Nach einer Umfrage des Instituts Arbeit und Wirtschaft der Uni Bremen und der Bremer Agentur für Struktur- und Personalentwicklung erwarten die Schiffbaubetriebe endlich wieder mehr Arbeitsplätze.

Hamburg. Die gute Nachricht, die Thorsten Ludwig mitgebracht hatte, war: „Zurzeit steht keine deutsche Seeschiffwerft im Insolvenzverfahren. Das ist, mit Blick auf die früheren Umfragen, schon mal ein Alleinstellungsmerkmal“, sagte der Mitarbeiter der Bremer Agentur für Struktur- und Personalentwicklung am Donnerstag in Hamburg. Gemeinsam mit dem Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen hatte die Agentur die neue Schiffbauumfrage für den Bezirk Küste der Gewerkschaft IG Metall erarbeitet. Auch in diesem Jahr ist die Zahl der Arbeitsplätze auf den Werften gesunken, gegenüber 2013 um 582 auf einen Stand von derzeit 15.171.

Doch scheint die Insolvenzwelle überstanden, die seit Beginn der Schiffbaukrise im Jahr 2008 zahlreiche norddeutsche Werften erfasst hatte. Die Volkswerft Stralsund, auf deren Konto der jüngste Rückgang bei den Arbeitsplätzen hauptsächlich geht, gehört nun zum Unternehmen Nordic Yards des russischen Investors Witali Jussufow. Sietas in Neuenfelde war im März vom ebenfalls russischen Unternehmen Pella Shipyard übernommen worden.

Alle Problemfälle der vergangenen Jahre sind damit offiziell bereinigt. Das schürt in der Branche vorsichtigen Optimismus für eine Trendwende. Betriebsräte aus 40 Schiffbauunternehmen hatten sich an der Umfrage beteiligt. Sie erwarten den Aufbau von rund 300 Stellen auf den Werften in den kommenden zwölf Monaten, etwa bei Sietas. Deren neuer Eigner Pella Shipyard hatte angekündigt, die Belegschaft bis Ende 2016 auf 400 Mitarbeiter aufzustocken. Zurzeit sind rund 120 Mitarbeiter bei Sietas beschäftigt.

Meinhard Geiken, der Leiter des Bezirks IG Metall Küste, hob die Bedeutung der traditionsreichen Branche für die Region hervor: „Der Schiffbau ist das Rückgrat der maritimen Wirtschaft in Norddeutschland. Werften und Zulieferer beschäftigten insgesamt rund 100.000 Menschen, den größten Teil davon in den fünf norddeutschen Bundesländern“, sagte er. „Von den Regierungen des Bundes und der Länder erwarten wir deshalb, dass sie die Branche unterstützen, etwa durch die Förderung von Innovationen oder bei der Absicherung der Finanzierung von Aufträgen.“

Die öffentliche Förderung ist vor allem indirekt auf vielfache Weise wichtig für die maritime Branche. Besonders sichtbar wird das derzeit beim Ausbau der Offshore-Windkraft. Auf dem deutschen Teil der Nordsee und der Ostsee entsteht eine Reihe von Windparks. Ermöglicht wird das durch die Förderung von Offshore-Windstrom im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). „Die erste Welle des Offshore-Ausbaus läuft. Die neue Bundesregierung hat alles dafür getan, dass nun auch die zweite Welle in Gang kommt“, sagte Uwe Beckmeyer (SPD), Maritimer Koordinator der Bundesregierung und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister.

Seit das neue EEG in Kraft ist, haben einige Unternehmen Projekte für neue Offshore-Windparks in den deutschen Gewässern angekündigt, etwa Vattenfall, EnBW oder RWE. Die deutschen Werften – allen voran Nordic Yards in Wismar und Rostock – profitieren davon durch den Bau von Umspannwerken für Landanschlüsse, Wohnplattformen für Windparks oder Fundamenten für die Windturbinen. Auch Versorgungsfahrzeuge und kleine Personenfähren zum Übersetzen von Servicepersonal auf die Offshore-Parks entstehen an den deutschen Küsten.

In den vergangenen zwei Jahren litt die Offshore-Branche an den Küsten unter Verunsicherung der Investoren. Mit dem neuen EEG und den mittelfristig verbindlichen Förderbedingungen für Offshore-Strom sei der Weg nun frei für weitere Investitionen, sagte Beckmeyer. „Wir wollen die Offshore-Windkraft bis 2020 auf 6500 Megawatt installierter Leistung ausbauen und bis 2030 auf 15.000 Megawatt. Zwei neue Windparks im Jahr wären ideal, um die bestehenden Fabriken und Einrichtungen der Branche auszulasten und um damit auch die Kosten für Offshore-Strom beständig weiter zu senken.“

Die verschärften Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union gegen Russland, die am heutigen Freitag in Kraft treten, haben nach Einschätzung des Politikers keine Auswirkungen auf den Schiffbau, obgleich drei Werften von Nordic Yards in Mecklenburg-Vorpommern sowie Sietas in Hamburg russischen Investoren gehören. Nordic Yards plant und baut neben Offshore-Windkraftstrukturen vor allem eisgängige Versorgungsschiffe für den Einsatz im russischen Nordmeer. In diesen Markt soll auch Pella Sietas mit dessen neuer Belegschaft hineingehen. „Die Aufträge und Projekte, um die es bei diesen Werften geht, sind nach meiner Kenntnis nicht von Sanktionen betroffen“, sagte Beckmeyer.