Joe Kaeser freut sich im Alstom-Poker, dass US-Konzern GE höheren Kaufpreis bezahlen muss und Frankreich als Partner einsteigt

München. Selten zeigen sich Verlierer so gut gelaunt: Siemens-Chef Joe Kaeser äußert sich nach der Niederlage gegen den US-Rivalen General Electric (GE) im Übernahmekampf um die französische Alstom überaus zufrieden. „Wir haben fast alles erreicht, was wir wollten“, sagt der Manager in der „Bild“-Zeitung und lobt seine fleißigen Mitarbeiter. Die Deutschen zwangen den Amerikanern als Preis für ihren Erfolg den französischen Staat als Miteigentümer auf. Es entsteht ein kompliziertes Firmengeflecht, und den beiden neuen Partnern stehen gewaltige Kartellprobleme ins Haus.

Investoren loben Kaeser für sein Scheitern: „Jetzt hat die Transaktion mit Alstom nicht geklappt, Kaeser hat aber doch sehr viel erreicht. Siemens hat GE einen wesentlich höheren Kaufpreis abgetrotzt, es hat beim Wettbewerber die Bücher checken können, hat GE in Joint Ventures gedrängt und ihm den französischen Staat als Aktionär bei Alstom aufgedrückt“, sagt Fondsmanager Christoph Niesel von Union Investment. Siemens könnte auch noch unmittelbar von den Folgen der Transaktion jenseits des Rheins profitieren – als Käufer von interessanten Geschäftsfeldern der Konkurrenz: Die EU-Kommission wird die neu entstehenden Gemeinschaftsfirmen aller Wahrscheinlichkeit nach genau unter die Lupe nehmen. Experten zufolge droht vor allem in zwei Bereichen Widerspruch von den Kartellwächtern: bei großen Gasturbinen und im Generatorengeschäft.

Auf dem Markt für Gasturbinen mit einer Leistung von mehr als 60 Megawatt kämen beide in Europa auf einen Anteil von zusammen etwa 45 Prozent, wie aus der Wettbewerbsstudie einer deutschen Kanzlei hervorgeht. Im Servicegeschäft sind die Vorteile noch größer, rund 60 Prozent der installierten Basis entfallen auf GE oder Alstom.

Ähnlich sieht es im Geschäft mit Generatoren aus, die Kraftwerksbetreiber zumeist bei dem Hersteller bestellen, der auch die Turbine liefert. Die Franzosen und Amerikaner kommen der Studie zufolge auch in diesem Geschäft in Europa auf 45 Prozent, was den Argwohn der Wettbewerbshüter erregen dürfte. In der Wasserkraft und der Netztechnik dürfte der Zusammenschluss hingegen glattgehen. Sollte GE das Gasturbinengeschäft, für das Siemens 4,3 Milliarden Euro geboten hatte, auf Druck der EU-Kommission abgeben oder verkleinern müssen, stünden die Münchner als Käufer bereit.

Im Zuggeschäft wiederum hält Kaeser an seinem Vorhaben fest, einen „europäischen Champion“ zu bauen. So könnte er den zunehmend ungeliebten Zugbau doch noch mehrheitlich bei den Franzosen unterbringen. Das wäre für Alstom spätestens dann interessant, wenn es den Amerikanern über kurz oder lang doch noch gelänge, das Energiegeschäft restlos an sich zu bringen.

„Wir haben das von dem erreicht, was wir wollten, und haben dabei viel Kraft und Selbstbewusstsein gewonnen, jetzt blicken wir nach vorne“, sagte Kaeser. Im Zentrum sehen die Investoren dabei den Konzernumbau „Vision 2020“. „Jetzt geht es zurück auf los für Kaeser. Er wird nun sicher wie angekündigt bei den Gas- und Ölprozessindustrien zukaufen, weil er da für Siemens die Zukunft sieht“, sagte Fondsmanager Niesel. Sein Kollege Marcus Poppe von DWS pflichtet ihm bei: „Ein Deal mit Alstom wäre eine Möglichkeit gewesen, doch jetzt bekommt GE den Zuschlag. Aber für die Amerikaner wird das auch ein langer Prozess.“ Für Siemens sei es jetzt wichtig, dass es operationell besser läuft und dass es keine weiteren großen Abschreibungen auf Projekte gibt. Kaeser habe den Aktionären viel versprochen, bisher habe man aber keine große Verbesserung in den Zahlen gesehen.