Mit kunstvollen Kirigami-Karten und handschriftlicher Post stemmen sich Hamburger Firmen gegen den E-Mail-Trend

Hamburg. Gerade mal ein Jahr ist es her, dass Rafael Armbrust, 31, über einen Markt in Ho-Chi-Minh-Stadt schlenderte. An einem Stand in der vietnamesischen Metropole entdeckte der Hamburger kunstvoll gestaltete Weihnachtskarten für Touristen, die sich deutlich von den hierzulande bekannten Modellen unterschieden. Beim Aufklappen entfalteten sich ein kompletter Tannenbaum, eine fein gestaltete Krippe oder eine dreidimensionale Kugel aus Papier.

Armbrust war fasziniert und nahm gleich einen ganzen Schwung an Motiven mit in die Hansestadt. „Bei meinen Freunden und Verwandten kamen die Karten so gut an, dass ich mich entschlossen habe, daraus ein Geschäft zu machen“, erzählt der studierte Ingenieur. Nach einigen schlaflosen Nächten kündigte er seinen sicheren Job bei der Hamburgischen Investitions- und Förderbank und baute die Firma Diese Klappkarten auf.

Mittlerweile sitzt Armbrust in einem kleinen, noch etwas kahlen Büro an der Wartenau in Eilbek und entwirft am Computer immer neue Klappkarten, die eine vietnamesische Partnerfirma für ihn herstellt. „Besonders jetzt in der Weihnachtszeit können wir uns vor Aufträgen kaum retten“, sagt der Mitinhaber der Firma, Michael Ising. Etwa 5000 Karten monatlich setze man im Augenblick ab. Verkauft werden sie über die eigene Internetseite diese-klappkarten.de, auf dem Ottensener Weihnachtsmarkt und über Schreibwarengeschäfte wie Blendwerk in der Langen Reihe in St. Georg.

Als Motive haben die beiden Gründer so ziemlich alles im Angebot, was die Weihnachts- und Adventszeit zu bieten hat. Es gibt Nikolausstiefel zum Aufklappen, einen schwer beladenen Geschenkeschlitten, einen Tannenbaum mit tanzenden Engeln oder auch einen Pappschornstein, in dem gerade Santa Claus verschwindet.

Daneben haben die beiden gelernten Bauingenieure auch noch eine Reihe Hamburger Wahrzeichen in aufklappbare Pappmodelle verwandelt. Für den Freundeskreis der Hamburger Kunsthalle bauten sie etwa das komplette Museum en miniature nach, auch der Michel und die Elbphilharmonie entfalten sich auf Wunsch. Dass das Modell des Hamburger Skandalbauwerks dabei noch kein geschlossenes Dach aufweist, ist nicht als Seitenhieb auf die jahrelangen Bauverzögerungen zu verstehen, sondern konstruktionsbedingt. „Große horizontale Flächen eignen sich schlecht zum Klappen“, sagt Armbrust. „Am besten ist es, wenn ein Modell in möglichst viele vertikale Flächen zerlegt werden kann.“

Die Technik, die hinter den kunstvollen Klappkarten steckt, nennt sich Kirigami, eine Spielart des Origami, abgeleitet von den japanischen Worten kiru (schneiden) und kami (Papier). Dieses Verfahren hat sich von Japan aus auch in andere asiatische Länder verbreitet und ist besonders in Vietnam populär. Ausgeschnitten werden die Vorlagen mit einer Lasermaschine, müssen danach aber in mühsamer Handarbeit zusammengesetzt werden. „Unser Partner in Vietnam hat aufgrund der gestiegenen Nachfrage schon neue Mitarbeiter eingestellt und beschäftigt jetzt etwa 50 Menschen“, sagt Armbrust. Bei der Auswahl des Betriebs haben die Hamburger nach eigenen Angaben nicht nur auf hohe Qualität, sondern auch auf vernünftige Arbeitsbedingungen geachtet. Dazu zählen ein Arbeitstag von maximal acht Stunden und ausreichende Pausenzeiten. Zu den Löhnen machen die Klappkarten-Chefs allerdings keine Angaben.

Mit einem Preis von vier bis sechs Euro pro Karte bewegen sich die Hamburger eindeutig im höherwertigen Segment des Marktes, der von wesentlich günstigeren Produkten dominiert wird. „Karten ab 2,50 Euro aufwärts weisen ein leichtes Wachstum auf oder entwickeln sich zumindest stabil“, sagt Kay-Uwe Looft, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Hersteller und Verleger von Glückwunschkarten (AVG). Insgesamt sei das Geschäft mit Weihnachts- und Glückwunschkarten aber leider rückläufig.

Gaben die Deutschen 2011noch 724 Millionen Euro für insgesamt 638 Millionen Karten aus, so waren es im vergangenen Jahr nur noch 618,7 Millionen Euro für 548 Millionen Stück. Rund ein Fünftel der Karten werden dabei zu Weihnachten verschenkt oder verschickt. Nicht eingerechnet sind hier Grüße von Firmen, die an Geschäftspartner versendet werden.

„Immer mehr Deutsche verschicken zu Weihnachten nur noch elektronische Grüße per E-Mail, Facebook oder Smartphone-App“, sagt Verbandssprecher Looft. „Das setzt unserer Branche erheblich zu, es herrscht ein starker Verdrängungswettbewerb.“ Gegensteuern lasse sich bis zu einem gewissen Grad mit innovativen Produkten, doch auch in diesem Jahr werde die Zahl der Grußkarten weiter abnehmen.

Gegen diesen Trend stemmen sich nicht nur die Hamburger Klappkarten-Designer, sondern auch das Berliner Start-up Schreibstatt. Die Kreuzberger haben mittlerweile 70 Schönschreiberinnen unter Vertrag, die im Auftrag von Firmen und Privatleuten handschriftliche Einladungen, Tischkarten oder sogar Liebesbriefe verfassen. Zu Weihnachten hat sich Chef Thorsten Petzold zusammen mit einer Norderstedter Werbeagentur den Service www.nordpol-post.de ausgedacht. Auf der Internetseite können schreibfaule Eltern oder Unternehmenschefs handschriftliche Grüße vom Weihnachtsmann bestellen – samt Poststempel aus dem brandenburgischen Himmelpfort.