Sechs Unternehmen haben in diesem Jahr mehr als 10.000 Quadratmeter angemietet. Alle Objekte sind Neubauten. Der Leerstand geht zurück

Hamburg. Der Bagger verlädt gerade die letzten Gesteinsbrocken eines alten Bankgebäudes in der ABC-Straße. Die Baugenehmigung liegt vor und in Kürze kann mit dem Rohbau des neuen Gebäudes begonnen werden. „Wir errichten bis 2016 ein Bürogebäude mit Einzelhandelsflächen und einer Gesamtnutzfläche von 3500 Quadratmetern“, sagt Frank Krogel, Geschäftsführer der Bau- und Entwicklungsgesellschaft Norddeutsche Grundvermögen, die auch das Metropolis-Haus neben der Hamburger Staatsoper mit errichtet hat. Mieter für das neue Objekt in der ABC-Straße gibt es noch nicht. „Aber wir machen uns da keine Sorgen“, sagt Krogel. „Es gibt schon Anfragen, obwohl noch kein Baustellenschild steht.“ Wenige Meter entfernt, neben dem Renaissance Hotel, lässt ein Hamburger Reeder ein weiteres Geschäftshaus mit viel Glas errichten und ebenfalls nicht weit entfernt, in der Gerhofstraße entsteht ein weiterer Neubau für Büros und Einzelhandel. In das Erdgeschoss wird dort das japanische Modelabel Superdry einziehen.

In den Hamburger Büroimmobilienmarkt ist wieder Bewegung gekommen. Leerstand droht den Neubauten nicht, denn gerade solche Flächen sind gefragt. Viele Großunternehmen haben in den ersten drei Quartalen des Jahres Mietverträge für neue Objekte unterzeichnet. „Seit zehn Jahren hatten wir nicht mehr so viele Großvermietungen mit Flächen von 10.000 und mehr Quadratmetern“, sagt Tobias Scharf, Leiter des Bereichs Büroimmobilien beim internationalen Maklerunternehmen Jones Lang LaSalle (JLL).

Im vergangenen Jahr wurde gerade ein solcher großer Deal registriert. Bisher waren die Makler froh, wenn sie eine Anmietung von mehr als 5000 Quadratmetern vermelden konnten. Doch die Lage am Vermietungsmarkt hat sich gründlich verändert. Allein im dritten Quartal 2014 wurden drei solcher Großvermietungen abgeschlossen: Dazu zählen der Umzug des Hamburger Abendblatts und Zeitschriften wie „Hörzu“ der Funke Mediengruppe an den Großen Burstah, der neue Standort der gesetzlichen Unfallversicherung VBG in Barmbek und der Mietvertrag für die britische Werbeholding WPP.

Auf dem Zeise-Parkplatz in Ottensen soll das neue Quartier für die Werber entstehen. Das ist nicht völlig unumstritten, denn zunächst waren dort Sozialwohnungen geplant. Am 2. Oktober soll die endgültige Entscheidung fallen. „Der vorherige Abschluss eines Mietvertrages ist bei solchen Projekten nicht ungewöhnlich“, sagt ein Makler. Die Werber wollen 12.600 Quadratmeter beziehen und dafür mehrere Standorte zusammenlegen.

Ob noch weitere Großanmietungen im vierten Quartal die Jahresbilanz aufbessern werden, ist noch offen. „Es ist noch einiges in der Pipeline, aber viele Abschlüsse ziehen sich lange hin“, sagt Scharf. Das ist auch der Grund für die aktuelle Häufung von Großabschlüssen. „Die sechs Großanmietungen sind aufgrund der derzeitigen Bedarfslage der Unternehmen zustande gekommen und befanden sich schon seit längerer Zeit in der Planung, sind aber erst jetzt zum Abschluss gekommen“, sagt Artur Kraft vom Maklerunternehmen Angermann. Nach Informationen des Abendblatts wurden in den ersten drei Quartalen 375.000 Quadratmeter Büroflächen in der Hansestadt neu vermietet. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist das ein Zuwachs von zehn Prozent.

Allein im dritten Quartal wurden 140.000 Quadratmeter neu vermietet, was einem Plus gegenüber dem Vorjahresquartal von 20 Prozent entspricht. Durch die vielen Neuabschlüsse ist es nach Einschätzung der Branche das beste Quartal seit 2011. Traditionell bringt das vierte Quartal noch einmal gute Ergebnisse. „Wir gehen davon aus, im Gesamtjahr mindestens 480.000 Quadratmeter beim Büroflächenumsatz zu erreichen“, sagt Scharf. Das wäre gegenüber dem Vorjahr ein Zuwachs von neun Prozent.

Obwohl in Hamburg rund eine Million Quadratmeter an Büros leer stehen, sind die Neuanmietungen großer Objekte häufig Projektentwicklungen speziell für die neuen Mieter. So hat der Projektentwickler ECE das Gebäude für die gesetzliche Unfallversicherung am Barmbeker Bahnhof geplant. Rund 550 Beschäftigte werden hier einen neuen Arbeitsplatz haben. Die Grundsteinlegung ist inzwischen erfolgt. Für den Maschinenbauer Jungheinrich hat der Neubau der Zentrale am Friedrich-Ebert-Damm auch symbolische Bedeutung, denn das Unternehmen hatte schon einmal dort seinen Sitz. 25 Millionen Euro werden in den Neubau investiert. Von den zehn größten Vermietungen sind neun Neubauten, die noch im Bau sind oder sich wie bei Deutscher Telekom oder WPP erst im Projektstatus befinden. Lediglich die Kassenärztliche Vereinigung ist in ein Bestandsobjekt in der City Süd gezogen.

Bestandsflächen eignen sich selten für solche Umzüge. „Bei einem Neubau haben Architekten ganz andere Möglichkeiten, auf die Bedürfnisse der Unternehmen einzugehen“, sagt Scharf. Denn die Firmen haben hohe Ansprüche. „Die Motivation der Mitarbeiter wird für die Unternehmen immer wichtiger“, sagt Helge Zahrnt, Research-Manager bei JLL in Hamburg. Hohe Effizienz bei den Flächen, ein attraktiver Flächenzuschnitt, der zu den Arbeitsprozessen passt sowie ein geringer Energieverbrauch ließen sich meist nur durch einen Neubau verwirklichen. „Häufig wollen die Firmen auch Unternehmensteile an einem Standort zusammenlegen“, sagt Zahrnt.

Ein Beispiel dafür ist der größte Vermietungsabschluss seit 2007: Die Deutsche Telekom, die an verschiedenen Standorten in Hamburg sitzt, wird in einen Neubau in der City Nord ziehen, der anstelle der ehemaligen BP-Zentrale errichtet wird. Der Mietvertrag über 32.000 Quadratmeter ist bereits unterschrieben. Trotz vieler Neubauprojekte hat sich auch der Leerstand weiter verringert. Die Leerstandsquote liegt bei 7,4 Prozent. 2010 betrug sie noch knapp zehn Prozent. „Wir gehen davon aus, hier langsam den Boden erreicht zu haben“, sagt Zahrnt.