Das Hamburger Start-up Familonet ermöglicht es Eltern, ihr Kind per Smartphone zu orten. Bereits 110.000 Nutzer haben sich die Smartphone-App heruntergeladen. Gewinnschwelle für 2017 im Visier.

Hamburg. Enikö Holm weiß gerne, wo ihre Kinder gerade stecken. Immer wenn Philippe, 11, und Lucia, 10, ihre Schulen im Stadtteil Rotherbaum verlassen, ploppt auf dem Smartphone der Mutter automatisch eine kurze Nachricht auf. Dasselbe gilt, wenn die Geschwister mit ihrem Handy im Gepäck im Sportverein oder bei ihren Freunden eintrudeln. „Das gibt mir ein beruhigendes Gefühl“, sagt Holm. „Und ich muss nicht ständig nachfragen, ob auch alles in Ordnung ist.“

Möglich wird diese Form der Kontrolle durch das Familiennetzwerk des Hamburger Start-ups Familonet. 110.000 Nutzer weltweit haben sich die passende Smartphone-App der im Jahr 2012 gegründeten Firma schon heruntergeladen, etwa ein Drittel von ihnen nutzt das Programm aktiv.

„Mit der Frage ‚Wo bist du gerade?‘, beginnen wahrscheinlich die meisten Handygespräche in Deutschland“, sagt Hauke Windmüller, 27, Mitgründer und Geschäftsführer des Unternehmens. „Mit unserem System wollen wir diese Frage überflüssig machen und zugleich den Alltag von Familien erleichtern.“ Dabei gehe es vor allem um eine Organisationshilfe und um die Möglichkeit, am Leben der anderen Familienmitglieder Teil zu haben.

Familonet funktioniert wie Xing oder Facebook

Im Prinzip funktioniert Familonet ähnlich wie andere soziale Netzwerke wie Facebook oder Xing. Es lassen sich Profile von Familienmitgliedern anlegen, Freunde einladen sowie Nachrichten und Fotos verschicken. Die Besonderheit besteht allerdings in den umfangreichen, weitgehend automatisierten Ortungsfunktionen. So erlaubt es Familonet, bestimmte Orte wie beispielsweise die Schule, das Büro oder die eigene Wohnung in dem Programm anzulegen. Trifft ein Familienmitglied an einer dieser Stationen ein oder verlässt sie, wird dies den anderen Teilnehmern gemeldet.

Das Hamburger Unternehmen nutzt dafür nicht nur die eingebauten GPS-Sensoren in den heutigen Smartphones, sondern auch eine Ortung über WLAN und die aufgestellten Handymasten. „Dieses von uns selbst entwickelte Verfahren ist besonders energieschonend und funktioniert selbst dann, wenn das Programm gar nicht aktiviert ist“, sagt Windmüller.

Prinzipiell ist es mit dem System sogar möglich, ein komplettes Bewegungsprofil der Netzwerkteilnehmer zu erstellen, sie also über den ganzen Tag hinweg zu verfolgen. „Diese Funktion ist aber standardmäßig deaktiviert, weil wir keine flächendeckende Überwachung wollen“, betont der Familonet-Chef. An dieser Stelle unterscheiden sich die Hamburger nach eigenen Angaben ganz bewusst von Wettbewerbern wie dem US-Anbieter Synagram, der die Überwachungsfunktion insbesondere für kleinere Kinder in den Mittelpunkt seines Dienstes stellt.

Die Amerikaner werben auf ihrer Internetseite ganz offensiv mit dem Slogan „Dein Kind ist sicher“ und versprechen eine punktgenaue Ortung inklusive eines Alarms für den Fall, dass der Sprössling nicht zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort eingetroffen ist.

Datenschutz ist dem Unternehmen sehr wichtig

Auch in anderer Hinsicht will sich Familonet von den meist in den USA beheimateten Netzwerken abheben. „Wir legen großen Wert auf Datenschutz“, sagt Windmüller. So würden alle Nachrichten innerhalb des Familiennetzwerks verschlüsselt übertragen und ausschließlich auf Rechnern in Deutschland gespeichert. Insofern stelle Familonet auch eine Alternative zum Platzhirsch Facebook dar. „Wenn man auf Facebook eine Nachricht oder ein Foto verschickt, weiß man meist nicht so genau, wer dabei mitliest“, meint Windmüller. „Bei uns ist alles sehr viel übersichtlicher.“

Entstanden ist die Idee zu Familonet an der Universität Hamburg. Zusammen mit seinem Freund und Mitgründer Michael Asshauer, 27, saß Windmüller Ende 2012 in einem BWL-Seminar, in dem es um die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle ging. „Noch während des Seminars haben wir einen ersten Businessplan ausgearbeitet und kurz danach unsere eigene Firma aufgebaut“, sagt Windmüller.

Mit David Nellessen, 29, holten die beiden noch einen dritten Mitstreiter an Bord, der sich insbesondere um die technische Umsetzung der Smartphone-App kümmerte. Etwa ein Jahr und zahlreiche Testläufe mit befreundeten Probefamilien brauchte es, bis das neue Netzwerk online gehen konnte.

Geld wird mit der App noch nicht verdient

Eine erste Anschubfinanzierung von 150.000 Euro bekamen die Existenzgründer von der Stadt Hamburg im Rahmen des Förderprogramms InnoRampUp, daneben stiegen auch noch mehrere Risikokapitalgeber in die Firma ein. Geld verdienen die Hamburger mit ihrer kostenlosen App bislang allerdings nicht. „Mit der Monetarisierung werden wir erst 2015 beginnen, schwarze Zahlen erwarten wir 2017“, sagt Windmüller.

Soll heißen: Die Familonet-Chefs werden testen, in welcher Form sie den Nutzern des Netzwerks ihr Angebot in Rechnung stellen können. Wahrscheinlich ist eine monatliche Nutzungsgebühr, aber auch zusätzliche, dann aber kostenpflichtige Funktionen sind denkbar.

Enikö Holm will Familonet in jedem Fall weiter nutzen, allerdings ist sich die Mutter nicht so ganz sicher, wie lange ihre Kinder dabei noch mitspielen werden. „Wenn sie älter werden, finden sie es vielleicht nicht mehr so gut, dass ich ihnen per Smartphone über die Schulter schaue“, sagt die Hamburgerin. Holms Mann hat sich jedenfalls aus dem Familiennetzwerk schon ausgeklinkt. Er sei aus dem Alter raus, in dem er noch überwacht werden müsse, teilte er seiner Frau mit.