen Unternehmens besteht zu fast einem Viertel aus ganzen Haselnüssen – und die sind durch das knappe Angebot extrem teuer geworden. „Ein Kilo Haselnüsse kostet nun 12,50 Euro, vorher weniger als die Hälfte“, sagt eine Sprecherin. Da alle Tafeln im Handel zum gleichen Preis verkauft werden, muss Ritter Sport kräftige Einbußen hinnehmen. „An einer Vollnusstafel verdienen wir seit dem Haselnusspreisanstieg mittlerweile nichts mehr.“

Für die Schokobranche war das Jahr 2014 bislang ohnehin kein Erfolg. Ihren Umsatz können viele Betriebe nur durch Preiserhöhungen steigern. Die Menge an verkaufter Schokolade ging bis Ende Oktober um 0,8 Prozent zurück, heißt es beim internationalen Süßwarenhandelsverband Sweets Global Network in München. Im Schnitt isst jeder Mensch in Deutschland rund zehn Kilo Schokowaren pro Jahr. Aus Sicht der Händler dürfte es ruhig noch mehr sein. „Mit den kühlen Temperaturen hoffen wir, dass der Abverkauf in Richtung Weihnachtsfest nochmal richtig anzieht“, sagt Vorstandschef Hans Strohmaier.

Wer seine Weihnachtssüßigkeiten lieber selber backen will, muss viele Rezepte aus Omas Zeiten umschreiben und bis auf Weiteres auf Mandeln ausweichen: Bei Amazon liegt die Lieferzeit für gemahlene Haselnüsse derzeit zum Teil bei drei bis fünf Wochen – dann ist Weihnachten vorbei.