Co-Chef der Deutschen Bank soll sich wegen möglichen Prozessbetrugs im Fall Kirch vor Gericht verantworten.

Frankfurt. Der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, muss fürchten, künftig viel Zeit im Gerichtssaal zu verbringen. Insidern zufolge hat die Münchner Staatsanwaltschaft eine rund 600 Seiten umfassende Anklageschrift beim Landgericht eingereicht. Hintergrund sind lange Ermittlungen wegen versuchten Betrugs im Prozess um die Pleite der Kirch-Mediengruppe. Wie zwei Verfahrensbeteiligte der Nachrichtenagentur Reuters sagten, wollen die Strafverfolger auch Fitschens Amtsvorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei weitere Ex-Vorstände auf die Anklagebank bringen. Die Deutsche Bank wies die Vorwürfe am Dienstag erneut als haltlos zurück, wollte die neuen Entwicklungen aber nicht kommentieren.

Auch die Verteidiger lehnten eine Stellungnahme ab. Ob das Gericht tatsächlich einen Prozess zulässt, ist offen. Die Kisten voller Beweismaterial müssen erst einmal geprüft werden. Trotzdem sind die ersten Großinvestoren bereits nervös: „Schon die Tatsache, dass eine Anklage gegen einen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank erhoben wird, ist beschämend und beschädigt das Geldhaus“, kritisierte ein Fondsmanager.

Über die Anklage hatte zuvor auch die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Der 65-jährige Fitschen, der auch Präsident des Bankenverbands BdB ist, steht nun zum Ende seiner Karriere vor einem seiner schwersten Kämpfe. Laut Aufsichtsratskreisen will der Niedersachse einen möglichen Prozess bis zum Ende durchfechten. Das könnte für Fitschen auch eine große zeitliche Belastung werden: Ein Angeklagter muss zu jedem Verhandlungstermin kommen. Doch Fitschen will sich nach Angaben von Vertrauten sein Vermächtnis bei Deutschlands größtem Geldhaus nicht kaputt machen lassen. Denn weithin wird erwartet, dass sich Fitschen mit Auslaufen seines Vertrages 2017 in den Ruhestand verabschiedet und sein jüngerer Kompagnon an der Konzernspitze, Anshu Jain, das Ruder dann alleine übernimmt.

Mit Vorstandschefs im Gerichtssaal hat die Deutsche Bank Erfahrung: Vor über zehn Jahren machte Ackermann mit seinem berühmten Victory-Zeichen zum Auftakt des Mannesmann-Prozesses Schlagzeilen. Der Schweizer wurde damals zusammen mit weiteren Top-managern der Untreue beschuldigt. Der Prozess wurde 2006 eingestellt, Ackermann musste 3,2 Millionen Euro zahlen. Klaus Nieding von der Aktionärsvereinigung DSW gibt sich gelassen – noch: „Herr Fitschen muss im Moment nicht zurücktreten. Sollte es aber zu einer Verurteilung kommen, müsste man das neu bewerten.“

Die Rechtsstreitigkeiten um den Zusammenbruch der Kirch-Gruppe verfolgen die Deutsche Bank bereits seit zwölf Jahren. Leo Kirch, der 2011 starb, und seine Erben hatten der Bank die Schuld an der Pleite gegeben. Sie hatten die Ansicht vertreten, der damalige Bankchef Breuer habe den Konzern mit einem Interview im Februar 2002 in die Pleite treiben wollen, um lukrative Aufträge für die Bank aus der Zerschlagung der Kirch-Gruppe zu bekommen. Zwar beendete die Bank den Streit zu Jahresbeginn mit einem 925 Millionen Euro schweren Vergleich und kam damit einem Richterspruch zuvor.

Doch für die Justiz war der Fall nicht abgeschlossen. Richter Guido Kotschy, der das Schadenersatzurteil fällte, hatte Aussagen der Manager in dem Prozess als unglaubwürdig kritisiert. Damit rief er die Staatsanwaltschaft auf den Plan. Der Verdacht: Die Bank habe das Oberlandesgericht täuschen wollen, um ein Schadenersatzurteil abzuwenden. Die jahrelangen Ermittlungen zogen immer weitere Kreise, immer länger wurde die Liste der Beschuldigten nach mehreren Durchsuchungen der Deutschen Bank und anderer Räumlichkeiten. Als wichtigstes Verfahren gilt nun das gegen Fitschen, Breuer, Ackermann sowie den früheren Aufsichtsratschef Clemens Börsig und Ex-Personalvorstand Tessen von Heydebreck. Fast alle Manager hatten übereinstimmend den Vorwurf Kirchs zu widerlegen versucht, Breuer habe den Konzern mit dem Interview absichtlich in die Pleite treiben wollen. Fitschen hatte ausgesagt, er könne sich an die Geschehnisse nicht mehr erinnern.