Hamburg. Nach der Vertagung der Entscheidung über die Elbvertiefung ist die Ernüchterung bei vielen Politikbeobachtern groß. Der Beschluss des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts, vor einem Urteil auf Präzisierungen des Europäischen Gerichtshofs zum europäischen Gewässerrecht zu warten, wirft erneut ein Schlaglicht auf die langen Entscheidungswege, die gerade im Norden zu einem immensen Investitionsstau geführt haben.

Für Elmar Wiesendahl, bis 2010 Direktor und Leiter des Fachbereichs Sozialwissenschaften an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg und heute Geschäftsführer der Agentur für Politische Strategie, gibt es keine einfache Lösung bei der Planung großer Infrastrukturvorhaben: „Die Politik steht vor einem Dilemma und stößt an ihre Grenzen. Entweder, es werden faule und unsachgemäße Kompromisse akzeptiert, um ein Gerichtsverfahren zu verhindern. Oder es muss der lange Weg durch alle Instanzen gegangen werden – mit dem Ergebnis, dass Baumaßnahmen zu spät umgesetzt werden können oder sich die Rahmenbedingungen schon wieder geändert haben“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Interessensverbände würden dank des Verbandsklagerechts häufig nur die Anliegen ihrer Mitglieder vertreten, aber nicht der Mehrheit der Bevölkerung. Schon das Hinauszögern von Entscheidungen sehen sie als Erfolg. „So kommt es zu einem großen Investitionsstau, die Souveränität des Staates ist da schon längst nicht mehr gegeben.“

Professor Ulrich Karpen, emeritierter Professor für Rechtswissenschaften in Hamburg, verweist auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das die überlangen Verfahrensdauern in Deutschland als „strukturelles Problem“ kritisierte. Auch der einstige CDU-Bürgerschaftsabgeordnete beklagt, dass sich generell die Verbände oftmals verselbstständigt hätten. „Sie springen bei fast jeder geplanten Infrastrukturmaßnahme auf und klagen, das ist fast zu einer Art Selbstzweck geworden und nicht immer im Sinne der Sache.“ Dass die Entscheidung zu einem europäischen Gericht verwiesen wurde, hält er aber für richtig, denn es seien viele Fragen betroffen, die wesentlich durch europäisches Recht geregelt werden.