Kritiker bemängelt Defizit an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Berlin. In der Lokführergewerkschaft GDL wächst offenbar der Widerstand gegen den Vorsitzenden Claus Weselsky. Der Sprecher der Initiative für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der GDL, Volker Siewke, warf der Führung um Weselsky im Deutschlandfunk Versäumnisse vor. Zwar habe die GDL grundsätzlich vereinbart, nicht nur für die Lokführer, sondern für das gesamte Zugpersonal verhandeln zu wollen. Allerdings habe es die Führung in der Vergangenheit versäumt, den Organisationsgrad unter den Zugbegleitern zu erhöhen. Siewke forderte den Rücktritt des GDL-Chefs.

Die GDL hatte zuletzt am vorvergangenen Wochenende mit einem 50-stündigen Ausstand den Personen- und Güterverkehr lahmgelegt, bis zum 2.November gilt nun erst einmal eine Streikpause. Die Gewerkschaft fordert unter anderem fünf Prozent mehr Lohn und eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Bei dem Streik geht es aber auch darum, dass die GDL mit der Bahn über sämtliche Berufsgruppen verhandeln will – nicht nur über die Lokführer. Für andere Beschäftigte, zum Beispiel Zugbegleiter und Mitarbeiter der Bordrestaurants, war bislang die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zuständig.

Deutscher Beamtenbund hat Streikhilfe für GDL bisher nicht ausgezahlt

Weselsky und der ihm unterstellte GDL-Hauptvorstand hätten es versäumt, in den einzelnen Berufsgruppen der Bahn die „Organisationsmehrheit“ herzustellen, kritisierte Siewke. Diese jetzt „quasi mit einem Erzwingungsstreik zu fordern, das kritisieren viele Mitglieder vor Ort an ihrem GDL-Bundesvorsitzenden“. Siewke warf Weselsky vor, eher seine eigenen politischen Machtstrategien zu verfolgen als die Interessen der Belegschaft. „Ein gewisses Maß an Autorität“ gehöre zwar immer dazu in einem „exponierten Amt“. Aber es sei genauso wichtig, sich an „Demokratie und Rechtstaatlichkeit“ zu orientieren. Dies seien Werte, die in der GDL „im Augenblick in Verlust geraten sind“.

Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert unterdessen von der GDL die Aufklärung von Vorwürfen, bei der Urabstimmung zum Bahnstreik sei es zu Unstimmigkeiten gekommen. Die GDL dürfe Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bahnstreiks „nicht aussitzen“, sagte Pro-Bahn-Sprecher Gerd Aschoff der „Bild am Sonntag“. Der Deutsche Beamtenbund (DBB), zu dem die GDL gehört, hat die von der GDL beantragte Streikhilfe weiter nicht ausgezahlt. Prüfung und Abrechnung liefen noch, hieß es. Die GDL hatte Vorwürfe vehement zurückgewiesen, wonach bei der Urabstimmung über Streiks die erforderliche Mindestzustimmung von 75 Prozent nicht erreicht worden sei.

Auch mit EVG liegt die GDL weiter im Streit. „Wer behauptet, Mehrheiten zu haben, sich aber der Transparenz verweigert, ist unglaubwürdig“, sagte EVG-Chef Alexander Kirchner. Die EVG wollte notariell prüfen lassen, welche Gewerkschaft in welchen Berufsgruppen die meisten Mitglieder hat, um dann – je nach Berufsgruppe – der Organisation mit den meisten Mitgliedern die Federführung bei den Tarifverhandlungen zu überlassen. Die Lokführergewerkschaft lehnte dies mit Verweis auf die Tarifpluralität ab.