Franzose erhält Nobelpreis für Wirtschaft für seine Forschung über das Verhalten von Oligopolen – wie in der Internetbranche

Stockholm. Erstmals seit 15 Jahren sind US-Amerikaner bei der Verleihung des Nobelpreises für Wirtschaft leer ausgegangen. Für seine Forschungen über Marktmacht und Regulierung erhält der französische Ökonom Jean Tirole dieses Jahr die Auszeichnung. Der 61-Jährige habe gezeigt, wie Industrien mit nur wenigen Großunternehmen – zum Beispiel der Bahn, Post oder Telekommunikation – verstanden und reguliert werden könnten, teilte die Königlich-Schwedische Akademie in Stockholm mit. „Ich bin sehr, sehr dankbar“, sagte Tirole über die Ehrung.

„Der diesjährige Preis handelt vom Zähmen mächtiger Firmen“, sagte der Ständige Sekretär der Wissenschaftsakademie, Staffan Normark. Dabei geht es zum Beispiel um das Verhalten dieser Unternehmen in Oligopolen – also Märkten, in denen oft nur eine Handvoll dominanter Anbieter einer großen Menge von Nachfragern gegenübersteht. Damit Firmen, die gar keine oder nur wenige große Wettbewerber haben, ihre Macht nicht ausnutzen und etwa Preisabsprachen treffen, „darf die Regierung sie nicht einfach frei walten lassen“, sagte Per Strömberg, Mitglied des Stockholmer Komitees. „Tirole hat Wege erforscht, den Wettbewerb in diesen Märkten auf die absolut beste Art und Weise zu regulieren“ – und zwar nicht mit einer Lösung für alle.

Stattdessen müssten mächtige Firmen in unterschiedlichen Märkten auch unterschiedlich reguliert werden. Das habe der Franzose nicht nur theoretisch erforscht. „Er findet auch Lösungen“, sagte Strömberg. Seine Erkenntnisse nützten Wettbewerbsbehörden weltweit, wenn diese etwa über Preisdumping oder Fusionen entscheiden müssten. Genau angesehen hat sich der Franzose, wie sogenannte zweiseitige Märkte reguliert werden können. Das betrifft Branchen wie Medien, Kreditkarten oder soziale Netzwerke, bei denen zwei Gruppen eine Plattform nutzen – bei einer Tageszeitung etwa Leser und Werbekunden.

„Tirole hat gezeigt, dass man bei diesen Plattformmärkten nicht in derselben Weise über Wettbewerb – und was dafür gut oder schlecht ist – nachdenken kann wie in den traditionellen Märkten“, sagte Juror Strömberg. In der Medien- und Internetbranche sorgt derzeit vor allem die Marktmacht von US-Konzernen wie Google oder Amazon für Diskussionen.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) würdigte die Arbeit des Wirtschafts-Nobelpreisträgers, die „mit der Entstehung neuer dominierender Unternehmen in der digitalen Wirtschaft an Bedeutung“ gewinne. „Wir verdanken ihm Empfehlungen für eine Regulierung, die nicht pauschalen Regeln folgt, sondern speziell auf die Voraussetzungen der unterschiedlichen Märkte ausgerichtet ist.“

Die Jury nannte Tirole „einen der einflussreichsten Ökonomen unserer Zeit“. Er ist nach Maurice Allais (1988) und Gérard Debreu (1983) der dritte Franzose, der den begehrten Preis bekommt. Er lehrt an der Universität Toulouse. Zu Tiroles Arbeitsschwerpunkten gehören industrielle Organisation, Banken- und Finanzwesen sowie psychologische Aspekte der Wirtschaftswissenschaft. 2011 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Uni Mannheim.

Die Auszeichnung sei für ihn „eine große Überraschung“ gewesen, sagte Tirole. „Man ist selbst kein guter Richter über die eigenen Arbeiten. Deswegen ist das nichts, womit ich gerechnet habe.“ Die Auszeichnung werde keinen Wandel für ihn bringen. Er möge die Formen seiner Forschung und die Arbeit mit Freunden und Studenten, sagte er: „Ich hoffe, da wird sich nicht viel verändern.“