Die Quote der Zeitarbeiter in der Luftfahrtindustrie sinkt laut IG Metall leicht. Zahl der neuen Jobs steigt langsamer

Hamburg. Die Luftfahrtindustrie dürfte ihre Rolle als Jobmotor im Norden in der nächsten Zeit nicht mehr in dem gewohnten Maß spielen. Jedenfalls gilt das für das dominierende Unternehmen der Branche: „In den nächsten Jahren werden wir darum kämpfen müssen, die Stammbelegschaft zu halten“, erwartet Rüdiger Lütjen, der Konzernbetriebsratsvorsitzende der Airbus Group. „Es wird nicht mehr darum gehen, Tausende von Arbeitsplätzen pro Jahr neu zu schaffen.“

Dabei sind die Geschäftsperspektiven dieses Wirtschaftszweigs äußerst positiv: In 41 Prozent der Betriebe verbessert sich die Auftragslage, nur in 22 Prozent der Firmen verschlechtert sie sich, wie eine Umfrage der IG Metall unter Betriebsräten ergab. 34 Prozent der Betriebe seien noch mindestens bis zum Jahr 2018 zu 100 Prozent ausgelastet. Dennoch gehen die Betriebsräte nur in 39 Prozent der Unternehmen von einem Stellenzuwachs aus. In 44 Prozent der Firmen erwarten sie keine Veränderung, in 17 Prozent der Betriebe fürchten sie einen Abbau.

Die Folge der Zurückhaltung bei den Neueinstellungen trotz hoher Auslastung: „Die Arbeitszeitkonten blähen sich auf“, sagt Meinhard Geiken, Bezirksleiter IG Metall Küste. So hat das Guthaben auf Langzeitkonten seit 2012 von durchschnittlich knapp 49 Stunden auf mehr als 69 Stunden zugenommen. Geiken forderte die Unternehmen zu mehr Festeinstellungen auf: „Angesichts der guten Auftragslage im Passagierflugzeugbau ist das mehr als gerechtfertigt.“

Denn gleichzeitig verändere sich die Struktur der Beschäftigung, die Firmen setzten weiter im großen Stil aus Leiharbeit und verstärkt auf Werkverträge. Während die Quote der Zeitarbeiter – in Norddeutschland sind es 5647 Personen im Vergleich zu 29.692 Festangestellten in den erfassten Betrieben – gegenüber dem vergangenen Jahr leicht auf 19 Prozent gesunken ist, prognostizieren rund 40 Prozent aller befragten Betriebsräte eine Zunahme der Werkverträge. „Diese Tendenz sehen wir mit Sorge“, so Geiken, denn die Werkvertragsarbeit gilt als „mitbestimmungsfreie Zone“. Für den Norden schätzt die IG Metall die Quote der Werkvertragskräfte in der Luftfahrtindustrie auf bereits knapp 15 Prozent, exakte Daten liegen den Betriebsräten in der Regel nicht vor.

Letzteres gilt auch für Airbus. „Wir bekommen weder Namen, noch wissen wir Zahlen“, sagt Lütjen. Im September werde man erste Gespräche mit dem Management zu einer erhöhten Transparenz in diesem Bereich führen. Während in Hamburg im Juni 2819 Leiharbeiter für Airbus tätig gewesen seien, habe er zuletzt von ungefähr 2600 Werkvertragskräften am Standort gehört, so Lütjen.

Derzeit baut das Unternehmen nach eigenen Angaben Zeitarbeitsstellen vor allem in Entwicklungsabteilungen ab, weil in den nächsten Jahren keine komplett neuen Flugzeugprojekte anstehen. Vor diesem Hintergrund sieht Lütjen die Aufgabe des Betriebsrats verstärkt auch darin, eine strategische Unternehmensplanung anzumahnen: „Es geht darum, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass dieses Unternehmen auch in 15 oder 20 Jahren noch erfolgreich ist.“

Zwar seien aktuell die Auftragsbücher prall gefüllt, „aber wir brauchen Antworten für die Kollegen, die heute 30 Jahre alt sind“, so Lütjen: „Wir müssen für Zukunftsfähigkeit streiten.“ Die Frage sei, ob Airbus trotz erhöhter Renditevorgaben des Topmanagements auch weiter wie in früheren Jahren jeweils sechs oder sieben Prozent des Umsatzes für Forschung und Entwicklung einsetzen wolle.

Handlungsbedarf sieht auch Geiken für die gesamte Branche. So würden strategische Entscheidungen im Bereich der Forschung und Entwicklung zumeist ohne Beteiligung der Arbeitnehmervertreter getroffen. Gleichwohl seien diese Themen von großer Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen wie auch für die Sicherung von Arbeitsplätzen.

Angesichts der Altersstruktur sind die Luftfahrtfirmen in den kommenden Jahren nach Auffassung der IG Metall selbst dann auf Neueinstellungen angewiesen, wenn sie die Belegschaft nicht ausweiten wollen. Denn der Umfrage zufolge sind 15 Prozent der Beschäftigten in den Betrieben in Norddeutschland mindestens 55 Jahre alt. Zudem hätten 71,5 Prozent der Unternehmen schon jetzt Probleme, offene Stellen mit qualifizierten Fachkräften zu besetzen.

„Die Firmen sind auf den demografischen Wandel nicht vorbereitet“, sagt Geiken. Sie müssten unter anderem mehr Auszubildende einstellen. Erforderlich sei eine Ausbildungsquote von acht Prozent, tatsächlich liege sie in der Branche aktuell aber nur bei knapp fünf Prozent.

Der Anteil der Frauen in den Belegschaften nimmt offenbar allmählich zu: Während er im Norden gemessen an der Gesamtzahl der Beschäftigten bisher erst 12,9 Prozent beträgt, sind immerhin schon 20 Prozent der Auszubildenden weiblich.