Direktbanken aus dem Norden wollen den Gang in die Postfiliale zur Identifikation überflüssig machen. Verbraucherschützer befürchten Missbrauch

Hamburg. In Zeiten niedriger Zinsen steigt die Verlockung. Vielleicht doch ein Konto bei einer anderen, weiter entfernten Bank zu eröffnen, weil die Zinsen dort wenigstens so hoch sind wie die Inflationsrate? Oder doch gleich zu einer Direktbank wechseln, weil manche Geldhäuser ihr Filialnetz immer mehr ausdünnen?

Doch die neue Bankverbindung konnte bisher meist nicht ohne den Besuch einer Postfiliale aufgebaut werden. Zettel ausfüllen, anstehen, Identität mit dem Personalausweis nachweisen. „Allein dieser Prozess war ein Grund dafür, warum viele vor der Eröffnung eines Online-Kontos zurückschreckten“, sagt Henning Ratjen, Leiter Service bei Comdirect in Quickborn.

Die Direktbank vor den Toren Hamburgs bietet jetzt eine Alternative an. Anders als bisher kann die notwendige Prüfung der Personalausweisdaten per Video-Telefonie durchgeführt werden, sogenanntes Videoident. Der Gang in eine Postfiliale ist dann nicht mehr notwendig. Der neue Kunde sitzt vor seinem Computer und zeigt sein Gesicht und seinen Personalausweis in die Kamera. Auch die ING-DiBa praktiziert dieses Verfahren, ebenso wie die SWK Bank und die DKB. „Wir sind überzeugt, dass mittelfristig eine Mehrheit der Kunden diesen schnellen Weg zur Kontoeröffnung nutzen wird“, sagt Tilo Hacke, Vorstandsmitglied der DKB.

Bei der ING-DiBa laufen bereits zehn Prozent der Kontoeröffnungen über die neue Technik. Doch die Datenschützer sind von dieser Entwicklung überhaupt nicht begeistert. „Wir sind davon völlig überrascht worden und haben zu dem Verfahren noch viele Fragen“, sagt Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein. „Bis zum Abschluss der Prüfungen raten wir den Kunden weiterhin zum Gang in die Postfiliale.“

Erst eine Neuauslegung des Geldwäschegesetzes, das auch die Identitätsprüfung von Kontoinhabern regelt, hat die neue Technik ermöglicht. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat den Geldinstituten in einem Rundschreiben vorgegeben, an welche Regeln sie sich dabei halten müssen. Sie dürfen die Aufgabe zwar an externe Dienstleister auslagern, aber das müssen „entsprechend geschulte und hierfür ausgebildete Mitarbeiter“ sein, die sich in „abgetrennten und mit einer Zugangskontrolle ausgestatteten Räumlichkeiten befinden“, wie es im BaFin-Deutsch heißt. Auch der Überprüfungsvorgang selbst ist klar geregelt: Vorder- und Rückseite des Ausweises in die Kamera halten und das Dokument leicht kippen, damit das Hologramm erkennbar ist. Bei so viel Details fühlten sich die Banken offenbar auf der sicheren Seite und hielten eine Konsultation der Datenschützer für überflüssig. „Der Prozess wird durch die BaFin sehr präzise beschrieben, und an diese Vorgaben haben wir uns genau gehalten“, sagt Ratjen.

Die Banken versprechen mit der neuen Legitimationsform eine große Zeitersparnis und mehr Komfort. Denn die Kunden sind nicht mehr an die Öffnungszeiten der Postfilialen gebunden. „Die Kunden können sich täglich von 8 bis 22 Uhr bei uns legitimieren“, sagt Ratjen. Länger als fünf bis sieben Minuten soll das Prozedere nicht dauern. Dafür gewährt man allerdings Fremden Einblick in die eigenen vier Wände, wenn auch nur in einem begrenzten Umfang. Was bisher als Identitätsnachweis in Form eines Formulars abgelegt wurde, muss nun elektronisch gespeichert werden. „Wir informieren den Kunden vorher darüber, dass sein Porträtfoto, sein Ausweis und die Tonaufnahme der Videoübertragung gespeichert werden müssen“, sagt André Kauselmann von der ING-DiBa. Die Aufbewahrungspflicht der Banken erstreckt sich auf die Zeit der Kundenbeziehung und mindestens fünf Jahre darüber hinaus. In dieser Form so lange gespeichert zu werden, mag nicht jedermanns Sache sein.

Datenschützer setzen auf elektronische Identifizierung mit Personalausweis

„Wir fragen uns, wie der Mitarbeiter erkennen soll, dass wirklich ein echter Personalausweis in die Kamera gehalten wird“, sagt Weichert. Weitere Bedenken haben die Datenschützer, wenn für die Videoübertragung Skype genutzt wird. „Das halten wir für besonders kritisch“, sagt Weichert. Er hätte es lieber gesehen, die Banken hätten sich auf den elektronischen Identitätsnachweis mit dem neuen Personalausweis gestützt. „Damit ist eine sichere Identifizierung ganz ohne Kamera möglich.“

Aus Sicht der Banken ist das keine Alternative. „Nur ein Drittel der Personalausweisbesitzer hat diese Funktion überhaupt aktiviert“, sagt Ratjen. Außerdem benötige der Kunde dafür einen Kartenleser. Comdirect macht die neue Identitätsüberprüfung im eigenen Hause. „Das ist sicherer, da wir weitere Schnittstellen zu Kommunikationsdienstleistern sparen“, sagt Ratjen. Bei der ING-DiBa setzt man auf den externen Dienstleister WebID Solutions. Dort läuft das Geschäft mit der Video-Identifikation bereits sehr gut. „Für 17 Banken haben wir das System bereits installiert“, sagt ein Firmensprecher. „Bei weiteren 45 wird es gegenwärtig vorbereitet.“

Auffällig ist, dass die Banken die neue Technik nur für einzelne Produkte anbieten. Bei der ING-DiBa kann man sich nur für das Tagesgeldkonto per Videotelefonat legitimieren, nicht aber für das Girokonto. Bei Comdirect ist man mit der neuen Technik nur für das Girokonto gerüstet, nicht aber für die Eröffnung eines Tagesgeldkontos oder Wertpapierdepots. Die Banken begründen das mit innerbetrieblichen Abläufen, es kann aber auch ein Indiz dafür sein, dass die Institute sich ihrer Sache noch nicht ganz sicher sind. Die HypoVereinsbank hat das Thema zwar auf dem Radar, wartet aber noch ab. „Es müssen noch eine Reihe von Fragen zur Datensicherheit geklärt werden“, sagt Banksprecher Ralf Horak.

„Die meisten Banken setzen noch auf das Postident-Verfahren“, sagt Horst Biallo vom Verbraucherportal biallo.de. Aber das neue Verfahren werde sich mittelfristig schnell durchsetzen, wenn es auch das herkömmliche Verfahren nicht ablösen könne. Wirkliche Sicherheitsbedenken sieht er nicht.

Bei Comdirect bekommt gegenwärtig nur jeder zehnte Kunde bei der Kontoeröffnung die neue Legitimationstechnik angeboten. Denn die Bank fürchtet Kapazitätsengpässe im eigenen Kundenservicecenter in Wilhelmshaven. Der Grund ist der Ansturm auf das kostenlose Girokonto, für das gegenwärtig eine Prämie in Höhe von 150 Euro geboten wird.

Die meisten, die das Angebot nutzen wollen, müssen also nach wie vor in die Postfiliale.