Allein in Hamburg gibt es knapp 30 Souvenirläden. Heidi Odenwald führt einen der ältesten an den Landungsbrücken.

Hamburg. Mehr Hamburg geht nicht. Wer den Souvenirladen Captain’s Cabin (Kapitänskajüte) an den Landungsbrücken betritt, der erkennt selbst mit eingeschränktem Orientierungssinn sofort, an welchem Ort er sich befindet. „Hamburg“ prangt hier auf Sammeltassen, Taschen, Mützen, T-Shirts, auf Magneten, Bierseideln, kleinen Fischerbootmodellen, auf Uhren, Bleistiften, und was sonst noch so als Andenken weggeht – mal mit mal ohne Wappen. Und dann gibt es auch noch hochwertige Nautiquitäten. Alte Kompasse, Glasenuhren, Sextanten und handgefertigte Schiffsmodelle. Das unterscheidet die traditionsreiche Captain’s Cabin von den meisten Souvenirläden in der Hansestadt.

Und der Captain ist eine Frau: Seit annähernd vier Jahrzehnten betreibt Heidi Odenwald den Andenkenladen an der Brücke 4, gleich neben dem Eingang zum Hafen-Klub. Die Captain’s Cabin gehört damit zu den ältesten noch bestehenden Souvenirläden. Heidi Odenwald hat in den Jahren viel Konkurrenz kommen und gehen sehen. Andenkenläden machen schnell auf und manchmal auch schnell wieder zu. Knapp 30 gebe es derzeit in der erweiterten Hamburger Innenstadt, sagt die City-Managerin Brigitte Engler. Dazu kommen zum Beispiel die Drogeriekette Budnikowski, die unter dem Label „Heimatliebe Hamburg“, Kaffee, Tee, Kekse und Souvenirs vertreibt. Oder auch Rumöller Betten aus Blankenese, die Hamburg-Bettwäsche mit Stadtwappen vor allem an heimwehkranke Hamburger im Ausland verkauft.

Was alle eint: Sie leben vom Tourismus. Und Touristen sind in diesem Jahr zahlreich in der Stadt. „Viele Händler berichten mir davon, dass sie derzeit einen deutlichen Zuwachs verspüren.“ Vor allem die Zahl der Gäste aus dem Ausland nehme stark zu, so Engler. Und in Captain’s Cabin laufen die Geschäfte damit rund. „Ich glaube, wir haben noch nie einen so ertragreichen Monat August erlebt wie in diesem Jahr“, sagt Odenwald. Tagesumsätze von 7000 oder 8000 Euro seien keine Seltenheit gewesen. Einige Tage lagen sogar deutlich darüber – obgleich die Preise der einzelnen Artikel relativ gering sind. Da kann man sich ausmalen, wie groß der Kundenandrang war.

Odenwald hat auch schon andere Zeiten miterlebt: „Mein niedrigster Tagesumsatz betrug vier Mark und 50 Pfennige“, erinnert sie sich. Aber das ist schon lange her, irgendein Wintertag in den Anfangsjahren. Seit 1976 betreibt die gelernte technische Zeichnerin im Schiffbau den Laden an den Landungsbrücken. Eigentlich wollte sie sich gar nicht selbstständig machen. Aber damals baute die Schiffsbauversuchsanstalt Personal ab. Und bei den Werften kam es zur ersten großen Krise.

HDW schloss den Schiffbau auf Finkenwerder. Zur Sicherung des Lebensunterhalts kam Odenwald auf die Idee, hochwertige Tischsets und Untersetzer mit maritimen Motiven herzustellen. Und der Bruder einer Mitarbeiterin animierte sie, von der Herstellerin zur Händlerin zu werden und den Laden an den Landungsbrücken mit ihm aufzubauen. Später ging er nach Übersee. Odenwald blieb.

Damals waren ihre Kunden vor allem Hamburger, und ihr Sortiment bestand eher aus wertvollen maritimen Erinnerungsstücken. „Es kamen oft Firmeninhaber, die für Geschäftspartner passende Geschenke suchten“, sagt Odenwald. Das habe sich gewandelt. „Wer verschenkt heute noch ein Schiffsmodell für 7000 Euro?“ Mit dem Wachstum des Tourismus in den vergangenen Jahren habe sich die Kundschaft komplett gedreht und damit auch das Sortiment. Taschen, T-Shirts und Magneten mit Hamburg-Wappen seien jetzt die Renner an der Ladentheke, nicht mehr teure Schiffsmodelle. Zwar habe sie noch hochwertige Einzelstücke. Gekauft werde aber überwiegend billig in China produzierte Massenware. Odenwald hat dafür einen eigenen Begriff: Sie nennt es „Tüdelkram“.

Sie wolle das gar nicht herabwürdigen, sagt Odenwald. „Die von den Chinesen produzierten Artikel sind gut, aber original aus Hamburg kommt da kaum noch etwas.“ Das liege zum einen, daran, dass die Kunden nicht bereit seien, größere Summen für Andenken auszugeben. Andererseits würden immer weniger etwas vom Handwerk verstehen. „Wir hatten früher eine Reihe guter Buddelschiffbauer in Hamburg. Heute kommen die auch schon aus Übersee.“ Schiffsmodelle gebe es als Massenware von den Philippinen.

Odenwald gibt sich damit nicht zufrieden. Immer wieder versucht sie, auch Nischenanbietern eine Chance zu geben, wie einem Italiener, der Magnete mit ausgefallenen Motiven herstellt, oder einem Engländer mit Babystrampelanzügen im Matrosenlook. Für Odenwald bleibt es dennoch Tüdelkram.

Aber dieser Tüdelkram verkauft sich. Etwa 1,8 bis zwei Milliarden Euro setzt die Souvenirbranche in Deutschland jährlich um, schätzt der Bundesverband Souvenir, Geschenke, Ehrenpreise (BSGE). Marktuntersuchungen zufolge seien nach wie vor der Bierkrug, die Kuckucksuhr, die Tasse oder auch der Schlüsselanhänger die beliebtesten Mitbringsel, sagt Verbandsgeschäftsführer Klaus Derbe. Aber textile Artikel wie T-Shirts würden stark zunehmen. Rund 18.000 bis 20.000 Beschäftigte in Deutschland seien in der Souvenirbranche tätig. „In Abstimmung mit den Behörden auch an zahlreichen Sonn- und Feiertagen“, sagt Derbe.

„Früher benötigten wir dafür eine Sondergenehmigung, heute nicht mehr“, sagt Odenwald. Auch ihr Laden ist an immerhin 360 Tagen im Jahr geöffnet. Sie beschäftigt insgesamt sechs feste Mitarbeiter, dazu noch vier Aushilfen. Und Odenwald kommt an fast jedem Tag selbst in den Laden, obgleich sie ihren 70. Geburtstag bereits vor zwei Jahren gefeiert hat. Ans Aufhören hat sie nie gedacht. Selbst nicht, als ihr Geschäft 2010 durch Brandstiftung völlig verwüstet wurde. Zwar hatte Odenwald das Rentenalter schon erreicht. „Aber da waren ja noch meine Angestellten, und irgendwie dachte ich, das kann es noch nicht gewesen sein.“ Der Kapitän bleibt an Bord.