Aktien könnten langfristig die ideale Geldanlage sein, sagen Experten. Was Sparer nach der Entscheidung der Europäischen Zentralbank beachten sollten

Hamburg. Die internationalen Zeitungen waren sich am Freitag nahezu einig: Die Europäische Zentralbank (EZB) wirkt geradezu hilflos mit ihrer Entscheidung, den Leitzins auf ein historisches Tief von 0,05 Prozent zu senken. Die „Neue Zürcher“ sprach von einem „Griff in die geldpolitische Trickkiste, der etwas Verzweifeltes hat“. Nach Meinung der spanischen Zeitung „El Mundo“ sind „die herkömmlichen Mittel der Währungspolitik erschöpft“. Nicht wenige Kommentatoren bezweifeln ohnehin, dass die Zinssenkung tatsächlich – wie von der EZB geplant – die Wirtschaft im Euro-Raum ankurbeln kann. Und auch der Kampf gegen die Deflation – also dauerhaft sinkende Verbraucherpreise – dürfte in Teilen der Euro-Zone schwierig werden.

Viele Sparer, Kreditnehmer und Aktionäre blicken derweil weniger auf das Große und Ganze. Sie schauen auf ihr Sparbuch, in das eigene Aktiendepot und auf die Kreditzinsvergleichsrechner im Internet. Welche Auswirkungen haben die Entscheidungen der Notenbanker in Frankfurt auf ihr Geld? Das Abendblatt sprach mit Experten und versucht Antworten zu geben.

Werden die Zinsen für kurzfristige Geldanlagen weiter sinken?

Die Zinsen für Tagesgeld und kurzfristig angelegtes Festgeld sind bereits historisch niedrig. Derzeit kann man sich bereits freuen, wenn eine Bank mehr als ein Prozent Zinsen auf Geldanlagen mit einer Anlagedauer von bis zu einem Jahr zahlt. So bekommt man bei der Hamburger Sparkasse beim sogenannten Festzinssparen für 10.000 Euro 0,2 Prozent Zinsen. Das sind 20 Euro im Jahr. Legt man sein Geld lediglich sechs Monate lang an, sind es sogar nur 0,15 Prozent. Schaut man auf die einschlägigen Zinsportale im Internet wie biallo.de oder fmh.de locken einige Anbieter mit bis zu 1,5 Prozent Zinsen für ein Jahr. Allerdings muss man hier Abstriche bei der Sicherheit machen, weil die Banken nicht der allgemeinen deutschen Einlagensicherung unterliegen oder kein Mitglied im Sicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken sind. Max Herbst von der FMH-Finanzberatung geht davon aus, dass zumindest einige Banken ihre Sparzinsen noch weiter senken werden. Sein Tipp: „Das Geld möglichst zügig für zwei oder drei Jahre festlegen.“

Besteht die Gefahr von Negativzinsen für private Sparer?

Die meisten Experten wie Haspa-Chefvolkswirt Jochen Intelmann verneinen diese Frage: „Das kann ich mir persönlich nicht vorstellen.“ Auch der Chefanlagestratege der Berenberg Bank, Stefan Keitel, sieht keine Parkgebühr für Erspartes. „Denn Negativzinsen würden nicht dazu führen, dass die Kunden sich nach Alternativanlagen umschauen. Stattdessen dürfte das Geld wohl eher in den heimischen Sparstrumpf wandern, was nicht im Interesse der Geldinstitute sein kann.“ Der Co-Chef des Hamburger Wirtschaftsinstituts HWWI, Henning Vöpel, hält Negativzinsen für Privatsparer ebenfalls für unrealistisch: „Dann würde es zu einem Ansturm auf einzelne Banken kommen. Viele Kunden werden sofort ihre Sichteinlagen abziehen.“

Wie werden sich die Zinsen für Bau- und Konsumentenkredite entwickeln?

Kreditnehmer profitieren seit Monaten von der lockeren Geldpolitik der EZB. Wer über eine hohe Bonität verfügt, kann bereits mittelfristige Ratenkredite für weniger als drei Prozent bekommen. Auch Baufinanzierungen sind derzeit historisch günstig. Experten raten deshalb zu langen Zinsbindungen über 15 und 20 Jahre. Dass die EZB-Entscheidung zu noch geringeren Kreditkosten führt, davon geht HWWI-Co-Chef Vöpel nicht aus. „Die Auswirkungen auf die Zinsen für Privatpersonen dürfte nahe null liegen“, sagt er.

Sollte man jetzt in Aktien investieren?

Der Deutsche Aktienindex (DAX) hat seit der Zinssenkung der EZB am Donnerstagnachmittag innerhalb von 24 Stunden um knapp 200 Punkte zugelegt, was einem Plus von rund zwei Prozent entspricht. Die Anleger sehen die Börse offensichtlich als viel versprechende Alternative für klassische Geldanlagen. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass der DAX in den vergangenen drei Jahren bereits stark zugelegt hat – um gut 4000 Punkte oder 70 Prozent. Die Gefahr von Rückschlägen ist deshalb gegeben. Allerdings hat der DAX jüngst bereits eine Korrektur hinter sich. So beträgt der prozentuale Anstieg seit Jahresanfang aktuell nicht einmal zwei Prozent.

Stefan Keitel von der Berenberg Bank spricht von einer „Schaukelbörse“. Es könne auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten Ausschläge in beide Richtungen geben. Ohnehin sei mit Blick auf die „gerade in Europa noch immer mäßigen Unternehmensgewinne“ und den ungelösten Ukraine-Konflikt der Spielraum an der Börse nach oben kurzfristig begrenzt. „Aber durch die aggressive Notenbank-Politik eben auch nach unten“, sagt Keitel. Wegen der fehlenden Anlagealternativen führe langfristig kein Weg an Aktien vorbei. Der Berenberg-Experte empfiehlt Papiere mit einer hohen Dividendenrendite. Zudem sollte der Anleger sich nicht nur auf deutsche Aktien konzentrieren, sondern den Blick nach Europa und darüber hinaus wagen. Das sieht Jochen Intelmann von der Haspa genauso: „Vor allem amerikanische Aktien – beispielsweise aus der Ölbranche – haben Potenzial nach oben.“ Keitel hält eine breite Streuung des Kapitals für sinnvoll und empfiehlt neben dividendenstarken Einzeltiteln Aktienfonds. Langfristig sind aus seiner Sicht Renditen von rund fünf Prozent pro Jahr realistisch. „Bei dieser Prognose ist ein Risikoabschlag bereits mit eingerechnet.“ Die Rendite könnte also noch höher liegen.