Handelskammer soll exakte Ergebnisse der Präsidiumswahlen veröffentlichen. Bei den Handwerkern durfte ein Fotografenmeister nicht kandidieren

Hamburg. Die Hamburger Kammern müssen sich mit massiver Kritik an ihrem Demokratieverständnis auseinandersetzen. So erwägt der Bundesverband für freie Kammern (bffk) eine Klage, um die Veröffentlichung der exakten Ergebnisse der Präsidiumswahlen der Handelskammer zu erzwingen. „Man muss schon im Kern den demokratischen Anstand aufgegeben haben, wenn man meint, Wahlergebnisse seien Privatsache oder ein Geschäftsgeheimnis“, sagte bffk-Geschäftsführer Kai Boeddinghaus. Rückendeckung bekommt der Verband unter anderem durch eine Stellungnahme des Hamburger Datenschutzbeauftragten, Johannes Caspar.

Es geht um die hart umkämpfte Wahl vom 8. Mai, bei der das Plenum Präses Fritz Horst Melsheimer in seinem Amt bestätigte und auch diverse weitere Mitglieder ins Präsidium gewählt wurden. Die Wiederwahl Melsheimers war umstritten, da für seine erneute Kandidatur im Vorfeld extra die Satzung geändert werden musste. Nach der Wahl wurde zwar mitgeteilt, Melsheimer sei mit „sehr großer Mehrheit“ gewählt worden, die Veröffentlichung der Einzelstimmenergebnisse untersagte die Kammerführung aber unter anderem mit dem Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken.

Der Hamburger Unternehmer Stefan Duphorn wollte dies nicht hinnehmen, holte sich Hilfe beim kammerkritischen bffk und rief zur Vermittlung den Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Caspar an. Dessen Behörde hat die Bedenken der Kammer nun in mehreren Punkten vom Tisch gewischt, wie aus einer Stellungnahme hervorgeht, die dem Abendblatt vorliegt.

Es bestehe ein „überwiegendes Interesse“ an einer Veröffentlichung der Stimmzahlen, heißt es in dem Schreiben. „Berufliche Nachteile“ der Kandidaten seien durch eine solche Offenlegung nicht zu befürchten. Der „Kernbereich des Rechts auf informelle Selbstbestimmung“ bleibe unangetastet. Im Grundsatz können die Datenschützer keinen Unterschied zu anderen öffentlichen Wahlen wie etwa zu denen des Bundestags erkennen.

„Diese Stellungnahme ist aus unserer Sicht eine schallende Ohrfeige für die Handelskammer“, sagte bffk-Geschäftsführer Boeddinghaus. Sollte man nun der Pflicht zur Veröffentlichung der Daten nicht nachkommen, so erwäge man gemeinsam mit Kammermitglied Duphorn und anderen demokratischen Organisationen eine Klage.

Auch der Sprecher des Reformbündnisses „Die Kammer sind WIR“, Tobias Bergmann, forderte die Kammer zur Veröffentlichung der Ergebnisse auf. „Die Handelskammer muss transparenter werden“, sagte er. Dies sei schon seit Langem eine zentrale Forderung des Bündnisses, für die man nun durch die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten weitere Rückendeckung erhalten habe.

Ungeachtet der Kritik will die Handelskammer zunächst aber an ihrer bisherigen Praxis festhalten. „Weil unsere Satzung keine Veröffentlichung des Wahlergebnisses zum Präsidium vorsieht, konnten alle Kandidaten wie auch in der Vergangenheit in der gut begründeten Annahme zur Wahl antreten, dass ihre individuellen Wahlergebnisse nicht publiziert werden“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Reinhard Wolf. „Um unsere Rechtsauffassung – gerade im Hinblick auf mögliche Verletzungen der Persönlichkeitsrechte der Kandidaten – noch einmal extern überprüfen zu lassen, haben wir eine der renommiertesten Kanzleien auf diesem Fachgebiet mit einer Expertise beauftragt. Dieses Gutachten hat unsere Haltung zur Nichtveröffentlichung eindeutig bestätigt, weshalb wir uns daran gebunden fühlen.“

Ungeachtet dessen werde man allerdings eine Satzungsänderung im Hinblick auf die Veröffentlichung zukünftiger Präsidiumswahlen diskutieren. Dabei würden „natürlich auch die Argumente des Datenschutzbeauftragten sorgfältig geprüft und in die Meinungsbildung einfließen“.

Während sich die Handelskammer noch auf eine juristische Auseinandersetzung mit ihren Kritikern vorbereitet, hat die Wahl zur Vollversammlung der Handwerkskammer bereits ein rechtliches Nachspiel. Am Freitag trat der Wahlprüfungsausschuss am Holstenwall zusammen, um über den Widerspruch des Hamburger Fotografenmeisters Christian Anhalt zu beraten, dessen unabhängige Kandidatur im Frühjahr nicht zugelassen worden war.

Anhalt wollte bei der Wahl zur Vollversammlung abseits der sonst üblichen, von den Innungen festgelegten Listen antreten. Die Kandidaten auf diesen offiziellen Listen werden im Rahmen einer Friedenswahl bestimmt: Sie werden bekannt gegeben und gelten nach einigen Wochen als gewählt, wenn niemand Einspruch erhebt. Eine Abstimmung im engeren Sinne findet nicht statt.

Der Fotografenmeister stellte hingegen eine sogenannte unvollständige Liste auf, die zum Teil aus ihm selbst bestand und zum Teil Bezug auf die Kandidaten aus den offiziellen Listen nahm. „Eine solche Kandidatur ist aus unserer Sicht zulässig“, sagt Boeddinghaus, der mit seinem Verband auch Anhalt bei seinem Widerspruch unterstützt. Eine entsprechende Auffassung habe auch das Hamburger Verwaltungsgericht in einem Urteil vom November vergangenen Jahres vertreten.

Bei der Handwerkskammer hält man die eingereichte Liste hingegen für unzulässig. „Nach dem Willen des Gesetzgebers sind Listenwahlen vorgeschrieben“, sagt Kammerpräsident Josef Katzer. „Danach können nur vollständige Listen akzeptiert werden, keine Teilwahlvorschläge.“ Bei Teilwahlvorschlägen würde gegen den erklärten Willen der Kandidaten der einen Liste so getan, als würden sie auch für die andere Liste kandidieren. Hierdurch werde das passive Wahlrecht verletzt.

Eine Entscheidung über den Einspruch Anhalts wird der Wahlprüfungsausschuss frühestens in sechs Wochen fällen. In einem Punkt aber ist die Handwerkskammer schon heute fortschrittlicher als die ebenfalls kritisierte Handelskammer: Das Wahlergebnis von Präsident Katzer ist öffentlich zugänglich: Er wurde im Mai mit 31 Ja-, drei Neinstimmen und zwei Enthaltungen im Amt bestätigt.