Allergopharma baut in Reinbek für 40 Millionen Euro neue Produktion. Der Arzneihersteller peilt den US-Markt an

Reinbek. Ob Gräserpollen, Schimmelpilze oder Hausstaubmilben: Immer mehr Menschen leiden unter Allergien. Sie kämpfen mit juckenden Augen, laufender Nase und Problemen der Atemwege. „Allergien nehmen in vielen Industrieländern zu“, sagt Marco Linari, Geschäftsführer von Allergopharma. Die Firma aus Reinbek profitiert von der Verbreitung der Erkrankung: Linari, 44, ein Biochemiker mit internationaler Managementerfahrung, steht erst seit einigen Monaten an der Spitze des Arzneianbieters mit Sitz in Reinbek, aber schon jetzt verantwortet er die größte Investition in der Geschichte des Unternehmens.

Um das Geschäft mit Medikamenten gegen Allergien auszuweiten, investiert Allergopharma 40 Millionen Euro in eine neue Forschung und Produktion. Das Geld fließt in ein 6000 Quadratmeter großes Gebäude, das neben der bestehenden Fläche der Firma in der Nachbarschaft des Bille Centers allmählich Formen annimmt.

„Das Gebäude ist ein wichtiger Meilenstein für Allergopharma. Mit moderner Produktionstechnik zur Herstellung unserer Allergiepräparate möchten wir dem Patienten auch künftig die bestmögliche Behandlung ermöglichen“, sagte Linari. Am Freitag, bei bestem Spätsommerwetter, feierten die Mitarbeiter Richtfest und würdigten zugleich das 45-jährige Bestehen des Unternehmens. Unter den Gästen informierten sich auch Landrat Klaus Plöger und der Reinbeker Bürgermeister Björn Warmer über den Fortschritt auf der Baustelle.

In dem Neubau wird unter anderem eine Produktionsfläche errichtet, auf der unter hochreinen, sterilen Bedingungen Präparate zur Diagnose und Therapie etwa von Heuschnupfen oder Asthma hergestellt werden. Allergopharma hat sich in der Therapie auf die sogenannte Hyposensibilisierung spezialisiert. Diese bekämpft nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursache, indem sie das Immunsystem langsam an den Auslöser gewöhnt.

Allergopharma gehört schon heute zu den weltweit größten Herstellern von Medikamenten zur Behandlung von Allergien. Mit der Investition und dem Ausbau der Belegschaft auf inzwischen 500 Beschäftigte will die Firma das Geschäft weiter internationalisieren. „Wir verkaufen unsere Produkte zwar schon im deutschsprachigen Raum, in den Niederlanden, Italien, Indien und China“, sagt Linari. Aber den attraktivsten Markt hätten die Reinbeker bisher noch nicht in Angriff genommen – die USA sind für Allergopharma ein weißer Fleck auf der Landkarte.

Das soll sich in den nächsten Monaten möglichst ändern. Flankiert wird die Offensive in Übersee von einer neuen Eigentumsstruktur bei Allergopharma. Seit zwei Jahren ist die Darmstädter Merck-Gruppe alleinige Eigentümerin des Unternehmens, das 1969 von Joachim Ganzer gegründet worden war. Der Kaufmann hatte sich 2012 nach 43 Jahren als Geschäftsführer an der Spitze der Firma in den Ruhestand zurückgezogen.

Gemeinsam mit Merck verfügt Allergopharma nun erstmals über Ressourcen, die das internationale Wachstum und die Anpassung an die Anforderungen des amerikanischen Markts ermöglichen, sagte Linari. Die Merck-Gruppe, die 2013 gut elf Milliarden Euro erwirtschaftete und mit rund 38.000 Mitarbeitern in 66 Ländern aktiv ist, könne die Expansion unterstützen. Linari, der zuvor zehn Jahre bei Merck in Italien und den USA gearbeitet hatte, verwies auf Vorteile etwa in der Finanzierung, im Vertrieb oder im Marketing. Der Markt für Allergietherapeutika bietet schließlich globale Chancen. Das von Insidern erwartete weltweite Wachstum beruht zum einen auf der zunehmenden Anzahl von Allergikern, zum anderen basiert es auf der steigenden Verbreitung der Spezifischen Immuntherapie in vielen Schwellenländern. Das geschätzte globale Wachstum liegt zwischen fünf und zehn Prozent pro Jahr.

Die Investition in das neue Gebäude, das 2016 fertiggestellt sein soll, wertet Linari als „Vertrauensvorschuss“ von Merck. Die Aktivitäten der Gruppe in Reinbek unterstützen derweil die längerfristige Strategie der Darmstädter: Mit einem Konzernumbau versucht Merck seine Pharmasparte wieder fitzumachen. Die Entwicklung neuer Medikamente soll beschleunigt werden. Mit einem Restrukturierungsprogramm sollen ab dem Jahr 2018 jährlich 385 Millionen Euro eingespart werden.

Linari betonte aber, dass der Merck-Konzern auch nach der 100-prozentigen Beteiligung bei dem Mittelständler keinerlei Synergieeffekte in Reinbek umsetzen wolle. Alle Bereiche sollten an dem Standort erhalten bleiben, sowohl die Verwaltung wie auch die Forschung, Entwicklung und Produktion der Arzneien.