Gespräch mit dem Zweiten Vorsitzenden bei der IG Metall, Jörg Hofman, über die kommende Tarifrunde und die Zukunft der Branche im Norden.

Hamburg. Jörg Hofmann, Zweiter Vorsitzender bei der IG Metall und dort für die Tarifpolitik zuständig, tourte eine Woche lang durch den Norden der Republik. Das Abendblatt sprach mit ihm über die Lohnforderung für die nächste Tarifrunde und die Bedeutung Norddeutschlands für die mächtigste Industriegewerkschaft des Landes.

Hamburger Abendblatt: Ein Baden-Württemberger verirrt sich in den Norden. Was machen Sie im Bezirk Küste?
Jörg Hofmann: Ein wenig kenne ich den Norden auch schon privat, schließlich habe ich in Bremen studiert. Aber das ist lange her. Aktuell bin ich hier unterwegs, um mich in den Verwaltungsstellen über die aktuelle Lage zu informieren und mit Betriebsräten über die mittel- und langfristige Tarifpolitik zu diskutieren.

Im November beschließt die IG Metall ihre Forderung für die kommende Tarifrunde. Der Chef des Gewerkschaftsbezirks Baden-Württemberg hat bereits klargestellt, dass es bei der Lohnforderung keinen Grund gebe, sich zurückzuhalten. Sehen Sie das genauso?
Hofmann: Ja, es gibt keinen Grund für eine zurückhaltende Lohnforderung. Die Ertragslage der Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie ist glänzend – und zwar flächendeckend. Und von dieser Entwicklung müssen auch die Beschäftigten angemessen profitieren. Es geht uns vor allem um eine gerechtere Verteilung zwischen Kapital und Löhnen. Da läuft derzeit einiges aus dem Ruder. Bei unserer Lohnforderung werden wir uns an der aktuellen Produktivitätsentwicklung und der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank orientieren.

Also wird bei der Forderung mindestens eine Vier vor dem Komma stehen?
Hofmann: Sie werden mir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Zahl entlocken. Aber klar ist, die Beschäftigten müssen teilhaben an der guten Geschäftslage in den Betrieben.

Schaut man auf die bundesweite Konjunktur, wäre doch eher Lohnzurückhaltung das Gebot der Stunde. Das Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal um 0,2 Prozent gesunken, die Ukraine-Krise führt bei vielen Betrieben zum Einbruch ihres Russland-Geschäfts.
Hofmann: Ich wiederhole mich gerne: Dem Gros der Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie geht es derzeit glänzend. Aber selbstverständlich werden wir auch die aktuelle konjunkturelle Situation bei unserer Suche nach der adäquaten Lohnforderung berücksichtigen. Zudem stehen bei uns zwei qualitative Ziele auf der Agenda. Zum einen müssen wir die bestehenden Altersteilzeitregelungen an das neue Gesetz zur Rente mit 63 anpassen, zum anderen wollen wir die Möglichkeiten der Weiterbildung für die Beschäftigten in der Branche verbessern. Ich hoffe, dass wir diese beiden Punkte mit den Arbeitgebern vorab klären, bevor es um die Lohnprozente geht.

Welche Rolle spielt der Norden eigentlich für die IG Metall? Schließlich wird die Branche doch sehr stark von der Autoindustrie und den Maschinenbauern im Süden dominiert.
Hofmann: Sicherlich zählt der Gewerkschaftsbezirk Küste mit Blick auf die hiesigen Arbeitsplätze nicht zu unseren industriellen Schwerpunkten. Aber man sollte den Norden mit Airbus, den Automobilwerken in Bremen und Emden, aber auch mit seinen innovativen mittelständischen Firmen nicht unterschätzen.

Der einst so beschäftigungsintensive Schiffbau verliert dagegen zunehmend an Bedeutung.
Hofmann: Das ist sicherlich ein Problem. Es ist deshalb umso wichtiger, dass die Werften sich auch neue Arbeitsfelder wie zum Beispiel die Windkraft erschließen. In diesem Bereich brauchen wir allerdings verlässliche politische Rahmenbedingungen. Nur dann werden Investoren auch bereit sein, in die Windkraft ihr Kapital zu stecken. Die Geldgeber brauchen Planungssicherheit.