Ob selbst gemacht oder vom Profifotografen – kreativer Wandschmuck liegt im Trend. Umsätze steigen deutlich

Hamburg. An der Decke hängt ein dicker Fisch aus hellblauem Papier. Daneben tummeln sich weitere Figuren, Sterne oder auch Lampions. Die Inhaberinnen Angelika Mueller-Raschdau und Angelika Wildt versuchen mit solchen selbst gebastelten Dingen ihr Fachgeschäft mit dem Namen „Aktiv kreativ basteln und mehr“ anders zu gestalten als manche Wettbewerber. Kunden können in dem Laden stöbern, mit so genannten Stanzern kleine Figuren und Kunstwerke auf Papier bringen und damit auch Einladungskarten in allen Größen oder Jahreskalender verzieren.

Wildt und und ihre Geschäftspartnerin mit gleichem Vornamen haben sich 1998 im Waldweg in Sasel selbstständig gemacht. Während ihre Geschäftspartnerin Mueller-Raschdau bereits am Vormittag zahlreiche Kunden bedient, führt Wildt durch das Geschäft. Inzwischen ist der Laden zur Institution für Bastelfreunde geworden. Das Sortiment ist breit gefächert. Vom kleinen Weihnachtsengel bis hin zu Bastelpapier. „Wir führen mehr als 20.000 verschiedene Artikel“, so Wildt. Neben Advents- und Weihnachtsutensilien werden vor allem Jahreskalender nachgefragt, die die Käufer selbst mit Fotos oder gemalten Bildern schmücken. „Hier haben wir unter anderem Scrapbooking-Papier in verschiedenen Ausführungen – zum Beispiel glitzernd“, sagt Wildt.

Hersteller erlösen mit Kalendern 167 Millionen Euro pro Jahr

„Do it Yourself“ liegt im Trend. Der Wunsch den Eltern, Freunden und anderen lieben Menschen zu Weihnachten oder dem Jahreswechsel einen selbst gemachten Kalender zu schenken, ist bei immer mehr Menschen groß. In dem Hamburger Bastelgeschäft sind Rohkalender, die nach dem Kauf individuell gefertigt werden können, derzeit stark gefragt. Und natürlich alles, was mit Weihnachten zu tun hat. Auch deshalb bieten die beiden Unternehmerinnen vor allem Kindern und Jugendlichen Kurse zum weihnachtlichen Arbeiten mit Tafelfarbe an, oder Seminare zur Herstellung von beleuchteten Sternen aus Transparentpapier. Bei ausreichender Nachfrage wird in Kursen auch gezeigt, wie hübsch Kalender gestaltet werden können.

Die Auswahl scheint grenzenlos: Neben den selbst gebastelten sind in diesem Jahr nahezu 14.000 verschiedene Kalender erschienen, wie etwa Wand- und Bildkalender, Planer, Taschenkalender oder auch Abreißkalender. Das hat den Herstellern ein sattes Umsatzplus von fast vier Prozent auf aktuell 167 Millionen Euro beschert. Nächstes Jahr wird es kaum anders sein. Seit Jahren steigen die Erlöse der Branche. Denn trotz des Internets und der Digitalisierung hängt fast in jedem deutschen Haushalt mindestens ein gekaufter Kalender mit Fotos oder als Terminplaner an der Wand. Doch jetzt kommt neue Konkurrenz für die etablierten Verlage. Denn dank der Digitalisierung können Verbraucher inzwischen ihre eigenen Fotokalender nicht nur basteln und bemalen, sondern professionell selbst herstellen. So kann zum Beispiel der Oma ein Kalender mit Fotos der Enkel gerade zu Weihnachten Freude bereiten. Männer, die mal Rennfahrer werden wollten, können den jüngst erworbenen Sportwagen zum Kalenderbild machen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Anbieter wie Cewe-Color liefern die passende Technik dafür.

„Im Bereich des Digitaldrucks, der durch neue Techniken mehr und mehr zunimmt, konzentriert sich die Nachfrage auf Special Interest Themen, die die klassischen Verlage häufig selbst nicht bedienen“, sagt Anette Philippen, Sprecherin des Arbeitskreises Kalenderverlage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Die Alternative ist, sich selbst einen Kalender zu basteln.

Die selbst gestalteten Kalender führen aber nicht zum Rückgang des Branchenumsatzes. Diese Phänomen wurde von Media Control beobachtet. 80 Prozent der Kalender Marke „Eigenbau“ (selbstgebastelt oder über Poster XXL oder Ähnliches gestaltet) werden als Geschenke angefertigt, während der überwiegende Anteil der Kaufkalender für den Eigenbedarf erworben wir – in erster Linie als Dekoartikel, heißt es beim Marktführer KV&H Verlag (Heye, Harenberg und Weingarten).

Der Reiz der Bastler bestehe hauptsächlich darin etwas eigenes und individuelles zu erschaffen. Jeder, der etwas selbst herstellt, kann sich zum Künstler und Modeschöpfer machen und sich damit von der Masse absetzen. „Vor allem an Weihnachten sucht man nach Tradition und Kontinuität. Selbst gemachte Geschenke wie etwa ein persönlicher Kalender haben gerade dann Konjunktur“, sagt der Hamburger Trendforscher Peter Wippermann. „Weihnachten hat einen hohen Sehnsuchtscharakter. Mit einem selbst gemachten Geschenk zeigt man dem Beschenkten, dass man Zeit und Kreativität investiert hat“, so Wippermann

Der Markt ist stark fragmentiert. 62 Prozent des Umsatzes werden laut Statistikportal Statista bereits von den neun größten Kalender-Verlagen der Branche gemacht. Davon profitieren auch kleine Verlage in Hamburg. Zum Beispiel Ulf Harten. Der Comic-Zeichner gibt bereits seit 1999 kontinuierlich den Comic-Kalender „Hamburg Total heraus.“ Seine Auflage in Höhe von 2200 Stück für das Jahr 2015 verkauft er über Buchhandlungen wie Thalia, aber auch an Firmen wie Siemens, die Commerzbank oder Warner Brothers. Zudem hat er einen Stand auf der Adventsmesse in der Koppel 66 in St. Georg. Auch dort findet er Kunden für sein neuestes Produkt, das mit seinen besten Ideen der vergangenen Jahre bestückt ist. Auf dem Titelbild ist 2015 unter anderem die Elbphilharmonie, die im Größenvergleich dem Michel den Rang abgelaufen hat. Das dürfte Hamburgs Vorzeige-Kirche weniger gut gefallen.

Auch Hamburger Fotografen wie Andreas Schmidt-Wiethoff freuen sich über die Beliebtheit der Jahreskalender. Bereits zum achten Mal hat er einen „michel und elbe“-Kalender im Angebot. 13 Fotografien rund um Hamburg und den Hamburger Hafen schmücken den Kalender. Er ist auf 750 Exemplare limitiert.

Ob digital oder mit guter alter Drucktechnik: Für Buchhändler sind Kalender sichere Umsatzbringer. Die Warengruppe präsentiert sich stabil auf einem relativ hohem Niveau. „Kalender sind haptische Produkte. Kunden müssen sie sehen, vor allem wegen der Größe und der Bilder“, sagt ein Buchhändler. Wer einen Kalender brauche, wolle ihn auch im kommenden Jahr haben. Der wiederkehrende Rhythmus treibe die Menschen in die Buchhandlungen. Darauf setzen auch die Unternehmerinnen Angelika Mueller-Raschdau und Angelika Wildt.