Russland soll Rekordstrafe zahlen. Zerschlagung des Ölkonzerns ist laut Schiedsgericht in Den Haag politisch motiviert gewesen

Den Haag. Nach der aufsehenerregenden Zerschlagung des einst weltgrößten Ölkonzerns Yukos hat ein Schiedsgericht Russland zur Zahlung einer Milliardenentschädigung verpflichtet. Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag sprach den früheren Mehrheitsaktionären des Unternehmens des Kreml-Gegners Michail Chodorkowski eine Rekordsumme von 50 Milliarden US-Dollar (37,2 Milliarden Euro) zu. Die Zerschlagung sei politisch motiviert gewesen, hieß es in dem am Montag bekannt gegebenen Urteil.

Summe entspricht 2,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte, das Land werde alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um seine Position darzulegen. Die Milliardenentschädigung könnte das Land nach den Sanktionen im Zuge der Ukraine-Krise vor erhebliche Schwierigkeiten stellen.

Chodorkowskis Konzern war Anfang des Jahrtausends aufgelöst worden. Der russische Staat und Gerichte warfen dem einst reichsten russischen Ölmagnaten und mehreren seiner Geschäftspartner schwere Wirtschaftsstraftaten vor. Der Prozess war immer wieder als politisch motiviert kritisiert worden. Chodorkowski kam für zehn Jahre in Lagerhaft und erst nach einer Begnadigung durch Präsident Wladimir Putin kurz vor Weihnachten 2013 frei. Verbündete beharren darauf, dass Chodorkowski wegen Steuerhinterziehung und Betrugs verurteilt wurde, weil er Putin-Gegner finanzierte und die Korruption anprangerte. Der mittlerweile in der Schweiz lebende Kreml-Gegner begrüßte die Entscheidung des Schiedsgerichts: „Es ist fantastisch, dass den Yukos-Aktionären eine Chance auf Schadenersatz gegeben wird.“ Zugleich verwies er darauf, nicht finanziell von dem Richterspruch zu profitieren.

Frühere Aktionäre fühlen sich durch die Zerschlagung des Ölkonzerns quasi enteignet. Ein Teil zog daher vor den internationalen Schiedsgerichtshof. Bei den Klägern handelt es sich um die Besitzer der Group Menatep Limited (GML), der zuletzt Yukos mehrheitlich gehörte. Sie hatten rund 100 Milliarden Dollar Entschädigung gefordert.

Der vorrangige Grund für die Yukos-Zerschlagung sei nicht das Eintreiben von Steuern gewesen, sondern den Konzern in den Bankrott zu treiben, hieß es in der Entscheidung. Damit folgte das Gericht im Kern der Argumentation der Kläger. Es war das größte Verfahren in der Geschichte der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, die Verhandlungen erstreckten sich über fast zehn Jahre. Einen der drei Richter hatte Russland nominiert. Beide Seiten haben das Recht, die Entscheidung vor einem ordentlichen niederländischen Gericht anzufechten. Dann würden aber nicht noch einmal die Fakten, sondern nur Verfahrensfragen geprüft.

Die Gegenseite zeigte sich zuversichtlich, das Geld auch zu bekommen. „Wir haben keinen Anlass zu der Vermutung, dass Russland seinen internationalen Verpflichtungen nicht nachkommt“, sagte Klägeranwalt Emmanuel Gaillard in London. GML-Chef Tim Osborne sagte, es gebe eine Strategie, wie das Geld eingetrieben werden soll. Nähere Angaben machte er nicht.

Russland hatte die Aktiva von Yukos über mehrere Jahre bei Auktionen verkauft. Sollte Russland diese Summe zahlen müssen, wäre dies ein schwerer Schlag für die ohnehin von Rezession geplagte Wirtschaft. Die Schadenersatzsumme entspricht etwa 2,5 Prozent der russischen Wirtschaftskraft oder 57 Prozent der für Haushaltslöcher zurückgelegten Reserven. 50 Milliarden Dollar hatte Russland in etwa auch für die Olympischen Winterspiele in Sotschi ausgegeben.