Strecken in Norddeutschland besonders häufig betroffen. Bahnvorstand Homburg will Zuverlässigkeit erhöhen

Berlin. Wer viel mit der Eisenbahn quer durch die Republik reist, hat es vielleicht gemerkt. Andere Passagiere haben wiederum das Glück, meistens pünktlich am Ziel anzukommen. Doch die Statistik bringt nun Klarheit über die Zuverlässigkeit der Deutschen Bahn: Die Verspätungen der Züge haben in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugenommen. Im Fernverkehr stieg die Zahl der Verspätungsminuten von 2004 bis 2013 um rund 30 Prozent. Am meisten betroffen von Verspätungen waren Strecken in Norddeutschland. Dazu zählen die Verbindungen Hamburg–Hannover, Bremen–Hamburg und Hannover–Bremen. Die Verbindung zwischen Köln und Duisburg steht an fünfter Stelle, an zehnter Stelle folgen die S-Bahn in Berlin und die Verbindung zwischen München und Rosenheim. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor. Im Nahverkehr nahmen die Verspätungen in diesem Zeitraum dagegen wiederum deutlich ab. Die Bahn verwies auf Unwetter und Naturkatastrophen.

Ziel der Anfrage war es, eine Bilanz seit der Bahnreform 1994 zu ziehen. In seiner Antwort stützt sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auf Zahlen der Bahn. Demnach werden die Verspätungsminuten erst seit 2004 erfasst. Im Fernverkehr häufte die Bahn 2004 rund 2,9 Millionen Verspätungsminuten an, im vergangenen Jahr knapp 3,8 Millionen, exakt 3.787.237 Minuten Verspätungen. Das war der höchste Stand seit 2010, dem Jahr des Chaoswinters, als Schnee, Eis und tiefe Temperaturen der Bahn massiv zugesetzt hatten. In diesem Jahr hat die Pünktlichkeit der Bahn im Fernverkehr vor allem unter den Lokführerstreiks schwer gelitten.

Die Bahn erklärte, die Pünktlichkeitswerte im Fernverkehr seien über die Jahre „stabil“ geblieben. Lediglich im Extremwinter 2010 und durch das Elbe-Hochwasser 2013 seien sie deutlich gesunken. So sei der Anteil pünktlicher Fernzüge von 81,2 Prozent im Jahr 2009 auf 73,9 Prozent im Jahr 2013 zurückgegangen. Im Nahverkehr lagen die entsprechenden Durchschnittswerte in diesem Zeitraum zwischen 91,0 und 95,1 Prozent. Es sind verschiedene Ursachen, die die Verspätungsquote bei der Bahn mal nach oben schnellen lassen, bevor sie wieder fällt. „Gegen mutwillige Eingriffe in den Bahnverkehr, Personen im Gleis, extreme Witterung oder Streiks können wir nur bedingt etwas tun. Auch mit der extrem hohen Verkehrsbelastung der Schienenwege auf den Hauptkorridoren und den Engpässen müssen wir weiterhin umgehen“, fasst Bahnvorstand Ulrich Homburg die Hauptgründe entschuldigend zusammen. Seit einigen Jahren fehlen der Bahn gerade im Fernverkehr auch Züge, weil bestellte ICE später als geplant eine Zulassung erhalten und bei älteren Züge Achsen zur Sicherheit häufiger untersucht werden müssen. Die Bahn werde sich aber weiterhin „intensiv anstrengen“, pünktlicher und zuverlässiger zu werden, verspricht Homburg.

Zu den Schwierigkeiten mit dem Wagenpark, überlasteten Hauptstrecken und verstopften Knotenpunkten gesellten sich zuletzt die mehrfachen Streiks der Lokführergewerkschaft GDL und umfangreiche Bauarbeiten, etwa in Dortmund, Siegburg oder in Celle. In diesem Herbst kam insbesondere durch die teils mehrtägigen Arbeitskämpfe etwa jeder dritte Fernzug verspätet ans Ziel. Der Anteil unpünktlicher ICE und Intercitys ist aber bereits seit Jahresbeginn deutlich gestiegen, wie aus der Statistik der Deutschen Bahn hervorgeht.

Noch im Januar lag die Quote pünktlicher Fernzüge bei 85,5 Prozent. Sie sank bis Juli auf 71,7 Prozent. Im September waren es nur noch 66,4 Prozent – das schlechteste Ergebnis seit Dezember 2010, als Schneemassen und Eis die Bahn ausbremsten. Im Oktober lag die Pünktlichkeit bei 68,4 Prozent. Pünktlich, das heißt bei der Bahn, dass ein Zug weniger als sechs Minuten Verspätung hat – also maximal 5.59 Minuten zu spät sein Ziel erreicht. Seit September 2011 veröffentlicht das Unternehmen die Werte in Prozent auch monatlich im Internet. Ziel im Fernverkehr ist ein Pünktlichkeitswert von über 80 Prozent und im gesamten Personenverkehr von über 93 Prozent.

Im Nahverkehr dagegen verbesserte die Bahn ihre Pünktlichkeit laut Regierungsantwort: Häufte sie 2004 noch 15,3 Millionen Verspätungsminuten an, waren es 2013 rund zwölf Millionen. Auch im Nahverkehr hebt sich das Jahr 2010 negativ hervor: mit 14,5 Millionen Verspätungsminuten. 2011 und 2012 waren die Werte wieder viel besser.