Ulrich Rüther muss gehen. Arbeitnehmervertreter sind in Sorge

Hamburg/Münster. Der zweitgrößte öffentlich-rechtliche Versicherer, die Provinzial Nordwest mit rund 6000 Beschäftigten, muss nach einem neuen Chef suchen. Ihr Vorstandsvorsitzender Ulrich Rüther wird Ende des Jahres das Unternehmen verlassen. Sein Ende 2014 auslaufender Vertrag wird nicht verlängert, entschied der Aufsichtsrat am Dienstag in Münster und dankte ihm für seine erfolgreiche Arbeit in den vergangenen acht Jahren.

Über die Abberufung von Rüther wird schon seit Monaten spekuliert. Bereits im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung war durchgesickert, dass die Eigentümer an einer weiteren Zusammenarbeit mit dem 46-Jährigen nicht interessiert sind (Abendblatt berichtete). Die Eigentümer sind die Sparkassenverbände in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein sowie der Ostdeutsche Sparkassenverband. Die Provinzial Nordwest als zweitgrößter öffentlicher Versicherer ist mit Unternehmensstandorten in Kiel, Hamburg und Münster vertreten. In Hamburg hat sie den Sitz der Feuerkasse, der ältesten Versicherung der Welt.

Betriebswirtschaftlich kann Rüther auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken

Die Personalentscheidung wurde gegen den Widerstand der Arbeitnehmervertreter getroffen, die an Rüther gern festgehalten hätten. „Bei uns stößt die Entscheidung auf großes Unverständnis“, sagte der Betriebsratsvorsitzende der Hamburger Feuerkasse, Ralf Neidhardt. Für Rüther spricht auch die gute Entwicklung des Unternehmens. 2013 konnten die Beitragseinnahmen um sechs Prozent auf 3,2 Milliarden Euro gesteigert werden. Damit liegt das Unternehmen über dem Marktdurchschnitt. Selbst bei der Lebensversicherung, deren Geschäft unter den niedrigen Zinsen leidet, stiegen die Beitragseinnahmen um mehr als zehn Prozent.

Doch die Eigentümer hat das offenbar nicht beeindruckt. Sie sehen in Rüther vor allem einen Chef, der zu sehr von der Zustimmung des Betriebsrates abhängig ist. „Das gefällt vielen nicht und auch das Vertrauensverhältnis ist zerrüttet“, sagt eine mit der Personalie vertraute Person. Die Eigentümer hatten Rüther 2012 nach der gescheiterten Fusion mit der Allianz mit einer Art „Bewährungsvertrag“ ausgestattet, der nun ausläuft. Das Milliardengeschäft war vor allem am Protest der Beschäftigten gescheitert. Rüther war damals in einen bizarren Skandal verwickelt. Auf dem Weg zu einer Betriebsversammlung in Münster sei er in der Tiefgarage von einem Unbekannten mit einem Schraubenzieher angegriffen worden, gab er zunächst an. Später räumte er ein, die Verletzungen sich selbst zugefügt zu haben. Doch der Aufsichtsrat hielt damals zu ihm. Die anstehenden Überlegungen zur Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Versicherungssektors sollten mit einem anerkannten Fachmann vorangetrieben werden, hieß es damals. Doch auch eine Fusion mit der Provinzial Rheinland war Ende 2013 vom Tisch.

Rüther brachte nach der gescheiterten Fusion wieder Ruhe in das Unternehmen. Doch jetzt hat er für Aufsichtsratschef Rolf Gerlach offenbar seine Schuldigkeit getan. Vor allem die Arbeitnehmer haben Befürchtungen, dass mit einem neuen Kopf an der Spitze die Verkaufspläne wieder aufleben könnten, obwohl das von den Eigentümern dementiert wird. Auch die 300 Beschäftigten der Hamburger Feuerkasse fürchten einen Verkauf. Rüther ist bisher der Aufsichtsratsvorsitzende der Hamburger Versicherung.

Doch ein ganz oder teilweiser Verkauf der Provinzial an einen privaten Versicherer dürfte schwierig werden, nachdem die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen festgestellt hat, dass die Versicherung an einen öffentlichen Auftrag gebunden ist. Ähnlich hatte sich zuvor bereits die Landesregierung in Kiel geäußert.