Gagfah und Annington planen Fusion. 14.000 Wohnungen in Hamburg und Umland betroffen. Nachteile für Mieter befürchtet

Hamburg. Auf dem deutschen Wohnungsmarkt zeichnet sich eine Megafusion ab. Der Branchenführer Deutsche Annington plant die Übernahme des kleineren Konkurrenten Gagfah, der in der Vergangenheit für viele negative Schlagzeilen gesorgt hatte. Mit dem Zusammenschluss soll der größte deutsche Vermieter mit insgesamt 350.000 Wohnungen entstehen, in denen mehr als eine Million Mieter leben. „Wir wollen einen nationalen Champion von europäischer Dimension schaffen“, sagte Annington-Chef Rolf Buch, denn das neue Unternehmen wäre das zweitgrößte der Branche in Europa. Die Übernahme des drittgrößten Vermieters in Deutschland kostet fast 3,9 Milliarden Euro.

Die Auswirkungen des Zusammenschlusses betreffen auch Hamburg, denn hier hat die Gagfah knapp 9000 Wohnungen, vor allem in Wilhelmsburg und Steilshoop. Die Deutsche Annington hat ihren Bestand in der Hansestadt erst kürzlich ausgebaut. Im Frühjahr übernahm sie von der Vitus-Gruppe 800 Wohnungen in Hamburg. „Insgesamt haben wir damit rund 2000 Wohneinheiten in Hamburg“, sagt Philipp Schmitz-Waters von der Deutschen Annington. Im Hamburger Umland kommen weitere Bestände hinzu: In Geesthacht sind es 2000, in Pinneberg 400, in Buxtehude 300 und in Norderstedt 250 Wohnungen. Zusammen kommen damit beide Unternehmen auf fast 14.000 Wohneinheiten in Hamburg und dem Umland.

Auf die Mieter habe der Zusammenschluss keine direkten Auswirkungen, betonten die beiden Unternehmen sowie der Deutsche Mieterbund (DMB). „Die abgeschlossenen Mietverträge bleiben wirksam. Neue oder zusätzliche Mieterhöhungsmöglichkeiten gibt es nicht. Der Vermieter bleibt verpflichtet, Instandsetzungen durchzuführen und Mängel abzustellen“, sagte DMB-Chef Lukas Siebenkotten zu der geplanten Fusion. Die Gagfah erklärte, beide Firmen blieben bei ihren bundesweiten Investitions- und Modernisierungsetats für das kommende Jahr von zusammen 500 Millionen Euro. „Unseren Mietern kann ich versprechen, dass die Gagfah alle abgeschlossenen Vereinbarungen einhält“, sagte Gagfah-Vorstandsvorsitzender Thomas Zinnöcker.

Vor allem die Gagfah sah sich in der Vergangenheit mit Vorwürfen konfrontiert, zu wenig zu investieren und Mieterinteressen zu vernachlässigen. Mieter in Hamburg klagten über Schimmel in den Wohnungen, defekte Aufzüge, verwahrloste Treppenhäuser, beschädigte Balkone. Im Frühjahr hatte die Gagfah angekündigt, in den kommenden sieben Jahren rund 70 Millionen Euro in die Sanierung von Wohngebäuden in Steilshoop zu stecken. Investiert wird in Treppenhäuser, Fassaden, Briefkästen und die Dämmung. Nach Einschätzung des Mieterbundes herrsche auch bei der Deutschen Annington noch immer ein Investitionsstau.

„Wir sehen die Entstehung eines solchen großen Konzerns mit Sorge und fürchten, dass es für die Mieter noch schwieriger wird, ihre Ansprechpartner zu erreichen“, sagt Siegmund Chychla, Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg. Schon jetzt seien sie von Warteschleifen genervt. Bisher gebe es nur „schöne Bekundungen, die sind aber noch inhaltsleer“.

Die Wohnungsunternehmen hatten angekündigt, dass von dem Zusammenschluss alle profitieren sollen. Die beiden Unternehmen wollen durch die gemeinsame Bewirtschaftung und einen zentralen Einkauf innerhalb der kommenden beiden Jahre einen Kostenvorteil von 84 Millionen Euro erzielen. Auch Mieter sollen von den Einsparungen profitieren. „Ich persönlich stehe dafür ein, dass die Neuausrichtung Wertsteigerung durch Mieterorientierung auch im zusammengeschlossenen Unternehmen konsequent weitergeführt wird“, sagte Buch. Auch Personal solle nach dem Zusammenschluss nicht abgebaut werden. Den Aktionären wird eine verbesserte Rendite versprochen.

Zunächst profitieren die Gagfah-Aktionäre, denn die Aktie legte am Montag durch das Übernahmeangebot um knapp 13 Prozent zu. Das Annington-Papier verlor dagegen mehr als drei Prozent, denn das Geschäft wird mit neuen Schulden und einer Kapitalerhöhung finanziert. Die Deutsche Annington zahlt die Hälfte des Kaufpreises in bar, die andere Hälfte in eigenen neuen Aktien. Das entspricht 18 Euro je Gagfah-Aktie, beziehungsweise einem Aufschlag von 16 Prozent auf den Schlusskurs vom Freitag. Die Gagfah-Aktionäre sollen für 14 ihrer Aktien 122,52 Euro in bar sowie fünf Deutsche-Annington-Aktien erhalten. Bis zum 21. Januar 2015 muss sich entscheiden, ob sie sich für die Fusion gewinnen lassen. Voraussetzung für das Zustandekommen der Übernahme ist eine Annahmequote von mehr als 50 Prozent. Stimmen mehr als die Hälfte aber längst nicht alle Aktionäre dem Deal zu, wird die Gagfah wie eine Tochtergesellschaft weitergeführt. Geplant ist aber eine neue Firmenzentrale in Nordrhein-Westfalen und ein neuer Name für den Konzern.

Mietervertreter Chychla bleibt skeptisch: „Wenn die Maximierung der Rendite im Vordergrund steht, werden die Interessen der Mieter immer hinten angestellt. Wir werden aufmerksam beobachten, wie sich das jetzt entwickelt.“ Selbst bei einem Kurswechsel könnten die Versäumnisse der Vergangenheit nicht so schnell aufgeholt werden.