Reaktionen auf Entscheidung zur Elbvertiefung in Leipzig: Bürgermeister und Wirtschaftssenator zeigen Zweckoptimismus. Die Opposition übt Kritik

Hamburg. Nach der Verkündung des Bundesverwaltungsgerichts, die Entscheidung über die Elbvertiefung zu vertagen, saß die Enttäuschung bei den Planungsverantwortlichen tief. Sie hatten damit gerechnet, dass die Leipziger Richter den Weg für die Baggerarbeiten frei machen. Stattdessen rufen sie nun den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg an. Während in den zuständigen Behörden erste Schritte zur Behebung der Mängel in den Planungsunterlagen vorbereitet wurden, übten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) Zweckoptimismus. Ihre Gesichter zeigten anderes: Die Entscheidung des Gerichts hatte die Politiker kalt erwischt. Zumal die Opposition damit droht, das Thema im Bürgerschaftswahlkampf ausschlachten zu wollen.

Immerhin war der Ort, an dem sich Scholz und Horch den kritischen Fragen der Öffentlichkeit stellten, gut gewählt: Eingerahmt von den Figuren „Gnade“ und „Gerechtigkeit“ im Rathaus traten beide wenige Stunden nach der Entscheidung in Leipzig mit ernster Miene aus den Senatsräumen. „Gott mit uns“ steht über dem Torbogen, unter dem sich der Bürgermeister und der Wirtschaftssenator aufstellten. „Wir hätten uns eine andere Entscheidung erhofft“, sagte Scholz. Gleichwohl hoffe er weiter auf eine „gute Entscheidung“.

Zugleich legte der Bürgermeister schon einmal die Argumentationsrichtung der Stadt vor dem EuGH fest: Scholz sagte, dass es sich bei der Auslegung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie um eine „schicksalhafte“ Frage für viele Städte in Europa gehe. Diese hätten sich wie Hamburg an Flüssen angesiedelt, hier wären Kulturlandschaften entstanden und Industrie aufgebaut worden. „Und die Frage ist, ob die Städte diesen Lebensraum weiter nutzen können“, sagte Scholz.

Niedersachsen fordert eine norddeutsche Hafenkooperation

Wirtschaftssenator Horch, der von dem Leipziger Richterspruch persönlich betroffen schien, hob noch einmal die Bedeutung des Hamburger Hafens für den deutschen Export hervor. Im Hinblick auf die Wettbewerbssituation mit anderen Häfen wie Rotterdam sei die Entscheidung des Gerichts nicht förderlich. „Wir haben eine Verzögerung vor uns, glauben aber weiterhin, dass wir inhaltlich recht bekommen“, sagte er. Das Bundesverwaltungsgericht habe ausdrücklich festgestellt, dass alle sonstigen Fragen nicht zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse führen würden.

Horchs niedersächsischer Kollege, Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), bezeichnete es hingegen als einen „Fehler“, jetzt nur auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes zu warten. Er plädierte erneut für eine norddeutsche Hafenkooperation. „Völlig unabhängig vom ungewissen Ausgang der Verfahren brauchen wir eine intensivere Kooperation der norddeutschen Seehäfen“, sagte Lies.

Dem schloss sich die Linksfraktion in der Bürgerschaft an. „Das ist kein Hafenuntergang“, sagte deren hafenpolitischer Sprecher Norbert Hackbusch. Hamburgs Hafen sollte sich „auf seine Stärken besinnen“ und schon jetzt an Lösungen im Rahmen einer Hafenkooperation arbeiten. Der Konkurrenzkampf Hafen gegen Hafen sei nicht mehr zeitgemäß, so Hackbusch. Andere Teile der Opposition warfen dem Senat Versagen vor. „Schwerwiegende Mängel in dem von Olaf Scholz verantworteten Planungszeitraum führen jetzt zum Stopp der Elbvertiefung“, sagte der Fraktionschef und designierte Bürgermeisterkandidat der CDU für die Bürgerschaftswahl, Dietrich Wersich. Er sprach von einem „Desaster“ für den Hamburger Hafen und die ganze Wirtschaft. Der SPD-Senat habe es verschlafen, eine erfolgreiche Strategie gegen die Klage der Naturschutzverbände zu entwickeln, sagte die Fraktionsvorsitzende der FDP, Katja Suding. „Bürgermeister Scholz und Wirtschaftssenator Horch müssen sich angesichts dieser Katastrophe mit Ansage fragen lassen, ob sie ihren Amtseid des Handelns zum Wohle Hamburgs nicht verletzt haben.“ Scharf war aber auch Sudings Kritik an den Umweltverbänden. „Nabu und BUND führen gegen jede Vernunft mit juristischen Mitteln einen ideologischen Feldzug gegen den Hamburger Hafen, seine Unternehmen und Beschäftigten.“

Der SPD-Fraktionschef im Rathaus, Andreas Dressel, wies die Kritik am Senat zurück. Anders als die Umweltverbände geht er davon aus, dass die Verzögerungen nur kurz sein werden. „Wir setzen jetzt auf eine rasche Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof, sodass wir im nächsten Frühjahr endlich Planungssicherheit haben.“

Kritik an der EU kam hingegen vom Präsidenten des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz. Eine Grundsatzentscheidung zur Auslegung ihrer Wasserrahmenrichtlinie sei unumgänglich. „Dies ist ein deutlicher Beleg dafür, dass das Planungsrecht auch auf europäischer Ebene zu komplex und handwerklich unsauber ausgestaltet ist“, sagte Bonz.

Weniger zurückhaltend reagierten andere Wirtschaftsverbände wie der Industrieverband Hamburg, die Jungen Unternehmer oder der Verein Hamburger Spediteure. Sie sprachen von einem herben Rückschlag mit fatalen Folgen für den Standort Hamburg. Wegen der „beispiellosen juristischen Hängepartie“ seien viele Unternehmen gezwungen, wichtige Investitionen aufzuschieben, bis Klarheit zur Zukunft des Hafenstandorts herrsche, hieß es.

Und Christian Koopmann, Vorsitzender des Zentralverbands deutscher Schiffsmakler, meinte: „Leider geht von der heutigen Entscheidung in erster Linie das Signal an die überwiegend ausländische Hafenkundschaft aus, dass infrastrukturelle Großprojekte in Deutschland nur sehr schwer realisierbar sind. Das wird in den Unternehmenszentralen auf der ganzen Welt sehr genau wahrgenommen.“

Völlig anders war die Stimmung bei den Gegnern der Elbvertiefung. Sie sehen sich in ihrer Auffassung bestätigt, dass die Planer der Elbvertiefung wichtige Vorschriften des Umweltrechts missachtet haben. „Es ist ein Zwischenerfolg für die Elbe und für den Gewässerschutz in ganz Deutschland“, sagte der Hamburger Geschäftsführer des Bundes Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Manfred Braasch. „Man kann nicht Maßnahmen zur Standortsicherung, die sowieso nötig sind, als Ausgleichsmaßnahmen in das Planverfahren aufnehmen. Das sieht das Gericht ebenso wie wir.“ Der Stadtdirektor von Otterndorf (Kreis Cuxhaven), Harald Zahrte, betonte: „Es zeigt, dass die Richter die erheblichen Bedenken aus der Region würdigen.“

Besonders betroffen sind die Hafenfirmen. So hatte die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) in der Vergangenheit ihre wirtschaftliche Zukunft an den Ausgang der Entscheidung über die Elbvertiefung geknüpft. Ihre Aktie brach nach dem Richterspruch um mehr als vier Prozent ein. „Unabhängig von der Entscheidung des Gerichts werden wir unsere Anstrengungen konsequent weiterverfolgen, die Abfertigungseffizienz an unseren Anlagen noch weiter zu steigern“, sagte HHLA-Chef Klaus-Dieter Peters.