Kilo für 44 Cent im Angebot. Obstbauern fürchten um ihr Geschäft und wollen weniger Ware an den Handel liefern

Hamburg. Für die Bauern im Alten Land sind das schreckliche Botschaften: Ein Discounter hat diese Woche das Kilogramm Äpfel für 44 Cent im Angebot. Da wirkt das Angebot eines anderen Supermarkts geradezu teuer dagegen: Drei Kilo norddeutsche Tafeläpfel für 1,95 Euro, das macht immerhin einen Kilopreis von 0,65 Euro.

Aber auch dieses Angebot ist für die Erzeuger viel zu niedrig, zumal sie sich mit deutlich geringeren Abgabepreisen abfinden müssen. „Sie müssen ihre Ware zum Teil 50 Prozent unter den Produktionskosten an den Einzelhandel liefern“, sagt Helwig Schwartau von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) dem Abendblatt.

Doch die Bauern wollen das jetzt nicht länger hinnehmen. Die Äpfel sollen so lange in den Lagern verbleiben, bis sich wieder auskömmliche Preise erzielen lassen „Ich weiß von vielen Kollegen, die so denken“, sagt Obstbauer Peter Giese aus Steinkirchen. Das betrifft vor allem gefragte Sorten wie Elstar oder Jonagold, die eine Leitpreisfunktion haben. „Ich Durchschnitt muss ich mindestens 30 Cent pro Kilogramm bekommen“, sagt Giese. Der Handel nutze die Situation auch aus.

Denn bisher mussten in der Obstanbauregion Niederelbe möglichst viele Äpfel schnell verkauft werden, denn die Lager reichen für die gesamte Erntemenge gar nicht aus. „Selbst die Kisten wurden knapp“, sagt Obstbäuerin Martina Matthies aus dem Alten Land. Obstbauer Jan-Hinrich Feindt aus Jork erhielt das Angebot, Drei-Kilo-Taschen mit Äpfeln für den Handel zu packen. Nur 39 Cent sollte er dafür bekommen. Das hat er abgelehnt.

„Bisher wurden 50.000 bis 60.000 Tonnen schon zu sehr niedrigen Preisen verkauft“, sagt Matthias Görgens, stellvertretender Leiter der Obstbauversuchsanstalt Jork. Aber das sei eine Momentaufnahme. „Abgerechnet wird erst, wenn die nächste Ernte beginnt. Bis dahin können die Preise auch wieder steigen.“ Im vergangenen Jahr erhielten die Bauern rund 50 bis 60 Cent pro Kilogramm, da die Ernte sehr gering ausfiel.

Die Verbraucher können sich in diesem Jahr über ein riesiges Apfelangebot zu niedrigen Preisen freuen. Je nach Sorte und Angebotsform liegt der Preis im Einzelhandel zwischen rund 0,50 und 1,99 Euro, während im Vorjahr die Preisspanne 1,00 bis 2,50 Euro betrug. Gleichzeitig haben die Früchte eine hervorragende Qualität. „Da stimmt einfach alles von der Farbe über den Zucker-Säure-Gehalt bis zum Geschmack“, sagt Schwartau. Rund 17 Kilogramm Äpfel essen die Deutschen pro Jahr. „Doch niedrige Preise steigern den Konsum nur bis zu einer bestimmten Grenze“, sagt Schwartau.

Für die Obstbauern im Alten Land wird die größte Ernte seit 2007 zum Problem. Die letzten Äpfel werden in diesen Tagen gepflückt. „Der Südtiroler Sommer hat für eine außerordentliche Menge und hohe Qualität gesorgt“, sagt Görgens. Die bisher prognostizierte Gesamtmenge von 334.000 Tonnen in der Obstbauregion Niederelbe muss sicherlich noch etwas nach oben angehoben werden. Das sind 80 Prozent mehr als im schlechten Erntejahr 2013.

Gemessen an einer durchschnittlichen Ernte bleibt immer noch ein Plus von elf Prozent. Jonagold, Elstar und Braeburn sind die am häufigsten angebauten Sorten. Eine neue Prognose will Görgens noch nicht wagen. „Erst jetzt werden die Bestände in den Lagern erfasst“, sagt er. „Bis die endgültige Erntemenge feststeht, wird es noch etwas dauern.“ Manche Experten halten insgesamt rund 360.000 Tonnen für möglich. Dann wäre sogar die Rekordernte mit 350.000 Tonnen aus dem Jahr 2007 übertroffen.

In der Elbe-Obst Vertriebsgesellschaft aus dem Alten Land, die den Lebensmitteleinzelhandel beliefert, laufen die Abpackstationen in diesen Tagen auf Hochtouren. „Wir packen und liefern so, wie das der Handel wünscht – vom Selbstbedienungsgebinde bis zu Aktionskörben“, sagt Geschäftsführer Frank Döscher. „Allein in der vergangenen Woche haben wir 6000 Tonnen vermarktet“, sagt Geschäftsführer Frank Döscher. „Im Moment drängt sehr viel Ware auf den Markt, die Preise richten sich nach Angebot und Nachfrage.“

Denn nicht nur im Alten Land war die Ernte gut, sondern auch in anderen Anbaugebieten in Europa. Russlands Importverbot für Obst und Gemüse aus Polen verschärft die Lage zusätzlich. Der Anteil Altländer Äpfel, die früher nach Russland geliefert wurden, ist mit 6000 bis 7000 Tonnen im Jahr nicht sehr groß. Das lässt sich verschmerzen. „Wir suchen nach anderen Absatzmärkten in Europa“, sagt Döscher. Mit einem Exportanteil von acht bis zwölf Prozent ist der Exportanteil aber eher noch gering. „Schwerer wiegt, dass 700.000 Tonnen polnische Äpfel, die für Russland bestimmt waren, jetzt auch noch auf den europäischen Markt drängen“, sagt Döscher. In Deutschland haben die polnischen Äpfel allerdings keine Chance. Dennoch sorgt das Überangebot in Europa für einen großen Preisdruck.

Nachdem die ersten Mengen verkauft sind, rechnet Schwartau damit, dass der Markt wieder in normale Bahnen kommt und die Preise für die Obstbauern zumindest etwas steigen. „Der ganz große Druck ist weg.“ Die Kunden können aber weiterhin mit niedrigen Preisen rechnen. Nur die Zahl der Sonderangebote werde sinken.