Deutsche Schifffahrtsunternehmen wollen so Kosten senken. Laut einer Umfrage ist keine Besserung der angespannten Branchenlage in Sicht

Hamburg. Sechs Jahre nach Beginn der Schifffahrtskrise sehen die deutschen Reeder keinerlei Besserung ihrer Situation. 60 Prozent der Unternehmen gehen nicht davon aus, dass sich die Schifffahrtsmärkte kurzfristig erholen werden. Die Auslastung der Schiffe sei sogar weiter gesunken. Die Anzahl der Reeder, die in den kommenden zwölf Monaten eine Verbesserung der Fracht- und Charterraten erwarten, ist gegenüber dem Vorjahr rückläufig. Das ist ein Ergebnis der großen Schifffahrtsstudie des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC).

104 der rund 350 in Deutschland noch tätigen Reedereien haben sich an der mittlerweile sechsten PwC-Umfrage dieser Art beteiligt. Ein weiteres Ergebnis: Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage sehen sich die Reeder gezwungen, ihre Flotte zu modernisieren und Kooperationen mit Wettbewerbern einzugehen. Nur eine knappe Mehrheit will am Standort Deutschland auf absehbare Zeit festhalten. Jeder vierte Reeder hat bereits Unternehmensbereiche ins Ausland verlagert.

Dabei halten es allerdings 74 Prozent der Befragten für ausgeschlossen, zentrale Bereiche wie die Buchhaltung und das Controlling zu verlagern. 45 Prozent können sich aber vorstellen die Frachtabwicklung und 79 Prozent die Personal- sowie Einsatzplanung aus Deutschland abzuziehen. „Wir sehen die Tendenz bei den Reedern, diesen Schritt zu gehen. Und das hätte Konsequenzen für den Schifffahrtsstandort Deutschland“, sagte der PwC-Schifffahrtsexperte Claus Brandt bei der Vorstellung der Studie.

„Das sind für die Beschäftigung in Deutschland sensible Bereiche“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder, Ralf Nagel. „Sie drohen vom hiesigen Standort zu verschwinden. Wir müssen jetzt – wie in anderen europäischen Ländern – mehr tun, um die Branche besser zu unterstützen. Es geht unter anderem darum, den Kostennachteil zwischen der Beschäftigung deutscher und ausländischer Seeleute auszugleichen.“

Nagel sieht die Wettbewerbsfähigkeit des maritimen Standorts Deutschland „mehr denn je“ gefährdet: „Die Auslastung der Schiffe ist nach wie vor völlig unbefriedigend. Die Erlöslage, gerade in der Containerschifffahrt, bleibt äußerst schwierig. Deswegen müssen die Unternehmen alle Möglichkeiten zur Kostensenkung nutzen, um am Markt zu bleiben.“

Das Beispiel der Reederei Niederelbe Schifffahrtsgesellschaft (NSB) in Buxtehude, die zum Jahresende 42 Containerschiffe aufgrund des Kostendrucks ausflaggen will, zeige, dass die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung zur Unterstützung der deutschen Flagge nicht ausreichen, sagte Brandt. „Man sollte überlegen, ob man die Rahmenbedingungen der Förderung ändert.“

Ein weiterer Trend sei die Bildung von Kooperationen. 51 Prozent der Befragten gaben an, bereits Geschäftsbereiche mit denen anderer Unternehmen zusammengelegt zu haben. Und 53 Prozent der Reeder planen weitere Kooperationen. Kleinere Zusammenschlüsse etwa bei der Bildung einer gemeinsamen Befrachtung oder Klarierung habe es vielfach in der Branche mit dem Ziel gegeben, Kosten einzusparen, sagte Brandt. Größter Hebel sei dabei eine Senkung der Schiffsbetriebskosten, zum Beispiel durch die Bildung einer Einkaufsgemeinschaft. „Mit dem Schmieröleinkauf, der Beschaffung von Ersatzteilen und sogar bei der gemeinsamen Abstimmung von Werftaufenthalten lassen sich erhebliche Preisvorteile erzielen“, sagte Brandt.

Der Studie zufolge glauben 89 Prozent der deutschen Reeder, dass es im kommenden Jahr zu mehreren Fusionen in der Schifffahrtsbranche kommen wird. „In der Größe liegt die Wirtschaftlichkeit“, sagte Brandt. Trotz des kurzfristigen Scheiterns der P3-Allianz von Maersk, MSC und CMA CGM hält der Experte den Plan noch nicht für erledigt: „Wenn man zwei Jahre lang intensiv auf diese Sache hingearbeitet hat, ist es doch nur verständlich, wenn man an dem Plan dranbleibt und versucht ihn auf einem anderen Wege zu realisieren – oder mit anderen Partnern.“ Gleichwohl habe das Scheitern der marktbeherrschenden Allianz für Erleichterung gesorgt, so Brandt: Bei den Linienreedern weil sie andernfalls hätten befürchten müssen, dass die Allianz ihre Kostenersparnis dazu genutzt hätte, die Frachtraten weiter zu drücken. Bei den Charterreedern weil sie befürchteten, dass nach dem Megazusammenschluss die Auslastung vor allem der kleineren Schiffe sinken könnte.

Trotz anhaltender Krise und weiterer Überkapazitäten investieren die deutschen Reeder wieder in neue Schiffe. 64 Prozent der Reedereien wollen in den kommenden zwölf Monaten Schiffe kaufen, ergab die Studie. Laut Brandt sei das aber nicht gleichzusetzen mit einer Vergrößerung der Flotten, sondern mit einem Umbau. Gleichzeitig würden nämlich ältere Schiffe verkauft. Die Reeder wollen moderne, sparsame und oft auch größere Schiffe einsetzen. Damit könnten sie dem Konkurrenzdruck besser begegnen. Auch Digitalisierung und Automatisierung schreiten voran.

In der Beurteilung künftiger technischer Möglichkeiten auf See bleiben die traditionsbewussten Reeder dennoch konservativ: Nur vier von 100 können sich vorstellen, dass Schiffe in absehbarer Zeit wie Flugzeugdrohnen von Land aus gesteuert werden.