Unternehmensleitung informiert Betriebsrat über Pläne: Auch Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld sollen wegfallen

Essen/Hamburg. Es ist ein Schreiben, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt: „Die Unternehmensleitung hat uns ein Paket an Grausamkeiten vorgelegt“, heißt es in einem internen Informationsblatt, das Gesamtbetriebsrat und Wirtschaftsausschuss der angeschlagenen Warenhauskette Karstadt am 5. November herausgegeben haben und das dem Abendblatt vorliegt. Detailliert werden darin die Sanierungsmaßnahmen beschrieben, auf die sich die krisengeplagten noch rund 17.000 Beschäftigten des Unternehmens in den kommenden Monaten einstellen müssen.

„Dies ist kein Sanierungsprogramm, sondern ein Kahlschlag und ein Frontalangriff auf alle Beschäftigten“, schreiben die Unterzeichner des Papiers, zu denen unter anderem Karstadt-Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt gehört. Ein Karstadt-Sprecher lehnte jeden Kommentar zu den Sparplänen ab.

Laut Schreiben sind Einsparungen von Personalkosten in Höhe von umgerechnet 1950 Vollzeitstellen in der Essener Kette vorgesehen. Unter Berücksichtigung der Teilzeitquote komme man sogar auf rund 3000 Kollegen, heißt es in der Informationsschrift weiter. Insgesamt stünden nun alle Filialen und nicht nur die bisher bekannten sechs von der Schließung betroffenen Häuser auf dem Prüfstand.

Erst vor wenigen Wochen hatte Unternehmenschef Stephan Fanderl angekündigt, die Warenhäuser in Hamburg-Billstedt und in Stuttgart, sowie ein Schnäppchencenter und zwei sogenannte K-Town-Märkte dichtzumachen, die sich an besonders modeaffine, junge Kunden richten sollten. 80 Beschäftigte müssen daher Mitte nächsten Jahres allein in der Hansestadt gehen, insgesamt sind es 331.

In der Essener Hauptverwaltung, intern „Service-Center“ genannt, dürfte mehr als jeder vierte Arbeitsplatz zur Disposition gestellt werden. Noch härter trifft es laut Betriebsrat den Internetshop karstadt.de, der mit dem Abbau von 90 Prozent aller Stellen quasi aufgelöst werden soll. Nach früheren Angaben gibt es Überlegungen, das Geschäft outzusourcen, also künftig von einem externen Dienstleister betreiben zu lassen.

Zur Senkungen der Kosten will die Geschäftsführung um Karstadt-Chef Fanderl offenbar auch in radikaler Weise an die Gehälter und Arbeitszeiten der Angestellten herangehen. Das Informationsschreiben des Betriebsrats listet hier sowohl die Streichung des Urlaubs- als auch des Weihnachtsgeldes ab 2015 auf sowie den Verzicht auf weitere Tariferhöhungen. Zudem soll eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 auf 40 Stunden geplant sein.

Strukturveränderungen in den Filialen sehen unter anderem die Einrichtung von Selbstbedienungszonen, Ausbau der Teilzeitbeschäftigung sowie die Reduzierung der Abteilungsleiter vor. Auch plant Karstadt-Chef Fanderl offenbar, mehr Flächen als bisher fremd zu vermieten.

Die Gewerkschaft Ver.di kündigte umgehend Widerstand gegen die Kürzungspläne an. „Es kann nicht sein, dass man bei Karstadt einerseits den Kunden in den Mittelpunkt stellen will und andererseits das Personal immer weiter zusammenstreicht“, sagte der Hamburger Arno Peukes, der für die Gewerkschaft im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzt. „Sollte es so kommen, dann stehen die Kunden irgendwann ganz allein in den Filialen.“ Eine Zukunft könne die Kette nur zusammen mit den Mitarbeitern haben und nicht gegen sie.

Die Verhandlungen über das Sparpaket sollen laut Betriebsrat am 12. November beginnen. Fünf Tage später werden die Tarifgespräche mit der Gewerkschaft fortgesetzt, bei denen es allerdings schwerpunktmäßig um die Situation in den sogenannten Premiumhäusern von Karstadt gehen soll, zu denen unter anderem auch das Hamburger Alsterhaus gehört.

Karstadt hat nach früheren eigenen Angaben auch im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr 2013/14 rote Zahlen geschrieben. Gleichzeitig gingen die Umsätze zurück. Das Unternehmen habe seit der Insolvenz im Jahr 2009 fast 30 Prozent seiner Kundschaft im Alter zwischen 35 und 50 Jahren sowie bei den über 55-Jährigen verloren, klagte Chef Fanderl. Mehr als jede vierte Filiale verdiene kein Geld. Einige seien sogar „dunkelrot“.

Fanderl gibt sich selbst drei Jahre Zeit, um wieder auf ein akzeptables Ergebnisniveau zu kommen. Der Vertraute von Karstadt-Eigentümer René Benko hatte Ende Oktober den Chefposten in der Warenhauskette übernommen.