Am Dienstag beginnt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Verhandlung über die Elbvertiefung. Wirtschaftssenator Horch über die Bedeutung der Fahrrinnenanpassung, Staus und Probleme bei der HHLA.

Hamburg. Am heutigen Dienstag beginnt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Verhandlung über die Elbvertiefung. Sechs Prozesstage sind angesetzt, ein Urteil könnte Ende August fallen.

Das Abendblatt sprach kurz vor der Verhandlung mit Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) über die ökonomische Bedeutung der geplanten Fahrrinnenanpassung, die Probleme beim Abtransport der Waren aus dem Hafen und die Folgen einer möglichen Niederlage vor Gericht.

Hamburger Abendblatt:

Herr Senator, haben Sie als passionierter Segler schon mal einen afrosibirischen Knutt an der Nordseeküste gesehen?

Frank Horch:

Nein, ich habe dort aber schon Robben und Lachse gesehen.

Dieser Schnepfenvogel – so befürchten Umweltschützer – könnte eines der Opfer der geplanten Elbvertiefung werden. Muss man das mit Blick auf die ökonomische Bedeutung der Elbvertiefung in Kauf nehmen?

Horch:

Wir haben bei unserem Planfeststellungsverfahren besonderen Wert auf den Deich- und Artenschutz gelegt. Auf alle Fragen, die das Gericht zu Tieren und Pflanzen rund um die Fahrrinnenanpassung hat, haben sich unsere Experten bestens vorbereitet.

Werden Sie am Dienstag beim ersten Verhandlungstag des Bundesverwaltungsgerichts vor Ort in Leipzig sein?

Horch:

Selbstverständlich.

Wie ist Ihr Gefühl mit Blick auf den Ausgang der Verhandlung?

Horch:

Ich habe ein gutes Gefühl. Denn wir haben alles für einen positiven Ausgang getan.

+++Hintergrund: Die Elbe – eine der wichtigsten Wasserstraßen Deutschlands+++

Hätten Hamburg und der Bund das langjährige Verfahren zur Erweiterung der Elbe, die langwierige Auseinandersetzung vor Gericht nicht abkürzen können – durch frühzeitige Kompromisse mit Umweltorganisationen und möglichen Klägern gegen das Verfahren?

Horch:

Nein, denn der heutige Stand der Planungen, den das Gericht beurteilen muss, enthält nur die Vorhaben, die für den Hamburger Hafen zwingend notwendig sind. Mit Blick auf das Spannungsverhältnis von Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne einerseits und den Anforderungen des Natur- und Umweltschutzes andererseits ist die Planfeststellung zugleich auch ein Kompromiss. Wie sollte es bei einem Bauprojekt solcher Größenordnung auch anders möglich sein? Die Fahrrinnenanpassung, die wir umsetzen wollen, stellt ja nicht das dar, was sich technisch maximal machen lässt, sondern das, was für den Hafen unabdingbar und zugleich ökologisch verantwortbar ist.

Bei der Frage der ökologischen Vertretbarkeit sind die Kläger anderer Meinung als Sie. Welche Folgen hätte es für den Hafen und für Hamburg, wenn das Gericht den Klagen stattgäbe und die Fahrrinnenanpassung verböte?

Horch:

Langfristige und schwerwiegende Konsequenzen. Die Folgen würde man nicht unbedingt von heute auf morgen sehen, aber mit der Zeit umso deutlicher. Der Abzug einzelner Linienverbindungen wäre noch das geringste Übel. Aber ohne Vertiefung und Verbreiterung der Elbe würden die internationalen Reedereien Hamburg nicht mehr uneingeschränkt als wichtigstes Drehkreuz der Schiffsverkehre zwischen Europa und Asien betrachten. Was das nach sich zöge, möchte ich mir nicht ausmalen. Allein in Norddeutschland selbst hängen rund 150.000 Arbeitsplätze vom Hafen ab. Für Schleswig-Holstein ist der Hamburger Hafen – wie auch für Hamburg – der wichtigste Arbeitgeber, für Niedersachsen ist er der zweitwichtigste nach Volkswagen.

Treten Sie zurück, wenn die Elbvertiefung als Ihr wichtigstes Projekt in dieser Wahlperiode scheitert?

Horch:

Nein, denn die Anpassung der Fahrrinne erstreckt sich bereits über mehr als zehn Jahre. Die Pläne stammen ursprünglich aus einer Zeit, in der wir in Hamburg eine völlig andere politische Konstellation hatten. Ich bin 2011 als Wirtschaftssenator angetreten, um mit aller Kraft die Hamburger Wirtschaft und besonders den Hafen zu unterstützen. Das habe ich getan, und das möchte ich gern auch weiter tun. Ich sage aber auch: Ein Scheitern der Elbvertiefung würde bedeuten, dass Hamburg, Norddeutschland und letztlich ganz Deutschland eine enorme Entwicklungschance verspielt.

Im ersten Halbjahr boomte der Umschlag im Hafen wie lange nicht. Steht der Hafen vor einem neuen Rekordjahr, dem ersten seit Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2008?

Horch:

Ja, Hamburg wird seine bisherigen Rekordzahlen beim Güterumschlag, die aus 2007 stammen, in diesem Jahr wohl übertreffen. Diese Entwicklung zeigt auch, warum wir eine Vertiefung und Verbreiterung der Elbfahrrinne dringend brauchen.

Mit dem Umschlagrekord einher gehen massive Probleme beim Abtransport der Waren aus dem Hafen. Vor allem der städtische Betreiber HHLA steht in der Kritik. Was muss sich ändern?

Horch:

Zunächst einmal ist die HHLA kein Verlustbringer, sondern eines der ertragreichsten Unternehmen mit städtischer Beteiligung. Bei der HHLA haben sich eine aber Reihe von Dingen überlagert und zugespitzt. Da ist es doch verständlich, dass man sich mit dem Vorstand zusammensetzt und schaut, was man verbessern kann. Wir nehmen die Vorwürfe ernst. Die HHLA ist manchmal schnell dabei, wenn es darum geht, was an anderer Stelle verbessert werden kann. Mit Selbstkritik tut sie sich manchmal ein bisschen schwer. Aber auch da sind wir gemeinsam auf einem guten Weg

Was soll denn verbessert werden?

Horch:

Wir wollen mehr Effizienz erreichen. Dazu könnte man die in den IT-Systemen vorliegenden Daten besser ausnutzen, um Abläufe auch zwischen den Beteiligten zu verbessern, was beispielsweise Wartezeiten für Lkw betrifft. Außerdem muss bei der HHLA eine Kommunikationskultur nach innen und nach außen entwickelt werden, mit der die Abfertigungsprozesse verbessert werden.

Trauen Sie dem aktuellen HHLA-Vorstand um Vorstandschef Klaus-Dieter Peters zu, die internen Probleme in Ihrem Unternehmen zu lösen?

Horch:

Wenn ich ihnen das nicht zutrauen würde, müsste ich sie morgen ablösen.

Ist daraus zu schließen, dass Sie Klaus-Dieter Peters’ Vertrag über 2016 hinaus verlängern?

Horch:

Die Frage stellt sich jetzt nicht.

Neben den internen Problemen bei der HHLA behindern derzeit auch viele Baustellen den Abtransport der Waren. Was läuft bei Ihrem Baustellenmanagement schief?

Horch:

Die Koordination der Baustellen läuft bestmöglich. Das weiß auch jeder, der sich mal mit den Mitarbeitern unserer Verkehrsabteilung unterhalten hat. Da arbeiten schließlich hoch ausgebildete Experten.

Baustellen gibt es derzeit dennoch viele...

Horch:

… weil wir einem gut ausgebauten Verkehrsnetz eine hohe Bedeutung beimessen und uns intensiv um dessen Sanierung kümmern. Wir wollen mit den Baustellen doch niemanden ärgern, sondern sie sind einfach notwendig. Eins mache ich privat aber immer, und das kann jeder andere auch: Ich informiere mich stets über die aktuelle Verkehrslage, bevor ich losfahre. Natürlich ärgert sich ein Autofahrer, wenn er im Stau steht. Aber jeder Verkehrsteilnehmer ist Teil des Ganzen und kann zur Lösung beitragen.