Hamburger Designbüro plant mehrere neue Niederlassungen. Wachstumsstrategie sorgt aber für Führungsstreit

Hamburg. Lothar Böhm ist ein Phänomen. Gerade ist er 70 Jahre alt geworden, ein schlanker, hochgewachsener Mann mit prägnanter brauner Brille, ein Unternehmer, der ein Lieblingsthema hat: Er spricht gern über sein Leben. Die Unterhaltung streift seine Kindheit, die er während des Krieges im Riesengebirge verbrachte, seine Schulzeit, in der er die Liebe zum Zeichnen entdeckte – die besten Werke hätte der Lehrer immer in einen Schaukasten gehängt, „und ich hing oft da“. Er erzählt von seiner Tour mit dem VW-Bus quer durch Afrika, inklusive Inhaftierung im Kongo. Lange verweilt er bei der Liebe zu seiner Frau, die oft die Dinge entschieden habe, „auch, mich zu heiraten“, und ihrem Mann dennoch das Gefühl gebe, der Spielmacher zu sein. Er schaut aus dem Büro, das wie eine Schiffsbrücke über dem Hamburger Hafen hängt, mit Blick auf die Wellen der Elbe, und kommt auf sein Lieblingsthema Nummer zwei: seine Firma, die Lothar Böhm Associates GmbH.

Am 28. November ist Lothar Böhm 70 Jahre alt geworden, aber er spricht über seine Agentur, als würde es jetzt erst richtig losgehen. Mehr als 30 Jahre lang begleitet seine vor gut 40 Jahren gegründete Designfirma Kunden wie Johnson & Johnson (bebe, Penaten) oder Reckitt Benckiser (Finish, Vanish) und orientiert sich jetzt parallel zur Internationalisierung der Marken stärker auf ausländische Standorte.

Neben den zuletzt auf gut 40 Mitarbeiter angewachsenen Büros in London und Warschau will der studierte Grafikdesigner in eine Reihe weiterer Niederlassungen investieren: „Im Januar eröffnen wir einen Standort in New York, anschließend folgen Singapur, St. Petersburg und mittelfristig China“, fasst Böhm seine Pläne zusammen. „Wenn unser Kunde Scholl seine Cremes in chinesischen Supermärkten anbietet, können wir die Verpackungen nicht in Hamburg designen“, begründet der Unternehmer die Expansion. Schließlich sei die Nähe zum Käufer das wichtigste Erfolgsrezept für eine gute Verpackung. Sie müsse optisch und sowohl den Tast- und Geruchssinn betreffend überzeugen, das Wichtigste sei allerdings der Glaube an die Marke.

Die Heimat der Agentur Lothar Böhm hat unter dieser Orientierung ins Ausland allerdings zwischenzeitlich leiden müssen. Mehr als ein Dutzend Mitarbeiter haben die Firma in der Hansestadt verlassen. Unter anderem über die Frage, ob wichtige Kunden von Hamburg oder von London aus betreut werden sollen, hat sich Böhm auch mit seinen ehemaligen geschäftsführenden Gesellschafterinnen, Christine Lischka und Martina Kunert, zerstritten. Als dadurch ein Machtvakuum entstanden war, schaltete sich Böhm nach Jahren einer eher beobachtenden Rolle zuletzt wieder stärker in das operative Geschäft ein. Die beiden Frauen sind inzwischen nicht mehr bei dem Unternehmen beschäftigt und haben sich mit einem Designableger der Agenturgruppe Serviceplan selbstständig gemacht. Damit erhält Hamburg, das mit Verpackungsspezialisten wie der Peter Schmidt Group, Mutabor, Hajok, Interbrand oder Syndicate zu den deutschen Hochburgen der Branche gehört, einen weiteren Spieler dieses Kreativzweiges.

Aus Sicht von Lothar Böhm spielt Hamburg allerdings praktisch keine Rolle mehr in seiner Branche: „Hamburg ist auf unserer Weltkarte gar nicht zu erkennen“, beschreibt er die Bedeutung der Hansestadt. „Der Chef unseres größten Kunden Reckitt Benckiser ist Inder, sein Designmanager ist Niederländer“, argumentiert Böhm. Hamburg indes stelle für ihn keine kosmopolitische Stadt dar. „Hamburg heißt zwar Tor zur Welt, aber unsere Welt rockt in London.“

Schon jetzt arbeiteten Menschen aus 14 Nationen in seiner Agentur, und mit der Internationalisierung solle die Belegschaft auch wieder wachsen: Bis 2015 will Böhm auf 160 Beschäftigte kommen, der Umsatz soll sich von derzeit zehn Millionen Euro im Jahr auf 20 Millionen 2018 verdoppeln, schätzt Böhm, der zugibt, ehrgeizige Ziele zu haben. Apropos Ziele: „Einige Jahre“, sagt Böhm, wolle er noch als Geschäftsführer an Bord bleiben, dann könne beispielsweise sein Partner in London, Adrian Goldthorpe, das Ruder übernehmen. Die Fäden sollen dann aber nach wie vor bei Böhm als größtem Eigentümer zusammenlaufen, in seiner Silvermoon GmbH. Silvermoon dient als Holding für alle Niederlassungen und hat ihren Sitz am Schaalsee. In der schleswig-holsteinischen Provinz, weil Böhm dort wohnt. „In meinem Traumhaus gemeinsam mit meiner Frau und einigen Dachsen und Wildschweinen – und am liebsten, wenn mein Enkel Odin zu Besuch ist“, schwärmt der Naturliebhaber von seiner Hofkate mit direktem Wasserzugang. Auch wenn sich Böhm nur schwer von seiner Firma trennen kann – irgendwann wird er dann wieder mehr Zeit für sein tägliches Bad im See haben.