ZEW-Index bricht so stark ein wie seit zwei Jahren nicht mehr. Ukraine-Krise verunsichert Unternehmen. Arbeitgeberpräsident warnt vor überzogenen Lohnforderungen

Berlin/Mannheim. Die Warnsignale für die deutsche Wirtschaft mehren sich. Die Konjunkturerwartungen führender Finanzexperten verschlechterten sich im August deutlich. Auch das Bundeswirtschaftsministerium stellte fest, dass die deutsche Wirtschaft an Fahrt verloren habe. Diese Einschätzungen nehmen die Arbeitgeber zum Anlass, vor überzogenen Lohnforderungen zu warnen.

Vor allem wegen der internationalen Krisenherde und der Wirtschaftssanktionen gegen Russland brach der vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ermittelte Konjunkturindikator im August so stark ein wie seit über zwei Jahren nicht mehr. Der Wert ging im Vergleich zum Vormonat um 18,5 Punkte auf 8,6 Punkte zurück, wie das Institut am Dienstag in Mannheim mitteilte. Der Absturz überraschte selbst viele Ökonomen.

Die deutlichste Ursache für den Einbruch der Erwartungen ist aus Sicht von ZEW-Konjunkturexperte Jesper Riedler die Unsicherheit wegen der Ukraine-Krise. „Die Unternehmen, auch wenn sie nicht direkt betroffen sind, sind unsicher und warten erst einmal ab, wie sich die Krise entwickelt“, sagte er. Auch wegen der Nahost-Krise schöben Unternehmen Investitionen auf. Es ist der achte Rückgang des ZEW-Indikators in Folge und der stärkste Einbruch seit Juni 2012.

Die enttäuschenden ZEW-Daten knüpften an eine Reihe unerwartet schwacher Konjunkturdaten aus der größten europäischen Volkswirtschaft an. Zuletzt waren bereits die Auftragseingänge und die Produktion in der Industrie deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Wirtschaftsleistung Deutschlands dürfte sich nach Einschätzung des Wirtschaftsministeriums im zweiten Quartal sogar abgeschwächt haben. Die mit Spannung erwarteten Daten zur Wirtschaftsentwicklung stellt das Statistische Bundesamt am Donnerstag vor.

Angesichts der Unsicherheiten dämpfen die Arbeitgeber die Erwartungen an die anstehenden Lohnrunden. „Die konjunkturellen Aussichten trüben sich zurzeit ein bisschen ein“, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. „Ich glaube, dass das Wachstum in diesem Jahr noch bei um die zwei Prozent bleiben wird.“ Es gebe aber „graue Wolken am Horizont“ – vor allem in Form rückläufiger Auftragseingänge. Das könnte das Wachstum 2015 und 2016 dämpfen. „Wir stehen nicht in der Gefahr einer Rezession“, schränkte er jedoch ein. Auch eine Deflation – eine Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und schrumpfender Wirtschaftsentwicklung – sehe er nicht.

Der Chef der Bundesvereinigung der deutsche Arbeitgeberverbände (BDA) kritisierte zugleich die von Bundesbank und Europäischer Zentralbank (EZB) angestoßene Debatte zur Tarifpolitik. Diese hätten zwar keine konkreten Lohnempfehlungen für Deutschland gegeben. Die Äußerungen seien aber überflüssig und in keiner Weise hilfreich gewesen, da sie gegenteilige Interpretationen ermöglicht hätten. Die Tarifabschlüsse des ersten Halbjahres lagen zwischen 1,2 und 3,1 Prozent. Das bedeute wegen der Mini-Inflation real Einkommenszuwächse für die Beschäftigten.