Hamburger Möbelhaus hat Verkaufsräume an den Großen Bleichen erweitert und setzt verstärkt auf Privatkunden

Hamburg. Zwischen den Schreibtischen, an denen die Mitarbeiter bei Gärtner Räume planen, erhebt sich eine Art modernes Blockhaus. An den Wänden erinnert helles Holz an die Optik finnischer Saunahütten in wilder Natur, auf dem Boden bildet ein grüner Teppich eine Art Rasen, eine Hirschkopf-Plüschtrophäe vervollständigt den Eindruck vom Picknick im Grünen. „Das ist unser Konferenzraum“, sagt Frank Anger-Lindemann. Firmenkultur brauche heute mehr denn je ein Miteinander, und solche Begegnungsstätten bildeten den Rahmen für kreative Teamarbeit. Frank Anger-Lindemann ist Geschäftsführer des Möbelhauses Gärtner, die Einrichtung von Firmen zählt zu den Hauptaufgaben der Hamburger. Zu den Kunden gehören Konzerne wie Philips oder Unilever, Wirtschaftsprüfer wie Ernst & Young und Institutionen wie der Bundesrat in Berlin.

Die Liste der Referenzen ist bereits lang, doch jetzt wagt Gärtner noch einmal den Beginn einer neuen Ära in der fast einhundertjährigen Firmengeschichte. Das Möbelhaus hat seine Fläche an den Großen Bleichen aufwendig umgebaut und auf 2500 Quadratmeter erweitert. „Wir haben dafür den Gegenwert eines Einfamilienhauses investiert“, sagt Frank Anger-Lindemann, der als hanseatischer Kaufmann eher ungern über Zahlen spricht.

Die Präsentation der Möbel richtet sich nun in erster Linie an Privatleute, die ihre Wohnung mit Klassikern von Fritz Hansen, Thonet, USM oder Vitra einrichten wollen. Ein Rundgang bietet Einblicke in die Geschichte des Möbeldesigns, mit zahlreichen zeitlosen Formen: Die Auswahl reicht von den reduzierten Stahlrohrmöbeln aus den 1920er-Jahren über poppige Kunststoffmöbel der 60er bis zu neueren Sofamodellen mit samtigen Stoffen, die eine behagliche Atmosphäre schaffen. Mit den Wohnwelten positioniert sich Gärtner neu. Bisher kommen 80 Prozent der Kunden aus dem Bürobereich. Neben den Firmen will der Einrichter aber künftig mehr Häuser oder Appartments ausstatten.

Die Neugestaltung bei Gärtner ist auch einem Wandel in der Nachbarschaft geschuldet: Die den Showroom rahmende Kaisergalerie ist umgebaut und saniert worden. Wo früher das Ohnsorg Theater für eine Sackgassensituation sorgte, ist jetzt eine offene Galerie mit attraktiven Säulen und Lichthöfen entstanden, die an ihrem Ende an den Fleet mündet. Weitere Mieter neben Gärtner sind ebenfalls inhabergeführte Firmen: die Modegeschäfte Unger und Braun. „Wir freuen uns, dass mit der Umstrukturierung von David Chipperfield Architekten die historische Bausubstanz wiederbelebt und die ursprüngliche räumliche Qualität des Gebäudes wiederhergestellt wurden“, sagt Anger-Lindemann.

Die Investition bei Gärtner markiert einen weiteren Schritt in der Entwicklung des Unternehmens, das schon häufiger neue Wege gegangen ist. Das Geschäft ist bereits seit 1923 im denkmalgeschützten Kontorgebäude in der Hamburger Innenstadt zu Hause, das zwischen 1907 und 1909 vom Architekten Emil Grossner erbaut wurde. Zunächst verkaufte Gärtner Schreibwaren und Bürobedarf, später kamen die Möbel für die Firmeneinrichtung hinzu. Nach ersten Großaufträgen von Esso, Edeka, Shell und BP Ende der 60er-Jahre folgten in den 70ern zahlreiche Projekte für Verlage, Banken und Werbeagenturen.

Anfang der 70er-Jahre begann auch der Aufbau einer eigenen Planungsabteilung. Heute teilen sich Anger-Lindemann und Co-Geschäftsführer Manfred Wohlgemuth die Anteile an der Firma, die inzwischen einen Jahresumsatz von 18 Millionen Euro erzielt. Zu den 50 Mitarbeitern zählen vier Innenarchitekten, die neben den Möbelklassikern von Eames, Marcel Breuer oder Eileen Gray ihre eigene Handschrift in den Büros und Wohnungen der Kunden hinterlassen.

Den Onlinehandel betrachtet der Chef nicht als Bedrohung

Anger-Lindemann ist überzeugt, mit der gerade abgeschlossenen Investition in das Geschäft die Arbeitsplätze seiner Beschäftigten zu sichern. Dabei ist die Branche derzeit einem starken Wandel unterworfen. Das Bekenntnis zum Standort von Gärtner in der 1a-Lage fällt in eine Zeit, in der die traditionellen Möbelgeschäfte von immer mehr Online-Anbietern herausgefordert werden. Als eine wirkliche Bedrohung empfindet der Hamburger, der mit seiner Familie in Wellingsbüttel wohnt, die neuen Wettbewerber aber nicht: „Die Kunden wollen die Produkte anfassen und die Wirkung im Raum sehen“, sagt Anger-Lindemann. Onlinehändler wie das Designportal fab.com planten nun auch eigene stationäre Geschäfte, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden.

Im Markt der Firmenkunden setzt Anger-Lindemann derweil auf eine Herausforderung, die vielen Unternehmen derzeit Kopfzerbrechen bereitet: Den Kampf um die besten Köpfe. Auch die Einrichtung der Büros, attraktive Arbeitsplätze, mit denen sich die um eine Balance zwischen Freizeit und Beruf bemühte Generation Y identifizieren könne, zähle als Pluspunkt im Wettbewerb um rare Fachkräfte. Der Möbelexperte rechnet in diesem Umfeld damit, dass Unternehmen in Zukunft mehr Geld in ihre Einrichtung investieren. Möglicherweise steht der Nadelholzkonferenzraum mit Naturflair dann auch bald schon in den Büros der Kunden.