Immer mehr Berufstätige geben ihre Festanstellung auf und wagen den Schritt in die Selbstständigkeit

Hamburg. Lange überlegen musste Omar Tarin nicht. Ein heruntergekommenes altes Marktmeisterhäuschen in Barmbek hatte es ihm angetan, weil daraus ein Café werden sollte. Als er davon hörte, machte er sich sofort an die Ausarbeitung eines Konzepts. „Ein eigenes Café zusammen mit meiner Frau zu betreiben, das war schon immer unser Traum“, sagt der 32-Jährige. Sein Konzept überzeugte schließlich auch den Bezirk, der das Café verpachtet. Tarin setzte sich mit seinen Ideen gegen rund 20 andere Bewerber durch und investierte rund 60.000 Euro in die Inneneinrichtung. „Meine Frau hat ein Händchen für das Design“, sagt der Betreiber. Weiß-braune Farbtöne bestimmen die Inneneinrichtung des im April eröffneten Cafés Pantarin. Das heißt auf Tschechisch Herr Tarin. „Unser Angebot wurde von Anfang an gut angenommen“, sagt er.

Auch Monika Ertl aus Eppendorf hat mit ihrem Spitznamen bei der Benennung ihres Cafés gespielt. Erst vor zwei Monaten hat sie mokis goodies eröffnet. Goodies stehen für die selbst zubereiteten Köstlichkeiten wie Kuchenspezialitäten, Quiches und Salate. Bisher hat sie nur auf Bestellung für andere Cafés gebacken. „Die Nachfrage war so groß, dass ich meine Produktionsstätte vergrößern musste. Da lag es nahe, gleich noch ein eigenes Café einzurichten“, sagt Ertl.

In Hamburg entstehen seit einigen Jahren immer mehr Cafés. „Die Betreiber profitieren von veränderten Lebensgewohnheiten“, sagt Gregor Maihöfer, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes Dehoga Hamburg. „Gefragt ist das Frühstück außer Haus auf dem Weg zur Arbeit und der Brunch zum Wochenende mit Freunden oder Verwandten.“ Nach seiner Schätzung gibt es in Hamburg rund 20 bis 30 Prozent mehr Cafés als vor sieben oder acht Jahren. Allerdings sind in dieser Zahl auch die Bäckereishops und die Filialen von Starbucks, Balzac und Co. mit eingerechnet. In Hamburg gibt es rund 1500 Cafés, Coffeeshops, Bäckereien und Eiscafés eingeschlossen, schätzt der Deutsche Kaffeeverband. Damit ist fast jede zweite gastronomische Einrichtung in Hamburg ein Café.

Die Cafés haben ganz neue Zielgruppen erschlossen. „Das Publikum ist wesentlich jünger geworden“, sagt Maihöfer. Außerdem wurde das Konzept vom klassischen Kaffeehaus an neue Bedürfnisse angepasst. Tanja Böhm-Rupprecht hat mit ihrem Adele & Clodwig in Ottensen ein ungewöhnliches Konzept umgesetzt. Im vorderen Bereich der insgesamt 125 Quadratmeter gibt es das gemütliche Café und dahinter mehrere Räume mit schönen Dingen, die gekauft werden können. „Das Konzept habe ich in Stockholm gesehen“, sagt die gelernte Schifffahrtskauffrau. Im eigenen Geschäft legt sie Wert auf in Hamburg handgefertigte Dinge wie Naturseifen von Edelschaum oder Post- und Grußkarten von Papier ahoi. Aber auch aufbereitete alte Möbel sind im Angebot, und selbst die Kaffeehaustische sind verkäuflich. Außerdem gibt es viel Platz für Kinderwagen und auch einen Wickeltisch.

Eine ganz andere Zielgruppe hat Petra Viehstädt mit ihrem Café Beerental – das Tortenparadies in Eißendorf – im Blick. Sie bewirtet häufig Trauergesellschaften. „Die Lage des Cafés ist nicht für Laufkundschaft geeignet“, sagt sie. Außerdem verkauft sie ihre nach eigenen Rezepten gebackenen Torten außer Haus. „An einem Wochenende gehen schon mal 30 bis 40 Torten über den Tresen“, sagt sie. Ihre Spezialität ist die Verarbeitung von Dinkelmehl, etwa zu einer Heidelbeer-Dinkeltorte. „Als ich das Café übernommen habe, musste ich seinen guten Ruf erst einmal wiederherstellen. Jetzt läuft es durch die Weiterempfehlung meiner Gäste gut“, sagt Viehstädt. Am Sonntag kommen viele Stammgäste.

Die vielen Neugründungen werden durch leichte Zugangsvoraussetzungen gestützt. „In der Gastronomie gibt es sehr niedrige Markteintrittsbarrieren“, sagt Stefanie Huppmann, Leiterin des Start-up-Centers der Hamburger Sparkasse. „Im Jahr finanzieren wir rund 30 Projekte im Bereich der Gastronomie.“ So wurde zum Beispiel das Pantarin und mokis goodies von der Haspa finanziert, weil die Konzepte stimmig sind. „Die Cafés benötigen ein unverwechselbares Profil“, sagt die Gründungsexpertin. Viel für den Erfolg hänge auch vom Standort ab.

Das Pantarin an der Fuhlsbüttler Straße liegt direkt neben dem Barmbeker Wochenmarkt, der dreimal in der Woche stattfindet. „Der Markt wird immer größer und erhöht so seine Anziehungskraft“, sagt Tarin. „Das ist optimal für uns.“ Mit dem Quartier 21, der Wohnbebauung auf dem Gelände des ehemaligen Krankenhauses Barmbek, ist auch die Kaufkraft in dem Stadtteil gestiegen. Das Café ist sieben Tage die Woche von 9 bis 18 Uhr geöffnet, und Tarin denkt schon über längere Öffnungszeiten und eine Erweiterung des Speisenangebots nach.

Die Café-Betreiber sehen ihre Konkurrenz nicht in den Coffeeshops und Bäckereiketten. „50 Prozent unserer Kunden sind Stammgäste, und sie freuen sich vor allem, wenn wir wissen, welchen Kaffee sie bevorzugen“, sagt Tarin. „Diesen Wiedererkennungseffekt gibt es in einer Kette nicht.“ Das sieht Maihöfer ähnlich. „Es werden ganz unterschiedliche Zielgruppen angesprochen“, sagt der Dehoga-Chef. „Bei den Bäckereien und Coffeeshops geht es um den schnellen Kaffee oder Snack zwischendurch. Bei den Cafés steht das gemütliche oder hippe Erlebnis im Vordergrund.“

Schwedische Kaffeekultur will David Vahabi nach Hamburg bringen. Vor acht Monaten hat er zusammen mit seinem Geschäftspartner Benjamin Link den Stockholm Espresso Club in Winterhude eröffnet. „Wir verstehen uns als die Sommeliers der Kaffeewelt“, sagt Vahabi. Er hat sich den alleinigen Vertrieb von Kaffee der Rösterei Koppi in Deutschland gesichert. Die schwedische Kaffeeröstung ist heller und enthält fast keine Bitterstoffe. „Das sorgt für einen transparenteren Geschmack. So lassen sich die Aromen leichter erkennen“, sagt Vahabi. Die Röstungen von Koppi vertreibt er auch an andere Gastronomen. Jetzt plant er einen Onlineshop, um auch Endverbraucher zu beliefern.

Vahabi hat lange an seinem Konzept gefeilt. Von der Idee bis zur Eröffnung dauerte es zwei Jahre, ein umfangreicher Umbau des Ladenlokals eingeschlossen. Tanja Böhm-Rupprecht feilt permanent an ihrem Konzept von Adele & Clodwig. „Der Laden soll ständig im Wandel sein“, sagt sie und spürt gern in Berlin, London oder Amsterdam ungewöhnliche Gegenstände für ihr Café auf. „Bisher war ich bei der Auswahl recht treffsicher, kaufe aber stets auch nur kleine Serien von zehn oder 20 Stück“, sagt Böhm-Rupprecht. Der Verkauf schöner Dinge ist auch für den geschäftlichen Erfolg von Bedeutung. Denn die Margen sind größer als bei Kaffee und Törtchen.

Haspa-Expertin Huppmann kennt auch die Schattenseiten des Gründungseifers in der Gastronomie. Die Gefahr des Scheiterns sei überproportional hoch. „Es gibt bei den Betreibern eine hohe Fluktuation und überdurchschnittliche viele Insolvenzen“, sagt sie. Ursachen sind geringes Eigenkapital, hoher Wettbewerbsdruck und mangelnde Qualifikation. „Wir beobachten den Trend, dass gerade in der Gastronomie sehr viele Gründer branchenfremd sind.“

So wie Omar Tarin, der für das eigene Café die sichere Anstellung bei der Otto Group aufgab. Der Fachwirt profitiert von seiner höheren kaufmännischen Qualifikation und einem externen Berater. „Es gibt bei einem Umbau immer ungeplante Überraschungen, auf die man sich einstellen muss“, sagt Tarin. Petra Viehstädt hat das Bistro einer Fitnesskette mit 14 Angestellten geleitet, bevor sie das Café in Harburg übernahm. „Ich wollte weg von der administrativen Arbeit und wieder als Konditorin arbeiten“, sagt sie. Ob Seiteneinsteiger oder Profi mit viel Branchenerfahrung: Die inhabergeführten Cafés erfordern höchsten persönlichen Einsatz. Wochenende und Urlaub gibt es nicht, denn mehr als eine Aushilfe ist oft nicht möglich. Mit zwei Festangestellten und einer Aushilfe hat Monika Ertl in ihrem mokis goodies schon einen großen Personalstamm. Doch die ausgebildete Wirtschaftspädagogin, die sich ihre praktische Erfahrung bei Praktika in Bäckereien geholt hat, stellt auch Kuchen und Torten für andere her. Ihre Spezialität sind glutenfreie Kuchen und ein veganer Käsekuchen. „Sojajoghurt mit Apfelmus und Reismilch ersetzt den Quark“, sagt Ertl.

Noch wird in der Bahrenfelder Straße 231 gebaut. Doch der Mietvertrag für ein Ladenlokal ist schon unterschrieben. Zum 1. Dezember soll hier eine originalgetreue französische Patisserie-Boulangerie mit einem kleinen Café eröffnen. Wer bisher Croissants, das Hefegebäck Briochettes, Baguettes oder Tartes der französischen Konditorei Patisserie aus Hamburg probieren wollte, musste sie auf Gourmetmärkten kaufen oder im Vier Jahreszeiten frühstücken. „Wir haben bisher nur professionelle Gastronomen und Hoteliers beliefert“, sagt Nissa Groening, die mit ihrem Lebensgefährten Pierre Ouvrard gemeinsam die Patisserie betreibt. Mit dem eigenen Ladengeschäft und Café soll sich das ändern. „Hier wird es alles geben, was man auch in einer französischen Bäckerei findet“, sagt Groening. „Wir backen nur mit Originalzutaten.“ Die Café-Landschaft in Hamburg hat dann eine weitere Facette.