Experten rechnen mit bis zu sechs Milliarden Euro Kosten. Regierung spricht von 100 Millionen Euro zusätzlich

Berlin. Ohne Abschlag früher in den Ruhestand – die von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) durchgesetzte Rente mit 63 wird offenbar stärker genutzt als erwartet und damit auch für die Rentenkasse deutlich teurer als geplant.

Von Juli bis Oktober beantragten 163.000 Arbeitnehmer die neue Frührente; bisher wurden rund 110.000 Anträge bearbeitet und fast ausnahmslos bewilligt. Ein Sprecher der Deutschen Rentenversicherung bestätigte damit einen Bericht der „Rheinischen Post“. Anspruch auf die abschlagsfreie Rente haben Menschen, die 45 Jahre lang Beiträge gezahlt haben.

Da etwa ein Drittel der geburtenstarken Jahrgänge 1950 bis 1963 die Voraussetzungen erfülle, „könnten in den kommenden Jahren jährlich 300.000 bis 450.000 Personen anspruchsberechtigt sein“, sagte Ulrich Walwei, stellvertretender Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, der Zeitung.

Noch ist unklar, wie teuer der Ansturm auf die Rente mit 63 für die Versichertengemeinschaft tatsächlich wird. Nach früheren Angaben der Rentenversicherung kostet die Frührente sie in diesem Jahr knapp 1,5 Milliarden Euro. Die Bundesregierung hatte in ihrem Gesetzentwurf 0,9 Milliarden genannt. Allerdings wies sie auf zusätzliche Belastungen durch die wegfallenden Beiträge der Frührentner hin, ohne diese aber konkret zu beziffern.

Gestern teilte das Ministerium mit, die Beitragsausfälle würden mittlerweile auf rund 250 Millionen Euro für 2014 geschätzt. Zudem sei im Gesetzgebungsverfahren entschieden worden, dass für die Mindestwartezeit von 45 Beitragsjahren für die abschlagsfreie Frührente auch Zeiten der freiwilligen Versicherung zählen sollten. Dadurch entstünden Mehrkosten von 250 Millionen Euro pro Jahr.

Arbeitsministerin Nahles wies Vorwürfe der falschen Planung zurück. „Wir haben damit gerechnet, dass 240.000 Menschen in diesem Jahr die Rente mit 63 in Anspruch nehmen. In diesem Korridor bewegen wir uns.“ Die Kosten seien „geringfügig höher“ als erwartet. Ihr Ministerium bezifferte sie auf 100 Millionen Euro.

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft verwies dagegen auf eine Studie der Universität Duisburg-Essen. Danach muss im kommenden Jahr mit Kosten von drei Milliarden statt der geplanten 1,5 Milliarden Euro gerechnet werden. Der tatsächliche Fehlbetrag liege aber deutlich höher, da ausfallende Sozialversicherungsbeiträge und geringere Steuerzahlungen mit eingerechnet werden müssten – voraussichtlich summierten sich die Kosten auf sechs Milliarden Euro pro Jahr.

Der Grünen-Rentenexperte Markus Kurth warf der Regierung vor, nur scheibchenweise mit den wahren Kosten der Rente ab 63 herauszurücken. „Selbst für Eingeweihte ist vollkommen unklar, wie viele Personen langfristig abschlagsfrei mit 63 Jahren in Rente gehen und welche finanziellen Auswirkungen das im Einzelnen hat.“