Politiker, Gewerkschaft und Finanzwissenschaftler sind alarmiert. Ver.di sieht Jobs von 700 Mitarbeitern gefährdet

Hamburg. Immer wieder hat HSH-Nordbank-Chef Constantin von Oesterreich in diesem Jahr betont, die Bank sei auf einem guten Weg. Doch mehrere Hundert Beschäftigte vor allem in Hamburg und Kiel werden diesen Weg künftig nicht mehr mitgehen können. Denn der Vorstandsvorsitzende hat am Mittwoch angekündigt, dass 500 Vollzeitstellen bis Ende 2017 gestrichen werden. (das Abendblatt berichtete). Das ist fast jede fünfte der aktuell 2600 Stellen. Politiker und Finanzwissenschaftler sind alarmiert, die Gewerkschaft fürchtet um das Image und die Existenz der Bank.

Angesichts der Teilzeitquote seien voraussichtlich etwa 700 Menschen betroffen, sagt Berthold Bose, Landesbezirksleiter Hamburg der Gewerkschaft Ver.di. „Für die Beschäftigten ist das eine Katastrophe“, sagt Bose: „Sie haben gerade in der jüngsten Zeit darauf vertraut, dass ihr Arbeitgeber zu ihnen hält.“ Der Gewerkschaftsfunktionär, der jahrelang im Aufsichtsrat der Landesbank saß, hält den Abbau für „sehr riskant“, denn man könne eine Bank auch „kaputtsparen“. Bei den jetzt angekündigten Streichungen handele es sich bereits um die dritte große Abbaurunde. „Es sind nur noch Leistungsträger da“, sagt Bose. „Man kann auf niemanden mehr verzichten, ohne gleichzeitig das Geschäft einzuschränken.“

Zudem laufe der Vorstand Gefahr, mit dem drastischen Personalabbau dem Image des Instituts zu schaden: „Das hat etwas mit dem Ansehen in der Region zu tun. Es ist kein gutes Signal an die Unternehmenskunden.“ Nachdem die HSH durch Fehlspekulationen im Zuge der Finanzkrise an den Rand des Zusammenbruchs geraten war und nur durch eine Kapitalspritze und Garantien der Hauptanteilseigner Hamburg und Schleswig-Holstein gerettet werden konnte, versucht das Geldhaus, sich mit dem Slogan „Bank für Unternehmer“ als Mittelstandsfinanzierer in Norddeutschland zu etablieren.

Doch musste Constantin von Oesterreich nun in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ Schwächen im Firmenkundengeschäft einräumen: „Da haben wir nicht das erreicht, was wir wollten“, sagte er, immerhin aber habe die HSH „mehr bekommen als die anderen“. Zwar wächst das Neugeschäft der Bank nach eigenen Angaben im Vergleich zum Gesamtmarkt derzeit überproportional stark. Dies beruht jedoch vor allem auf neu abgeschlossenen Immobilienfinanzierungen für gewerbliche Kunden. „Das neue Geschäftsmodell funktioniert nicht so gut, wie es muss“, sagt dazu Roland Heintze, haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion: „Als ‚Bank für Unternehmer‘ liegt die HSH deutlich hinter dem Plan zurück.“ Heintze hält es für wenig aussichtsreich, sie als „die hundertste Mittelstandsbank“ positionieren zu wollen: „Ich glaube nicht an dieses Geschäftsmodell. Es muss nachgebessert werden.“

Von dem neuen Stellenabbauplan sei er überrascht worden, erklärt der Politiker: „In keiner Ausschusssitzung kam das auch nur ansatzweise zur Sprache.“ Heintze wirft dem Senat vor, die Landesbank an einer zu langen Leine zu lassen. Dem Senat fehle im Hinblick auf die HSH eine Strategie, die zum Standort Hamburg passt. Diese Strategie könne sich auf die Position der Landesbank als weltweit führender Schiffsfinanzierer stützen. „Es gibt im Norden einen Bedarf nach maritimen Finanzierungen“, so Heintze. Er kann sich die HSH als „Spezialbank für den maritimen Sektor“ vorstellen, entweder im Alleingang oder stärker verzahnt mit der Nord/LB aus Hannover. Auch für Thomas-Sönke Kluth, den wirtschaftspolitischen Sprecher der FDP-Fraktion in der Bürgerschaft, kamen die neuen Sparpläne nach eigenen Worten völlig überraschend. Eine mögliche Erklärung für den Sparzwang seien „unheilvolle Signale aus Brüssel“ im Rahmen des laufenden EU-Beihilfeverfahrens, das nach der Aufstockung der Ländergarantien auf zehn Milliarden Euro im Jahr 2013 eingeleitet worden war. Kluth hält es für „nicht ausgeschlossen, dass die EU das Geschäftsmodell der HSH Nordbank infrage stellt.“ Daher erneuerte der FDP-Politiker seine Forderung nach einem „Plan B“ für die Landesbank: „Der Senat muss auf den Fall einer geordneten Abwicklung vorbereitet sein.“ Die Finanzbehörde äußerte sich zu den neuen Sparplänen nicht.

Wie Heintze kritisiert auch Kluth die Geschäftspolitik des Unternehmens. Mit dem massiven Ausbau der Immobilienfinanzierung sei der Vorstand dabei, „ein neues Klumpenrisiko aufzubauen – und das in einer Zeit, in der vor einer Immobilienpreisblase gewarnt wird“. Darüber hinaus betreibe die Bank „Bilanzkosmetik“, so Kluth: „Mit positiven Ergebnissen wird suggeriert, dass die Bank auf einem guten Weg ist.“ Tatsächlich seien die Gewinne des ersten Halbjahres nicht das Resultat eines gut funktionierenden operativen Geschäfts: „Sie kamen zustande, weil Hamburg und Schleswig-Holstein auf Forderungen gegen die Bank verzichteten, damit die Kapitalquote nicht unter einen kritischen Wert fällt.“

Auch nach Auffassung von Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen der Uni Hohenheim, könnte sich die Zukunft der HSH in Brüssel entscheiden. „Die EU steht dem deutschen Bankensystem äußerst skeptisch gegenüber“, so Burghof, und das gelte erst recht für öffentliche Institute wie die Landesbanken. Den Beleg dafür liefere das Schicksal der WestLB, die auf Druck der EU geschlossen wurde.

„Die WestLB hat die Geduld der Brüsseler überstrapaziert“, sagt Burghof. „In diese Situation sollte die HSH nicht kommen. Wenn sie noch einmal in nennenswertem Umfang Beihilfen bräuchte, würde sie abgewickelt.“