Alexander Margaritoff, Chef des Hamburger Weinhändlers, äußert sich erstmals zur Kaufofferte von Aufsichtsrat Meyer

Hamburg. Jetzt wird es ernst für Hawesko: Das Unternehmen könnte schon bald in fremde Hände fallen. Die Familientradition des Weinhändlers, zu dem auch Jacques' Wein-Depot gehört, wäre damit nach Jahrzehnten beendet. Die Finanzaufsicht Bafin hat gestern das Angebot der Beteiligungsgesellschaft Tocos freigegeben, die mit einem feindlichen Übernahmeangebot nach Hawesko greift: Tocos-Gesellschafter Detlev Meyer, 61, bietet den Anteilseignern 40 Euro je Aktie. Die Aktionäre des Weinhändlers haben bis zum 22. Dezember Zeit, das Übernahmeangebot anzunehmen. Der niedersächsische Unternehmer will auf diese Weise größter Anteilseigner bei der börsennotierten Firma mit Sitz in Tornesch werden.

Unter Berücksichtigung aller Aktien, die noch nicht von Tocos gehalten werden, würde Meyer dann noch einmal bis zu 253 Millionen Euro für die Hawesko-Anteile ausgeben. Der bisher größte Gesellschafter, Vorstandschef und Sohn des Firmengründers, Alexander Margaritoff, wäre damit entmachtet. Auch die berufliche Zukunft seines Sohnes, ein junger Mann Mitte Zwanzig, der sich in seiner Ausbildung auf die Nachfolge im Familienunternehmen vorbereitet, wäre dann ungewiss.

Bislang hält Margaritoffs Widersacher Meyer 29,5 Prozent der Anteile, Margaritoff 30 Prozent. Zwar kennen sich die beiden Unternehmer gut, denn Meyer sitzt im Aufsichtsrat von Hawesko, doch die Zusammenarbeit entwickelt sich zum erbitterten Machtkampf. Der eher hemdsärmelige Meyer ist wie Margaritoff Unternehmer, er kam mit dem Verkauf seiner Modefirmen Cecil und Street one zu Geld und ist auch an weiteren Weinfirmen beteiligt. Selbst wenn beide die Liebe zum Wein verbindet, das Verhältnis ist durch die Vorkommnisse der letzten Tage zerrüttet.

Denn auch die erste Ankündigung Meyers über das freiwillige öffentliche Übernahmeangebot Anfang November kam für Margaritoff wie aus heiterem Himmel, erfuhr das Abendblatt aus Firmenkreisen. Einen Tag vor seinem 62. Geburtstag, an dem sich traditionell die Crème de la Crème der Weinwelt mit Namen wie Rothschild oder Antinori bei Margaritoff einfindet, startete Meyer die Offerte. Noch nicht einmal telefonisch wurde Margaritoff über den Angriff auf seine Firma informiert , er hielt sich im weit entfernten Ausland auf.

Als Affront empfindet man bei Hawesko den Zeitpunkt der Aktion aber auch aus einem anderen Grund: Immerhin ist das Weihnachtsgeschäft bei dem Weinhändler ganz entscheidend für den Unternehmenserfolg, und die Beschäftigung mit der Finanztransaktion wird das Management in der nächsten Zeit vom Tagesgeschäft abhalten. Eine offizielle Stellungnahme wird der Vorstand erst nach einer detaillierten Analyse innerhalb von zwei Wochen abgeben, teilte Hawesko mit. Zunächst äußerte sich Margaritoff nur in wenigen Worten: „Wenn ich es rein aus der Perspektive des Vorstandsvorsitzenden sehe, bin ich der Ansicht, dass der angebotene Preis nicht dem wahren Wert des Unternehmens gerecht wird“, sagt er dem Abendblatt. „Aber ich habe natürlich auch eine emotionale Bindung an das Unternehmen, das mein Vater vor 50 Jahren gegründet hat und in dem ich selbst seit 33 Jahren tätig bin. Daher werde ich alles dafür tun, dass das, was Hawesko für mich und viele andere so besonders macht, auch in Zukunft erhalten bleibt.“

Meyer verwies indes darauf, dass die 40 Euro die durchschnittlichen Kursziele der Analysten für Hawesko übertroffen hätten, bevor er sein Übernahmeangebot veröffentlicht hatte. Gestern notierte die Aktie bei 40,70 Euro. Analysten hatten zuletzt Kursziele von 36 Euro (Bankhaus Lampe), 40 Euro (Berenberg Bank) oder 37 Euro (Commerzbank) für das Unternehmen herausgegeben. Die Hawesko Holding erzielte 2013 über ihre drei Vertriebskanäle einen Umsatz von 465 Millionen Euro und beschäftigte 925 Mitarbeiter.

Meyer, der seit 2005 an Hawesko beteiligt ist, will den Händler dazu bewegen, weniger Dividende an die Aktionäre zu zahlen und das Geld stattdessen in den Ausbau der Marktstellung in Deutschland sowie in die Expansion im Ausland zu stecken. Hawesko hatte in den vergangenen Jahren bis zu 95 Prozent des Gewinns an die Anteilseigner ausgeschüttet, übrigens mit der Zustimmung eines prominent besetzten Aufsichtsrates: Wolfgang Reitzle, ehemaliger Chef des Linde-Konzerns, die Schmuckdesignerin Kim-Eva Wempe und Gunnar Heinemann von dem gleichnamigen Flughafenhändler gehören unter dem Vorsitz von Johann Christian Jacobs dem Gremium an. Falls die Gruppe fortan unter einem neuen Eigentümer geführt wird, könnte sogar die Zerschlagung drohen, befürchten Mitarbeiter. Bisher agieren die Bereiche Jacques' Wein-Depot, Internethandel und Gastronomiebelieferung sowohl im Einkauf als auch in der Abwicklung weitgehend getrennt und werfen unterschiedliche Gewinne ab. Mittelfristig könnte der weniger renditestarke Bereich des Internethandels auch zum Verkauf stehen, heißt es aus dem Unternehmen.