Zalando ist an der Börse. Zunächst schoss der Aktienkurs nach oben, dann brach er ein. Ein Papier für Zocker?

Frankfurt/Hamburg. Ohne den üblichen Schlachtruf ging es natürlich nicht: Noch bevor die Chefs des Internethändlers Zalando am Mittwochmorgen die Börsenglocke auf dem Parkett in Frankfurt läuteten, ertönte der „Schrei vor Glück“ aus den Saallautsprechern. Konfetti-Kanonen ploppten auf und es regnete unzählige rote, grüne und violette Schnipsel. Kurz darauf bejubelten die Vorstände die Erstnotiz des Onlineunternehmens: 24,10 Euro leuchtete auf der Börsentafel auf – immerhin zwölf Prozent oberhalb des Ausgabepreises.

Schon zuvor waren die Chefs ihrem Ruf gerecht geworden und hatten den Frankfurter Börsensaal mit Pumps, Postboten und jeder Menge schlanker Models in eine Mischung aus Laufsteg und Logistikzentrum verwandelt. Mitarbeiter verschenkten schwarz-weiße Pakete mit Flip-Flops – dem ersten Produkt, das das Start-up-Unternehmen 2008 verkauft hatte.

Nach der recht ordentlichen Erstnotiz der Zalando-Aktie war die Party allerdings erst einmal vorbei. Binnen weniger Minuten fiel der Kurs steil ab, erholte sich am Nachmittag zwar wieder, schloss am Ende aber exakt auf dem Ausgabepreis von 21,50 Euro. Kein rechter Grund für Anleger, um vor Glück zu schreien, wie es das Zalando-Werbemotto will. Dabei hatte das Unternehmen Anfang der Woche noch für eine Überraschung gesorgt, als es die Preisspanne von 18 bis 22,50 Euro nicht voll ausschöpfte. „Richtig Glück haben nur die Anleger gehabt, die Zalando-Aktien bekommen haben und sie heute morgen direkt wieder verkauft haben“, resümierte ein Händler nüchtern.

Die drei Zalando-Vorstände Rubin Ritter, 32, David Schneider, 32, und Robert Gentz, 31, waren am Mittwoch trotzdem in Feierlaune. Die Börsenglocke zu läuten, das sei ein „einmaliger Moment“ gewesen, sagte David Schneider, der den Online-Modehändler vor sechs Jahren mitgegründet hatte. Damals hatten er und sein heutiger Vorstandskollege Gentz aus einem Keller in Berlin-Mitte heraus angefangen, die ersten Produkte über das Internet zu verkaufen. „Dass wir heute hier stehen würden, haben wir uns damals sicher nicht ausgemalt“, sagte er. Nach dem Spektakel an der Börse wollten sich die Vorstände bald wieder auf den Heimweg machen – um mit den Mitarbeitern in Büros und Logistikzentren zu feiern. Danach, so Schneider, gehe dann das normale Geschäft weiter.

„Das letzte Mal, dass auf dem Parkett mehr Journalisten als Händler waren, war während der Euro-Krise“, sagte Robert Halver von der Baader Wertpapierhandelsbank. „Bei einem Börsengang habe ich das zuletzt bei der Telekom in den 90er-Jahren erlebt.“ Er glaube nicht, dass mit Zalando und der Schwesterfirma Rocket Internet, die am heutigen Donnerstag an die Börse geht, die Grundlage für eine deutsche Internet-Blase gelegt werde. „Der Vergleich mit dem Neuen Markt ist Quatsch. Wir haben so lange gewartet auf Börsengänge. Das ist ein Zeichen für die Rückkehr einer Aktienkultur.“

Auch Zalando-Mitgründer Gentz will nichts von einem neuen „Neuen Markt“ wissen. „Wir bieten den Kunden einen echten Mehrwert. Und für die ewigen Zweifler haben wir zuletzt auch Profit ausgewiesen“, sagte er. Allerdings waren es gerade einmal 200.000 Euro Gewinn, die unter dem Strich im ersten Halbjahr zu Buche standen. An der Börse ist das Unternehmen mit seinen rund 7000 Mitarbeitern hingegen gut fünf Milliarden Euro wert.

Einige Experten warnen: „Nie im Leben“ würde er Aktien von Zalando oder Rocket kaufen, sagte ein deutscher Großinvestor, der täglich über Milliarden entscheidet. „Zalando schreibt kaum Gewinne und wird trotzdem mit dem Vierfachen des Umsatzes bewertet. Die Logik dahinter verstehe ich nicht ganz.“ Beim Börsengang des chinesischen Online-Konzerns Alibaba vor wenigen Tagen hätte er dagegen gerne zugegriffen.

Auch die Aktionärsvereinigung DSW warnt Kleinanleger vor Zalando und Rocket. „Das ist nichts für sicherheitsbewusste Privatanleger“, sagte DSW-Vizepräsident Klaus Nieding. „Es ist ein spekulatives Investment.“

Zalando fließen mit dem Börsengang 605 Millionen Euro zu, die in den weiteren Ausbau des Geschäfts investiert werden sollen. Platziert wurden rund elf Prozent der Anteile. Die Altaktionäre – allen voran der schwedische Investor Kinnevik und die Berliner Internet-Investoren Oliver, Marc und Alexander Samwer – geben beim Börsengang keine Aktien ab.

Kinnevik und die Samwers sind auch die größten Aktionäre beim nächsten Börsenneuling: Rocket Internet will an der Börse 1,6 Milliarden Euro einsammeln. Das Unternehmen wäre dann insgesamt mehr wert als die Lufthansa, die auf eine Marktkapitalisierung von 5,6 Milliarden Euro kommt.

Aktionärsschützer Nieding hält das für absurd und fühlt sich an die Jahrtausendwende erinnert, als die Kurse defizitärer Internet- und IT-Firmen durch die Decke gingen. „Bei der Lufthansa haben sie Flugzeuge, die sie anfassen können, und ein Geschäftsmodell, das seit Jahren bewiesen hat, dass es Gewinne erwirtschaften kann“, sagte er. „Bei Rocket Internet und Zalando kaufen sie – wie damals bei den Neuen-Markt-Werten – im Grunde genommen Hoffnung.“