Onlinehändler wagt den Sprung aufs Parkett. Konkurrent Otto blickt aufmerksam nach Berlin

Berlin/Hamburg. „Schrei vor Glück!“: Mit kreischenden Frauen, die in leicht hysterischer Weise auf die Ankunft großer Schuhpakete reagieren, hat es der Onlinehändler Zalando zu einem bemerkenswerten Bekanntheitsgrad in Deutschland gebracht. Den meisten Bundesbürgern dürfte der Spot des Berliner Unternehmens in guter Erinnerung sein, auch wenn er in seiner ursprünglichen Form längst nicht mehr ausgestrahlt wird.

Nun will der schnell wachsende Internethändler offenbar nicht nur modebewusste Frauen, sondern auch die Anleger am deutschen Aktienmarkt zu Begeisterungsstürmen bewegen. Ob sich diese angesichts des am Mittwoch angekündigten Börsengang allerdings tatsächlich dazu hinreißen lassen werden, ist alles andere als sicher.

Zunächst einmal sind es noch recht dürftige Informationen, die zu dem geplanten Sprung aufs Parkett vorliegen. Dieser soll „abhängig vom Börsenumfeld“ im Laufe dieses Jahres gelingen, wie Zalando mitteilte. Die Gesellschafter, darunter die Internet-Unternehmer Oliver, Alexander und Marc Samwer, wollen ihre Anteile an der 2008 gestarteten Firma allerdings behalten. Die Aktiennotierung soll über eine Kapitalerhöhung möglich werden. Wie aus Finanzkreisen verlautete, beläuft sich das Emissionsvolumen auf mehr als 500 Millionen Euro, Zalando wäre damit insgesamt rund sechs Milliarden Euro wert.

„Der Gang an die Börse ist der nächste logische Schritt in der Entwicklung von Zalando, da er uns die nötige Flexibilität gibt, um unsere langfristigen Wachstumsambitionen weiterzuverfolgen“, sagte Zalando-Vorstand Rubin Ritter. Die inzwischen rund 7400 Mitarbeiter zählende Firma, die mehr als die Hälfte ihres Umsatzes in Deutschland, der Schweiz und Österreich erzielt, wolle vor allem ihren Marktanteil ausbauen und dazu in neue Länder expandieren.

Zudem soll der Verkauf über Smartphones oder Tablet-PCs wachsen, also über das mobile Internet. So könnte Kleidung abfotografiert und über eine App entsprechende Angebote von Zalando angezeigt werden. Insgesamt ist der Trend zum Shoppen über das Internet ungebrochen. So rechnet der Einzelhandelsverband HDE in diesem Jahr mit einem Umsatzanstieg im Onlinehandel von 17 Prozent auf 38,7 Milliarden Euro. Allerdings kämpfen viele Internet-Händler mit einer hohen Rückgabequote ihrer Waren, was immense Kosten verursacht.

Zalando liegt im Börsen-Wettlauf mit dem Schwester-Unternehmen Rocket Internet nun eine Nasenlänge vorn. Auch der Internet-Inkubator will Finanzkreisen zufolge in den kommenden Wochen den Gang an den Aktienmarkt wagen. Der Zalando-Slogan „Schrei vor Glück“ könnte dann zumindest für die Samwer-Brüder zum Motto werden, da sie auf diese Weise offiziell zu Milliardären würden. Zudem gingen damit auch die beiden größten Internet-Börsengänge in Deutschland seit den Zeiten des Neuen Marktes über die Bühne.

Zalando will im Rahmen des Börsengangs zehn bis elf Prozent des Eigenkapitals platzieren. Insidern zufolge soll der Ausgabepreis in der Woche ab dem 29. September bekanntgegeben werden. Der Börsengang wird von Morgan Stanley, Goldman Sachs und Credit Suisse organisiert. Größter Zalando-Aktionär ist der schwedische Finanzinvestor Kinnevik mit 36,5 Prozent, gefolgt von den Samwer-Brüdern mit 17 Prozent. Weitere Miteigentümer sind unter anderem Tengelmann mit etwas über fünf Prozent, der dänische Modeunternehmer Anders Holch Povlsen mit zehn Prozent sowie Holtzbrinck Ventures.

Der Berliner Börsenkandidat hatte in den ersten sechs Monaten 2014 einen kleinen operativen Gewinn ausgewiesen. Bei einem Umsatzplus von knapp 30 Prozent auf 1,047 Milliarden Euro betrug der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) zwölf Millionen Euro, nach einem Verlust von 109 Millionen vor Jahresfrist. Nach Steuern blieb ein Gewinn von 200.000 Euro.

Börsenexperten sehen Chancen, aber auch erhebliche Risiken für die weitere Geschäftsentwicklung bei Zalando. „Für das Unternehmen sprechen die hohe Markenbekanntheit und die professionelle Logistik“, sagt Aktienanalyst Christian Hamann von der Hamburger Sparkasse. „Auf der anderen Seite aber hat Zalando gerade erst die Gewinnschwelle erreicht.“ Unklar sei auch, ob sich die geplanten Investitionen in die Expansion wirklich auszahlen würden.

Bei der Hamburger Otto-Gruppe, einem der größten Wettbewerber Zalandos, betrachtet man den Börsengang mit „Interesse und Respekt“, wie es Sprecher Thomas Voigt ausdrückt. Die Hanseaten wachsen im Gegensatz zu Zalando zwar deutlich langsamer, erzielen aber insgesamt weitaus höhere Umsätze und sind zudem hochprofitabel.