Elektronikketten, Internetverkäufe und der Smartphone-Boom setzen der Branche zu. Wie Hamburger Fachgeschäfte mit Luxusgeräten dagegenhalten

Hamburg. Der Bariton von Gregory Porter schwebt so real im Raum, als stünde der hünenhafte Jazz-Sänger gerade leibhaftig auf der Bühne. Im Hintergrund sind die begleitenden Töne des Schlagzeugs und ein gezupfter Bass zu hören, dann setzt von rechts ein markiges Saxofon zu einem ausladenden Solo an. Wie in einem kleinen, verrauchten Club irgendwo in der Bronx klingt das. Doch der Star der internationalen Jazz-Szene tritt nicht in New York auf, seine Stimme erklingt lediglich im Vorführraum eines Hi-Fi-Studios im Hamburger Stadtteil Bramfeld.

Die naturgetreue Wiedergabe des stimmgewaltigen Sängers hat freilich ihren Preis. Rund 60.000 Euro kostet die komplette Anlage, die in dem Studio aufgebaut ist. Die hohe Summe kommt vor allem durch zwei rötlich glühende, etwa 30 Zentimeter hohe Röhren zustande, die nicht eingeweihte Zeitgenossen leicht für eine ungewöhnliche Form der Raumbeleuchtung halten könnten. Stattdessen sorgen die sogenannten Mono-Röhren-Endstufen für eine möglichst optimale Verstärkung des Audiosignals. Ein Genuss für Klanggourmets.

„Diese Anlage ist selbst für unsere Standards extrem“, sagt der Chef des Hi-Fi-Studios Bramfeld, Wolfgang Borchert, schmunzelnd. „So etwas verkaufen wir wirklich nicht jeden Tag.“ Der freundliche 62-Jährige hat sich seit fast 40 Jahren ganz dem optimalen Klang verschrieben. Als Jugendlicher spielte Borchert Gitarre in einer Band, trieb sich viel im legendären Star-Club auf St.Pauli herum. Doch aus einer Musikerkarriere wurde nichts, stattdessen stieg er in den Handel mit hochwertigem Audio-Equipment ein.

Mehrere Stunden Fahrzeit aus Hannover oder Rostock nehmen Kunden heute auf sich, um im Norden Hamburgs Anlagen von deutschen Edelproduzenten wie Burmester Probe zu hören, die ihre chromblitzenden Verstärker oder CD-Spieler noch immer in der Bundesrepublik fertigen und nur handverlesene Einzelteile verwenden. Andere kommen, um die Lautsprecher des britischen Nobelherstellers Bowers & Wilkins einem Hörtest zu unterziehen, der in den tropfenförmigen Hochtönern seiner Topmodelle schon mal künstliche Diamanten einsetzt, um für eine besonders klare und natürliche Wiedergabe zu sorgen.

„Unsere Kunden zelebrieren das Musikhören und sind bereit, für ihr Hobby auch mehrere Tausend Euro auszugeben“, sagt Borchert. Mit seiner Spezialisierung auf die sogenannten Audiophilen ist es dem Hi-Fi-Experten gelungen, das große Sterben der unabhängigen Studios in der Hansestadt zu überleben. Und das, obwohl sich Borcherts Geschäft nicht gerade in einer Toplage befindet. Ein Matratzen-Billigladen, in die Jahre gekommene Friseursalons und ein Café mit dem Namen „Glücklich“ liegen in der Nachbarschaft.

„Als ich angefangen habe, gab es noch in fast jedem Hamburger Stadtteil ein Hi-Fi-Geschäft“, erinnert sich der Chef. „Heute sind davon vielleicht noch ein halbes Dutzend ernstzunehmende Anbieter übriggeblieben.“ Erst im vergangenen Jahr stieg etwa das renommierte Fachgeschäft Wiesenhavern an der Mönckebergstraße aus dem Handel mit Audiogeräten aus und konzentriert sich seitdem unter einem neuen Eigentümer ganz auf den Verkauf von Fotoapparaten.

Zunächst waren es die großen Ketten Media-Markt und Saturn, die den unabhängigen Geschäften zusetzten und sie mit geballter Werbemacht vom Markt drängten. Dann kamen große Internethändler wie Amazon und zettelten einen Preiskampf bei Massenmarken wie Denon, Pioneer oder Sony an. Parallel dazu revolutionierten Computerhersteller wie Apple die Art des Musikhörens generell. In Zeiten, in denen die Bundesbürger Tausende von Musiktiteln in komprimierter Form auf ihren Smartphones durch die Gegend tragen, hat die klassische Stereo-Anlage mit Verstärker, CD-Spieler, Tuner und Lautsprecher drastisch an Bedeutung verloren.

Dennoch ist die Kerngruppe derjenigen, die sich wirklich für den Klang einer Anlage interessieren, aus Borcherts Sicht weitgehend stabil geblieben. 1,5 bis zwei Millionen Euro Umsatz erzielt er pro Jahr, die Zahlen sind seit Jahren stabil. Diese Erlöse genügen dem Inhaber, um ein Team von acht Angestellten zu beschäftigen, die sich auf Teilbereiche wie Raumakustik, Analogtechnik, Streaming oder die richtige Stromversorgung für die leistungshungrigen Systeme spezialisiert haben.

Zwei bis drei Stunden dauert das Probehören für eine spezielle Anlage

Audiophile Kunden sind anspruchsvoll, zwei bis drei Stunden dauert das Probehören für eine spezielle Anlage im Schnitt. Wer dann tatsächlich bereit ist, mehrere Tausend Euro für neue Verstärker oder Lautsprecher zu investieren, erwartet auch, dass die Geräte nach Hause geliefert und dort fachmännisch installiert werden. Die klangliche Optimierung reicht dabei vom richtigen Winkel beim Aufsteller der Boxen, über spezielle Füße für die Lautsprecher bis hin zu Absorbern aus Schaumstoff, die einem Raum etwa die Basslastigkeit nehmen sollen.

Einmal im Jahr veranstaltet Borchert darüber hinaus die Hamburger Hi-Fi-Tage, zu denen mehrere Tausend Musikfans anreisen und sich über die neuesten Entwicklungen in der Branche informieren. „Das erhöht unsere Bekanntheit und führt uns viele Neukunden zu“, sagt der Chef.

Profitieren können die kleinen Hamburger Hi-Fi-Studios auch von der Rückkehr der klassischen Schallplatte. War die LP um die Jahrtausendwende nahezu tot, veröffentlichen heute fast alle großen Künstler aus dem Rock-, Pop- oder Hip-Hop-Bereich auch wieder auf Vinyl. Hersteller wie die Hamburger Edel AG werfen streng limitierte, analog gemasterte Alben der Beatles in Mono auf den Markt. Fast 380 Euro zahlen Fans für eine komplette Box mit insgesamt 14 LPs. Um gut 43 Prozent sind die Vinyl-Verkäufe im vergangenen Jahr in die Höhe geschnellt, wenn auch ausgehend von einem vergleichsweise bescheidenen Niveau. Parallel haben auch die Verkäufe von Plattenspielern wieder kräftig angezogen.

„Bei uns laufen vor allem Einsteigergeräte gut“, sagt Jörg Schütt, Mitinhaber des Hi-Fi-Studios Audiophonie an der Rentzelstraße, der unter anderem die Dreher des österreichischen Herstellers Pro-ject und der britischen Firma Rega im Sortiment hat. „Es kommen aber auch viele Kunden vorbei, die noch einen alten Plattenspieler gefunden haben und diesen wieder flottgemacht haben wollen.“ Manch einer verfällt nach dieser Phase ganz der Magie der schwarzen Scheiben und steigt später auf wuchtige, 25 Kilo schwere Geräte wie die des deutschen Herstellers Transrotor um, der mindestens ebensoviel Wert auf die Optik wie auf den Klang seiner Plattenspieler legt. An solchen Maschinen werden dann auch schon mal zwei Tonarme montiert, um Platten unterschiedlicher Genres mit den passenden Tonabnehmern abspielen zu können: Ein eher hartes System mit kräftiger Basswiedergabe für die alte AC/DC-Scheibe, ein etwas sanftes für die Singer/Songwriter-Platten.

Jörg Schütt hat seine Firma vor elf Jahren aus Leidenschaft gegründet und verkauft ausschließlich Geräte, von denen er auch selbst überzeugt ist. Er sieht auch in der heutigen Smartphone-Generation ein wachsendes Bewusstsein für guten Klang. Bei ihm schneien etwa Musikhörer herein, die ihre mobilen Geräte mit speziellen Digital-Analog-Wandlern klanglich aufwerten wollen. Viele Musikliebhaber kombinieren mittlerweile die digitale Sammlung auf dem iPhone oder der Festplatte mit dem Sammeln alter oder neuer Vinyl-Schätze. „Die CD wird dabei als Medium eher ausgelassen“, meint Schütt.

Das Publikum der kleinen Studios ist überwiegend männlich

Nobelhersteller wie Bowers & Wilkins haben sich schon vor Jahren darauf verlegt, ihre sündhaft teure Technologie auch in abgespeckter Form in Kopfhörer oder Docks für Smartphones zu integrieren. Damit profitieren die Briten einerseits von dem Trend zu den mobilen Musikgeräten, spekulieren aber auch darauf, dass die Käufer der günstigen Einsteigergeräte später einmal mit wachsendem Einkommen auch zu den weitaus kostspieligeren Lautsprechern greifen.

So groß der technologische Wandel im Hi-Fi-Bereich auch ist, eines hat sich allerdings kaum geändert: Das Publikum der kleinen Studios ist überwiegend männlich, Frauen interessieren sich zwar sehr für Musik, können sich in der Regel aber nur wenig für klangliche Optimierungen, klobige Lautsprecher oder Basteleien am Plattenspieler begeistern.

Daher taucht in einschlägigen Hi-Fi-Foren neben technischen Angaben über Leistung und Impedanz oft noch eine weitere, nicht ganz ernst gemeinte Kennzahl auf, die beim Kauf eines Lautsprechers oder einer kompletten neuen Anlage zu beachten ist: Der WAF oder „Woman-Acceptance-Factor“ gibt an, inwieweit ein Gerät auch vom Design her bei der Partnerin ankommt.

Die sündhaft teure Anlage aus dem Hi-Fi-Studio Bramfeld mit ihren riesigen, glühenden Röhren dürfte in diesem Zusammenhang eher auf eine niedrige Punktzahl kommen. Ganz egal, wie gut sie klingt.