Sofa-Landschaften, freier Internetzugang und Videoberatung. Die Geldhäuser in Hamburg gehen ungewöhnliche Wege, um Kunden anzulocken

Hamburg. Ein Coffeeshop, eine Lounge-Ecke mit Ledersofas und Tablet-Computern, eine tischgroße interaktive Hamburg-Stadtkarte – all das erwartet man nicht in einer Bankfiliale. In der Haspa-Zweigstelle am Jungfernstieg aber gibt es diese Dinge bereits. Damit kann sie als ein Signal für den aktuellen Wandel in der Bankenwelt gelten. Denn die Kreditinstitute stehen vor einem Dilemma: Die von ihnen aus Kostengründen selbst geförderte Zunahme des Online-Bankings führt dazu, dass die Kunden immer seltener in die Filialen kommen. Und dennoch bleiben die Zweigstellen wichtig, weil manche der für die Geldhäuser besonders gewinnträchtigen Finanzprodukte mit langjährigen Verträgen bevorzugt dort verkauft werden und nicht über das Internet. So ist die Zahl der Zweigstellen in Deutschland seit dem Jahr 2000 von 57.000 auf 36.000 gesunken und die HypoVereinsbank will in den nächsten Jahren sogar fast jede zweite ihrer Filialen schließen. Gleichzeitig suchen die Banken nach Ideen, wie sie wieder mehr Kunden in ihr verbliebenes Zweigstellennetz locken können.

Am weitesten vorgewagt hat sich die Deutsche Bank mit ihrer Modellfiliale Q110 an der Berliner Friedrichstraße. Auf den ersten Blick erinnert dort kaum noch etwas an eine Bank: In einem geräumigen Shop werden Designprodukte verkauft, es gibt Kuchen und Snacks, für Kinder hat man eine Betreuungsecke eingerichtet.

Die Commerzbank hat seit Ende vergangenen Jahres ebenfalls in Berlin sowie in Stuttgart so genannte „Flagship-Filialen“ eröffnet. In den weitläufigen, in Weiß und Grau gehaltenen Räumen mit einem riesigen beleuchteten Firmenlogo als Blickfang setzt das Unternehmen auf einen Mix aus Gastlichkeit und moderner Technik: Jeder Besucher soll am Eingang begrüßt werden, neben Sofa-Landschaften mit freiem WLAN findet sich eine Videokasse, über die Kunden auch am Wochenende eine persönliche Beratung erhalten.

Solche Modellfilialen seien „ein Experimentierfeld, auf dem man Konzepte ausprobieren kann und außerdem einen gewissen Marketingeffekt erzielt“, sagt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. Im Hinblick auf den Prestigewert kann der Haspa-Standort am Jungfernstieg zwar nicht mit den Vorzeigeobjekten der großen Wettbewerber mithalten. Aber dafür kann die Sparkasse darauf verweisen, dass sich ihr Konzept offensichtlich in der Praxis bewährt: „Zu Beginn im Jahr 2007 kamen hier im Schnitt täglich 2100 Menschen herein, inzwischen sind es 4300“, sagt Ingo Grziwa, Abteilungsleiter im Vertriebsmanagement für private Kunden. Allerdings lasse sich das Modell der mehr als 600 Quadratmeter großen Zweigstelle schon aus Platzgründen nicht unverändert auf alle anderen übertragen. Eine „gewöhnliche“ Haspa-Filiale hat zehn Beschäftigte, am Jungfernstieg sind es doppelt so viele.

Dennoch sollen auch die übrigen Standorte modernisiert werden. „Wir bauen allein in diesem Jahr 70 Filialen um und investieren dafür 2,5 Millionen Euro“, so Grziwa. Während die Innenarchitektur von Bankfilialen früher an „Trutzburgen“ erinnert habe, mit hohen Tresen, hinter denen die Angestellten agierten, achte man bei der Haspa heute auf Freundlichkeit und Offenheit im Erscheinungsbild.

Auch andere Kreditinstitute seien dabei, die Berater aus ihren Hinterzimmern in den Filialraum zu holen, wo sie aus Diskretionsgründen hinter halbtransparenten Glasstellwänden mit den Kunden sprechen könnten, heißt es bei der Hamburger Agentur BancArt, einem Spezialdienstleister für Bankenplanung und -architektur. Eines aber ändere sich nicht, sagt Grziwa: „Es gibt Finanzprodukte, die von uns erklärt und individuell auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten werden müssen. Das gilt vor allem für Baukredite, die Vermögensanlage und die Altersvorsorge.“ Das sieht auch Branchenexperte Faust so: „Selbst internetaffine Menschen haben vor solchen Entscheidungen das Bedürfnis nach persönlichem Kontakt mit einem Berater.“

Allerdings hat sich bei den Banken inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass man das Potenzial des Zweigstellennetzes nicht hinreichend ausschöpft. „Untersuchungen zufolge nimmt nur ein Drittel der Menschen, die eine Bankfiliale betreten, persönlichen Service in Anspruch“, sagt Nils Hoffmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Commerzbank Hamburg. Zwei Drittel der Kunden kommen nur in den üblicherweise abgetrennten Vorraum mit den Selbstbedienungsautomaten. Es müsse also darum gehen, die SB-Zone in den eigentlichen Filialraum zu integrieren, um wieder einen Kontakt zwischen Mitarbeitern und Kunden zu ermöglichen, argumentiert Hoffmann.

Die HypoVereinsbank (HVB) will noch in diesem Jahr damit beginnen, die SB-Bereiche stärker in die Filialen einzubinden. „Durch den Sichtkontakt zu den Kunden erhöhen wir auch deren Sicherheitsempfinden“, sagt HVB-Sprecher Ralf Horak. Bis spätestens 2016 sollen alle verbleibenden Standorte modernisiert sein, wozu auch ein „repräsentativer“ Wartebereich für Kunden mit Beratungsterminen gehöre.

Daneben setzt die HypoVereinsbank jedoch stärker auf die Elektronik als andere Institute. Nach einer Testphase in Norddeutschland hat die HVB die Videoberatung, bei der für komplexere Sachverhalte Spezialisten zugeschaltet werden, bundesweit eingeführt. „Diese Möglichkeit wird schon bei jeder dritten Baufinanzierungsberatung genutzt“, sagt Horak. Nachdem es inzwischen in jeder Filiale eine Station für die Videoberatung gibt, soll nach der Umgestaltung der Standorte jeder Berater-Arbeitsplatz dafür geeignet sein. Als Innovationsführer sieht sich die HVB auch mit dem Konzept der „Online-Filiale“: Per Telefon, Video-Chat oder E-Mail können die Kunden in der Zeit von 8 Uhr bis 20 Uhr mit ihrem persönlichen Betreuer kommunizieren.

Auch die Haspa will noch in diesem Jahr die Videoberatung einführen, wie Grziwa sagt. Trotz vieler Gemeinsamkeiten in den Konzepten der Banken gibt es Unterschiede im Detail. So ist es bei der Haspa nicht vorgesehen, ungefragt Kunden anzusprechen, die die SB-Automaten im Filialraum nutzen. Die Commerzbank hat davor keine Scheu. Hoffmann weiß aber auch: „Der Grat zwischen einem aufmerksamen Service und Aufdringlichkeit ist schmal.“ Um den Mitarbeitern der Modellfilialen in Berlin und Stuttgart das nötige Fingerspitzengefühl im Umgang mit Kunden zu vermitteln, nutzt die Commerzbank dort das Know-how der Lufthansa sowie der Hamburger Restaurantkette Block House.

Im kommenden Jahr will die Commerzbank aufgrund der an den Test-Standorten gewonnenen Erfahrungen entscheiden, welche Elemente dieser Zweigstellen auf das gesamte Filialnetz übertragen werden. „Den kostenlosen Internetzugang über ein WLAN halte ich für spannend, weil das junge Menschen anzieht“, sagt Hoffmann. Dabei sei nicht auszuschließen, dass es künftig auch in Hamburg eine Großfiliale nach dem Muster der Standorte in Berlin und Stuttgart gibt: „Das ist ein Konzept für Ballungsräume.“

Anders als die Commerzbank hat die Deutsche Bank bereits mit der Umrüstung ihrer Zweigstellen begonnen. Unter dem Leitmotiv „Mehr Raum für Beratung“ habe man in der Metropolregion Hamburg bisher 15 Filialen modernisiert und dafür zwischen 500.000 und 2,5 Millionen Euro ausgegeben, insgesamt also einen zweistelligen Millionenbetrag, sagt Stefan Knoll, Sprecher der Geschäftsleitung Hamburg der Deutschen Bank. Trotz fortschreitender Technologie gelte: „Die Filiale ist und bleibt Dreh- und Angelpunkt der Beratung“, so Knoll.

Davon ist auch Faust überzeugt: „Es ist immer ein gewagter Schritt, einen Standort zu schließen. Zwar sind viele Menschen bereit, für eine Baufinanzierungsberatung auch mal fünf oder zehn Kilometer weit zu fahren. Aber die Banken müssen eine Mindestversorgung aufrechterhalten, sonst verlieren sie Kunden.“ Commerzbank-Manager Hoffmann bringt es auf den Punkt: „Filialschließungen sind keine Wachstumsstrategie.“ Doch offensichtlich müssen alle Banken weiter hart daran arbeiten, ihre Vertriebsstellen attraktiver zu machen: Eine Studie des Fraunhofer-Instituts hat ergeben, dass sich die Schrittgeschwindigkeit von Passanten in Fußgängerzonen erhöht, sobald sie an den Schaufenstern einer Bankfiliale vorbeikommen.