Dritter Verhandlungstag in Leipzig zur Elbvertiefung. Es geht ins Detail. Richter wollen die Anhörung möglichst in der kommenden Woche beenden

Leipzig. Die Anhörung zur Elbvertiefung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird voraussichtlich in der kommenden Woche abgeschlossen sein. Allerdings steht auch dann erst fest, ob das Gericht in dem Verfahren Präzisierungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) abwartet, oder ob es auf Grundlage der umfassenden Akten und der öffentlichen Anhörung selbst zu einem Urteil kommt. „Wir hegen die Hoffnung, dass wir in der kommenden Woche zum Abschluss kommen, dass wir die Anhörung beenden können“, sagte am Donnerstag Rüdiger Nolte, der Vorsitzende Richter des 7. Senats, der das Verfahren zur Erweiterung der Elbfahrrinne leitet.

Die Umweltverbände BUND und Nabu beklagen, unterstützt vom WWF, das Planfeststellungsverfahren der Stadt Hamburg und des Bundes zur Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne zwischen Hamburg und der Deutschen Bucht. Sie halten die ökologischen Auswirkungen einer weiteren Ausbaggerung der Elbe für unvertretbar. Die Hafenwirtschaft und der Hamburger Senat hingegen nennen die Erweiterung der Fahrrinne unverzichtbar, um Hamburgs Position im internationalen Wettbewerb der Häfen angesichts immer mehr, immer größerer Schiffe zu sichern. Geplant sind in der kommenden Woche von Dienstag bis Donnerstag drei weitere Tage, um in der Anhörung vor Gericht dem Senat die Erläuterungen der Fachleute und Gutachter beider Streitparteien zu zahlreichen offenen Fragen zu geben.

Am Dienstag soll es, vereinfacht gesagt, um die Sorgfalt der Planungsbehörden bei der Ermittlung und Abschätzung von Risiken und Folgeschäden durch die Erweiterung des Stroms gehen. Am Mittwoch stehen Fragen zum europäischen Wasserrecht im Mittelpunkt. Bekommt das Gericht diese ausreichend geklärt, muss die Präzisierung des EuGH nicht abgewartet werden. Im Frühjahr hatte der 7. Senat in Leipzig das parallel laufende Verfahren zur Weservertiefung zur Klärung europarechtlicher Fragen ausgesetzt. Es könnte bis zum Frühjahr 2015 dauern, bis der EuGH die entsprechenden Interpretationen vorlegt. Der kommende Donnerstag ist als Reservetag geplant.

Beteiligte der Streitparteien hoben die hohe Qualität des Verfahrens hervor. „Es ist eine sachgerechte Diskussion auf hohem Niveau“, sagte Alexander Porschke, der Vorsitzende des Nabu Hamburg. „Wie das Verfahren am Ende ausgeht, ist für mich völlig offen. Das Gericht lässt deutlich erkennen, dass es nicht parteiisch ist. Es wird sehr ernsthaft verhandelt.“ Porschke sagte, die Anhörung lasse „Schwachstellen des Planungsverfahrens deutlich erkennen“. Welche Argumente am Ende stärker gewichtet würden, dürfe allerdings nicht von einzelnen thematischen Aspekten abhängen. „Die Auswirkungen zum Beispiel bei der Bildung von Sedimenten oder bei der Zunahme von Schwebstoffen im Wasser wird hier mit Blick auf die geplante nächste Elbvertiefung intensiv diskutiert.“

Wolfgang Hurtienne, Geschäftsführer der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA), sagte: „Ich bin sehr beeindruckt davon, wie das Gericht arbeitet. Mit der stringenten Verhandlungsweise vermeidet es der Vorsitzende Richter, dass Themen oder Fakten zerredet oder politisiert werden. Aus meiner Sicht fällt damit auch die Kritik in sich zusammen, dass sich das Gericht und die Streitparteien sehr viel Zeit für die Vorbereitung des Verfahrens genommen haben.“

Inhaltlich ging es am Donnerstag unter anderem um die Lebensbedingungen von Zugvögeln wie denen des afrosibirischen Knutts. Der Vogel ernährt sich auf seinen Rastplätzen an der Deutschen Bucht von einer Muschel, die aus Sicht der Umweltverbände durch die Elbvertiefung in ihrem Bestand gefährdet wäre und damit auch die Population der durchziehenden Vögel. Die beschriebenen Auswirkungen basieren auf Prognosen, deren Plausibilität das Gericht bewerten muss. Bei diesem Thema wie auch bei der Frage, ob die Elbvertiefung zu mehr Überschwemmungen der Vogelschutzgebieten etwa bei Wedel führe, lieferten sich die Gutachter beider Seiten immer wieder einen direkten Schlagabtausch. Die Umweltverbände argumentierten, höhere Wasserstände nach der Ausbaggerung des Flusses gefährdeten durch Überschwemmungen die Rastplätze von Zugvögeln. Die beklagten Planungsbehörden hielten dagegen, dass in den vergangenen Jahrzehnten durch verstärkte Sedimentbildung per saldo sogar eher Vorland an den Flussufern neu aufgespült worden sei – das als zusätzlicher Schutz auch Rast- und Brutplätzen von Vögeln wirke.

Am Donnerstagnachmittag ging es unter anderem um die wesentliche Frage, ob es für den Hamburger Hafen überhaupt einen wachsenden Bedarf für die Abfertigung immer größer Schiffe gebe. „Es erscheint dem Senat schlüssig“, sagte der Vorsitzende Richter Nolte, dass immer mehr, immer größere Schiffe nur teilweise beladen nach Hamburg kämen, weil die nautischen Beschränkungen bei der Tiefe und Breite der Schiffe nichts anderes zuließen. Die Prognosen der Wirtschaft, dass die Zahl solcher Schiffe und damit auch der wirtschaftliche Druck auf den Hafen weiter zunähmen, „erscheinen dem Senat jedenfalls nicht unwahrscheinlich“.

Die wachsenden Schiffsgrößen sind ein zentrales Argument für die Begründung der Vertiefung und Verbreiterung der Elbe. Manfred Braasch, der Geschäftsführer des BUND Hamburg, wies das Argument der Planungsbehörden zurück. „Die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens ist durch die Vielzahl seiner Standortvorteile auch in der Perspektive gesichert.“ Vertreter der Hafenwirtschaft und der HPA hielten dagegen, dass die nautische Erreichbarkeit des Hafens durch immer größere Schiffe immer stärker eingeschränkt werde – und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit Hamburgs sinke.