Intransparente Rahmenbedingungen der Politik kritisiert. Anteilseigner sollen weiterhin auf Unternehmensplattform handeln können

Hamburg. Der Hamburger Pflegeheimbetreiber Marseille-Kliniken mit 4700 Mitarbeitern will seine Aktien von der Börse nehmen. Marseille-Vorstand Dieter Wopen begründet dies mit mangelnden Perspektiven am Aktienmarkt. Grund dafür seien die wenig verlässlichen und intransparenten politischen Rahmenbedingungen für die privaten Anbieter von stationären und ambulanten Pflegeleistungen.

„Es macht für das Unternehmen bei dem anhaltenden Geschäftsumfeld und der politischen Gemengelage auf absehbare Zeit keinen Sinn mehr, die Aktie an der Börse öffentlich zu handeln“, schrieb er in einem Brief an die Aktionäre. Wopen kritisiert, dass die Vergütung der Pflegeleistungen einmalig um 2,67 bis vier Prozent angehoben werden sollen, um dem fortschreitenden Kaufkraftverlust entgegenzuwirken. Erst in drei Jahren, also 2017, solle dann geprüft werden, ob eine weitere Erhöhung notwendig sei. „Unsere Forderung, die Pflegeleistungen jährlich zu dynamisieren, konnten wir gegen die Politik nicht durchsetzen“, so Wopen. „Die auf die Folgejahre, mindestens bis 2017, zu verteilende Erhöhung der Pflegevergütungen, liegt unterhalb der jährlichen Inflationsrate. Faktisch bedeutet das eine Absenkung unserer Vergütungen bei steigenden Kosten, insbesondere im Personalbereich.“

Die Aktien können noch bis 11. August an der Börse gehandelt werden

Mit dem Abschied von der Börse will das Unternehmen davon profitieren, dass es künftig weniger Verwaltungskosten hat, da zum Beispiel Zwischenberichte für die Aktionäre wegfallen. Zudem verspricht sich der Pflegeheimbetreiber mehr Flexibilität, um auf politische Veränderungen reagieren zu können. Großaktionär Ulrich Marseille will das Unternehmen aber nicht verkaufen, wie ein Sprecher sagte. Die Aktien können noch bis zum 11. August an der Börse gehandelt werden.

Für den Zeitraum danach will das Unternehmen eine Plattform einrichten, auf der sich Käufer und Verkäufer von Aktien des Pflegeheimbetreibers melden können. Über diese Plattform wird zwischen den Interessenten der Kontakt vermittelt, sodass die Aktionäre direkt mit dem Verkäufer verhandeln können. Die Aktie verlor am Dienstagvormittag mehr als vier Prozent. Gegen Nachmittag notierte sie schließlich bei 2,37 Euro (minus 1,1 Prozent).

Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) plädiert für eine Barabfindung der Aktionäre. Diese war bis Anfang Oktober 2013 Pflicht bei einem sogenannten Delisting gewesen, also dem Abschied von der Börse. Doch im Oktober 2013 urteilte der Bundesgerichtshof, dass dies nicht mehr notwendig sei. Eine private Handelsplattform als Ersatz für eine Börsennotierung sei jedoch völlig unreguliert und nicht überwacht. Damit lasse sich für Aktien keine transparente Preisbildung herstellen, sagt Kurz.

Mehrheitsaktionär mit rund 60 Prozent der Anteile ist die Familie von Ulrich Marseille, der selbst keine offizielle Funktion mehr in dem Konzern ausübt. Seine Frau Estella-Maria führt jedoch den Aufsichtsrat, nachdem der Manager Thomas Middelhoff diese Funktion niedergelegt hatte. Weiterer Großaktionär ist der Investor Carsten Maschmeyer.