Erstes Umspannwerk von Siemens funktioniert. Strom wird aus 60 Kilometer Entfernung vom Land ins Netz eingespeist. Auch „Bard Offshore 1“ fährt nach Panne hoch

Hamburg. Für den Betrieb der deutschen Hochseewindparks gibt es ermutigende Signale. Nach Abendblatt-Informationen läuft der Windpark „Meerwind Süd | Ost“ vor Helgoland mit 15 von insgesamt 80 Anlagen seit Anfang September erfolgreich im Testbetrieb. Wichtig ist dafür vor allem die Konverterplattform „HelWin 1“ von Siemens. In dieser Anlage soll künftig der Strom von insgesamt drei Windparks vor der Nordseeinsel von Wechsel- in Gleichstrom umgewandelt werden, damit er verlustarm durch das Seekabel an Land gebracht werden kann.

Gleichstromtechnologie auf See ist der Schlüssel für die Nordsee-Windparks

In den vergangenen Monaten waren Zweifel an der Funktionsfähigkeit der sogenannten HGÜ-Technologie aufgekommen. Seit März war Deutschlands erster Hochseewindpark „Bard Offshore 1“ gut 100 Kilometer nordwestlich der Insel Borkum vom Netz getrennt, nachdem das Umspannwerk „BorWin 1“ wegen eines Spannungsproblems und eines Schwelbrandes abgeschaltet worden war. Der zuständige Netzbetreiber Tennet teilte dem Abendblatt am Dienstag mit: „Im Laufe der Kalenderwoche 39 ist das Offshore-Netzanbindungssystem ,BorWin 1‘ wieder betriebsbereit. ,Bard Offshore 1‘ wird die einzelnen Anlagen seines Windparks sukzessive hochfahren und in einer gezielten Testphase dem Netzanbindungssystem zuschalten.“ Ziel der Testphase sei es, den „Störphänomenen“ auf die Spur zu kommen, und „diese zu beheben, um künftige Ausfälle zu vermeiden. Eine gemeinsame Taskforce durch Tennet, ABB und Ocean Breeze arbeitet daran mit Hochdruck.“ Ocean Breeze, das der HypoVereinsbank gehört, betreibt „Bard Offshore 1“. Der Elektronikkonzern ABB hat das Umspannwerk „BorWin 1“ gebaut.

Die Gleichstromtechnologie auf See ist der Schlüssel zum Erfolg der deutschen Nordsee-Windparks. Die meisten dieser Anlagen liegen so weit vom Land entfernt, dass ihr Strom von Wechsel- auf Gleichstrom umgespannt werden muss. Für den Einsatz an Land ist diese Übertragungstechnologie längst etabliert. Auf See kam sie bei „Bard Offshore 1“ und „BorWin 1“ weltweit erstmals zum Einsatz. Nach der Panne im März stellte man in der Branche die bange Frage, ob „BorWin 1“ ein Einzelfall sei, oder ob auch die Siemens-Umspannwerke von dem Phänomen der sogenannten Oberschwingungen betroffen sein könnten. Das wäre ein Desaster für die Offshore-Windkraft auf der deutschen Nordsee, denn die meisten Hochseewindparks dort sollen mit Siemens-Anlagen an das Landnetz angeschlossen werden. An „HelWin 1“ vor Helgoland hängen neben „Meerwind Süd | Ost“ künftig auch die Windparks „Nordsee Ost“ von RWE und „Amrumbank West“ von E.on. Vor Sylt geht Ende des Jahres die Plattform „SylWin 1“ in Betrieb. Sie schließt zu Jahresbeginn 2015 zunächst den Windpark „Dan Tysk“ von Vattenfall an das Landnetz an. Später soll der Windpark „Butendiek“, ein Projekt mehrerer Investoren, hinzukommen. „BorWin 2“ vor Borkum soll demnächst den Testbetrieb aufnehmen. Der Windpark „Global Tech 1“, der daran angeschlossen wird, ist seit Ende August fertiggestellt.

Nur wenige Offshore-Windparks hängen direkt am deutschen Landnetz

Offiziell hält man sich in der Branche zum Status der Konverterplattformen äußerst bedeckt. WindMW, Betreiber des Windparks „Meerwind Süd | Ost“, bestätigt den Testbetrieb vor Helgoland nicht. Jens Assheuer, Geschäftsführer des Unternehmens, sagte dem Abendblatt aber mit Blick auf die berüchtigten Oberspannungen: „Wir halten es für ausgeschlossen, dass diese Probleme bei uns auftauchen.“ Sowohl die dort installierten Windturbinen von Siemens wie auch die Konverterplattform „HelWin 1“ seien für die Anforderungen des Windparks und des Landanschlusses erprobt und zertifiziert. Voraussichtlich bis Ende November nimmt WindMW nach inoffiziellen Informationen alle 80 Anlagen von „Meerwind Süd | Ost“ in Betrieb. Mit 288 Megawatt Nennleistung soll der Windpark rechnerisch 360.000 Haushalte mit Strom versorgen können.

Grund für die Zurückhaltung der Branche sind vor allem Haftungsfragen. Im Fall von „Bard Offshore 1“ und „BorWin 1“ streiten die beteiligten Unternehmen untereinander um die Verantwortung für die Netzunterbrechung. Wäre die Konverterstation von ABB schadhaft, müsste Tennet für den entgangenen Umsatz von „Bard Offshore 1“ haften und würde dies auf die Strompreise aller Verbraucher umlegen, die bei Tennet angeschlossen sind. Wären die Bard-Windturbinen oder die Stromsammelstation innerhalb des Windparks schadhaft oder ungeeignet, müsste Ocean Breeze für den Schaden selbst aufkommen. Bei voller Auslastung mit 400 Megawatt installierter Leistung würde „Bard Offshore 1“ am Tag Strom im Wert von 1,8 Millionen Euro produzieren. In der Branche spekuliert man darüber, dass die Windturbinen von Bard nicht ausreichend auf das Zusammenspiel mit der Konverterstation von ABB hin getestet worden seien.

Speziell die Hochseewindparks, die mit Gleichstromtechnologie an das Landnetz angebunden werden müssen, stehen im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Ihre Funktionsfähigkeit ist Voraussetzung für den Ausbau der Offshore-Windkraft auf deutschen Gewässern. Nur wenige Windparks wie „EnBW Baltic 1“ und „Baltic 2“ in der Ostsee oder „Borkum Riffgat“ und „Alpha Ventus“ auf der Nordsee sind direkt an das Landnetz angebunden. „Die Offshore-Branche hat in den vergangenen Jahren Lehrgeld bezahlt und wird diese Lernkurve noch fortsetzen müssen“, sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE) bei der Messe WindEnergy Hamburg. „Das war bei der Windkraft an Land in den 90er-Jahren nicht anders.“