Hauptzollamt zieht positive Bilanz seit der Aufhebung der Zollgrenzen im Jahr 2013. Einige Hamburger Logistiker betreiben nun eigene Lager

Hamburg. Einige Schilder hat Michael Schrader aufgehoben. Er hat sie einlagern lassen in der Zentrale seines Hauptzollamts Hamburg-Hafen in der City Süd. Um sich mitunter daran zu erinnern, wie es mal war. Vor knapp zwei Jahren, zum Jahreswechsel 2012/2013, wurde die Freihafenzone im Hamburger Hafen aufgelöst, ein historisches Relikt beseitigt. Fast 124 Jahre lang war der Freihafen zollrechtlich quasi Niemandsland zur Zwischenlagerung von Waren, die per Schiff nach Hamburg kamen und die nicht nach Deutschland oder in die Europäische Union weitertransportiert werden sollten. Alle Waren, die etwa im Container von den Terminals aus den Hafen per Lastwagen verließen, mussten beim Zoll deklariert und an einer der Kontrollstellen vorgefahren werden. „Wir standen mit den Kontrollpunkten im Hafen früher mitten im Verkehrsfluss“, sagt Schrader, 51, Leiter des Hauptzollamts Hamburg-Hafen. „Gut 2000 Lastwagen kamen früher am Tag allein auf den Zollhof Waltershof, obwohl nur ein Bruchteil davon von den Zollbeamten angesehen wurde. Das gibt es heute nicht mehr.“

Aus vielen Gründen war der Freihafen aufgelöst worden, vor allem deshalb, weil gut 90 Prozent aller nach Hamburg importierten Waren schon damals ohnehin in ein anderes EU-Land gingen. Schraders Zollbeamtinnen und -beamte bekommen die Deklaration eingehender Waren heutzutage in der Regel auf elektronischem Weg direkt übermittelt, spätestens beim Übergang vom Schiff auf eines der Hamburger Containerterminals. „Die Datenbanken des Hafeninformationssystems Dakosy für den Import und Export in Hamburg sind dafür die ideale Grundlage“, sagt Schrader. „Wir hatten auch zur Zeit des Freihafens schon etliche Daten von Waren in elektronischer Form vorliegen, die aus der Freizone heraustransportiert wurden. Trotzdem mussten diese Güter immer bei unseren Kontrollstellen vorgeführt werden.“

Ein besserer Verkehrsfluss im Hafen, eine effizientere Nutzung von elektronischen Ladungsmanifesten über Dakosy, das sind zwei wesentliche Vorteile nach der Abschaffung der Freizone. Auch heutzutage und künftig werden im Hamburger Hafen auch Waren eingelagert, die später in ein Land außerhalb der EU weitertransportiert werden sollen oder deren endgültiges Ziel bei der Ankunft in Hamburg noch nicht feststeht – etwa bei Kaffee oder Kakao. Im Freihafen saßen vor der Abschaffung rund 120 Unternehmen, die Waren einführten, lagerten und sie teils auch verarbeiteten. Diejenigen, die weiterhin zollpflichtige Güter zur Zwischenlagerung importieren, müssen nun Zolllager betreiben – entweder mit eigenen Zollexperten im Haus, wie es vor allem die großen Handelshäuser tun. Oder unterstützt von externen Experten wie etwa der Hamburger Agentur Porath Customs Agents.

„Wir unterstützen Unternehmen, die nicht genügend eigene Kapazität für die Betreuung eines Zolllagers oder für die Abwicklung der sehr speziellen Formalitäten besitzen“, sagt Inhaber und Zollexperte Thorsten Porath. Von rund 40 auf insgesamt 60 Mitarbeiter hat er seine Belegschaft in den vergangenen zwei Jahren aufgestockt. Etwa 40 von ihnen wiederum arbeiten in Hamburg. Angelehnt an die Auflösung des Freihafens, gründete Porath 2012 gemeinsam mit dem Fachanwalt Lothar Harings die Hamburger Zollakademie – nicht nur, aber auch für den wachsenden Bedarf an zollrechtlichem Wissen in der Hansestadt: „Aufseiten der Wirtschaftsbeteiligten, wie die Zollverwaltung uns nennt, gibt es oft noch große Unkenntnis bezüglich der Prozesse beim Zoll“, sagt Porath. „Das führt häufig zu garantierten Wartezeiten. Wenn dann auch noch eine Zollkontrolle angeordnet wird und man nicht genau weiß, mit wem man wann kommunizieren muss, kann es sehr schmerzhaft werden.“

Die Abschaffung der Freizone hatte durchaus auch Nachteile, räumt Porath ein. Manche der im Hafen betroffenen Unternehmen hätten den Mehraufwand eines eigenen Zolllagers lieber vermieden. Aber auch systematische Veränderungen verursachen hier und dort einen höheren Zeitaufwand. „Das gilt zum Beispiel bei der Einfuhr von Lebensmitteln, weil da eine Freigabe des Veterinärs erforderlich ist“, sagt Porath. „Die Zollabfertigung im Zusammenspiel mit den Zollämtern ist komplizierter geworden. Durch das notwendige Okay des Veterinärs kann der Importeur die Vorteile der vorzeitigen Anmeldung an den Zoll nicht nutzen.“ Generell allerdings habe die Umstellung sehr gut funktioniert – auch dank der Vorarbeit der Zollbehörden: „Der Zoll hat unglaublich viel getan, um die Wirtschaft und die beteiligten Unternehmen zu informieren“, sagt Porath.“

Der größte Teil des Im- und Exports wird heutzutage elektronisch deklariert, in Hamburg vor allem mithilfe von Dakosy. Doch trotz der Abschaffung des Freihafens ist die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Systeme längst nicht ausgereizt. „Gemessen am gesamten Volumen werden gut 40 Prozent der Waren erst angemeldet, wenn sie schon in Hamburg sind“, sagt Schrader. „Es könnten noch weit mehr Güter schon im Vorwege elektronisch deklariert werden.“ Insgesamt aber zieht auch Schrader ein positives Fazit des heutzutage einheitlichen Hamburger Hafengebiets. „Durch die Auflösung der Freizone ist weit mehr Verlässlichkeit in die gesamte Transportkette gekommen, etwa mit Blick darauf, wie Containerzüge aneinandergereiht werden können und müssen. Früher war immer ein Unsicherheitsfaktor dabei, wenn Ware zum Beispiel per Lkw aus dem Freihafen angeliefert werden sollte und zuvor die Kontrollstelle passieren musste.“

Für alle Beteiligten war die Umwandlung der Freizone in einen „normalen“ Teil des Hafens eine Herausforderung mit teils mehrjähriger Vorarbeit. Aus Schraders Sicht hat sich das auch für den Zoll gelohnt, denn unter anderem wurde die Importüberwachung direkt auf den Terminals intensiviert. „Wir konnten unsere Personalstärke nach der Abschaffung der Freizone im Hamburger Hafen halten und setzen jetzt mehr Beamtinnen und Beamte mobil im gesamten Hafenbereich ein“, sagt der Zollamtsleiter. Etwa 1050 Staatsbedienstete arbeiten für das Hauptzollamt Hamburg-Hafen, davon rund 550 am Zollamt Waltershof und 270 bei der Kontrolle und Durchsuchung von Schiffen. „Für uns und damit auch für den Hafen“, sagt Schrader, „ist das ein ganz großer Erfolg.“